Existenzfrage für die Islamische Republik Iran

Verheerende Folgen

Die Folgen der Sanktionen für den Iran sind verheerend. Trump hatte bei ihrer Bekanntgabe angekündigt, den Erdölexport des Iran auf Null zu reduzieren. Tatsächlich hat er geschafft, die iranischen Erdöleinnahmen um mehr als 80 Prozent zu senken. 2016 exportierte der Iran täglich etwa 2,3 Millionen Barrel Erdöl; nach den Sanktionen von 2018 exportierte das Land täglich nur noch zwei- bis dreihunderttausend Barrel.

Eine weitere Folge: Bis heute verweigern viele Länder, die iranisches Erdöl oder Erdgas gekauft haben, mit Hinweis auf die Sanktionen die Bezahlung. Selbst der Irak, der gute Beziehung zur Islamischen Republik pflegt, weigert sich, seine Schulden in Höhe von etwa 5 Milliarden US-Dollar zu begleichen; auch mehrmalige Besuche iranischer Politiker in Bagdad haben das nicht ändern können.

Die Fahrzeugindustrie ist ein weiterer Wirtschaftssektor, der stark von den US-Sanktionen betroffen ist. Die Produktionsanlagen im Iran sind mehrere Jahrzehnte alt, die Sanktionen verhindern jedoch sowohl den Kauf neuer Anlagen als auch Investitionen von und Partnerschaften mit ausländischen Unternehmen.

Auch der Export von Nicht-Erdöl-Produkten ist stark gesunken. Nach dem jüngsten Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Oktober 2020 lag die Wachstumsrate der iranischen Wirtschaft 2019 bei etwa minus sieben Prozent – und es wird erwartet, dass sich diese negative Wachstumsrate fortsetzt. Dem Bericht zufolge sind die Devisenreserven des Iran in den letzten Jahren stark geschmolzen – ein Hinweis darauf, dass die Regierung gezwungen ist, den Ausfall von Deviseneinnahmen durch den Zugriff auf Devisenreserven zu kompensieren. Der IWF-Bericht vom Frühjahr 2020 schätzt die iranischen Devisenreserven auf 89 Milliarden US-Dollar: 19 Milliarden weniger als im Jahr davor.

Wegen ausbleibender Einnahmen ist die iranische Regierung mit so hohen Haushaltsdefiziten konfrontiert, dass ihr selbst die Bezahlung der Staatsbediensteten schwerfällt. Die negativen Wachstumsraten schlagen sich überdies in zunehmender Arbeitslosigkeit, steigenden Preisen, einer rasanten Inflation und dem Niedergang der iranischen Währung nieder. Der Rial hat in den vergangenen zwei Jahren mehr als 80 Prozent seines Wertes verloren.

Somit sind die Auswirkungen der Sanktionen in allen Wirtschaftszweigen spürbar. Die Haltung der Führung der Islamischen Republik demgegenüber ist ambivalent – und situationsabhängig: Manchmal werden die Sanktionen für unwichtig und unwirksam erklärt – wenn es darum geht, sich verbal gegen die USA zu behaupten; ein anderes Mal werden sie für alle Probleme des Landes verantwortlich gemacht.

 

Der Export von handgeknüpften Perserteppichen ist stark gesunken
Der Export von handgeknüpften Perserteppichen ist sehr stark gesunken – etwa zwei Millionen Iraner*innen sind in der Teppichindustrie beschäftigt

Die Bevölkerung verarmt

Die von Trump verhängten Sanktionen konnten die Wirtschaft des Iran deshalb so lähmen, weil ihre Durchsetzung – im Gegensatz zu Obama-Zeiten – akribisch vorbereitet war und mit aller Härte geschah. Schon vor Beginn der Sanktionen hatte die US-Regierung um die Unterstützung anderer Länder geworben. Trumps Berater hatten zudem aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und versucht, alle Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten seitens der Islamischen Republik ausfindig zu machen und zu schließen. So blieben dem Iran kaum Möglichkeiten, die Sanktionen abzuschwächen.

Die Last der Sanktionen trägt an erster Stelle die iranische Bevölkerung. Vor allem die unteren Einkommensschichten leiden enorm unter der schwindelerregenden Teuerungsrate, Güterknappheit und Arbeitslosigkeit. Es gibt immer wieder erschreckende Berichte über die Verarmung auch der iranischen Mittelschicht.

Die Führung der IRI schiebt die Verantwortung für die verheerende Situation den USA und ihren Partnern zu. Doch ein Großteil der Probleme des Landes ist hausgemacht. Vetternwirtschaft in dem ideologisch organisierten Staat hat in den vergangenen 30 Jahren zu Korruption und Missmanagement geführt. Das blieb der Bevölkerung nicht verborgen. Bei den landesweiten Protesten im November 2019 lautete eine populäre Parole: „Es ist eine Lüge, dass Amerika unser Feind ist: Unsere Feinde sind hier!“

Auch Biden stellt Bedingungen

Nun ist Donald Trump abgewählt worden, und der künftige US-Präsident Joe Biden hat erklärt, die Sanktionen gegen den Iran unter bestimmten Umständen aufheben zu wollen. Aber auch Biden besteht darauf, dass die Islamische Republik ihre ideologisch begründete Außenpolitik ändert, von Provokationen gegen die USA und ihre Partner in der Region, insbesondere Israel, absieht und die Unterstützung bewaffneter Gruppen wie der Hisbollah im Libanon und der Huthi-Rebellen im Jemen beendet.

Doch die Hardliner um Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei haben schon erklärt, dass sie auf keine Forderung der künftigen US-Regierung eingehen wollen. Um den gemäßigten Kräften innerhalb des Systems einen Riegel für eventuelle Verhandlungen mit den USA vorzuschieben, verabschiedete das iranische Parlament am 2. Dezember 2020 ein Gesetz, das nach Aussagen von Regierungssprecher Ali Rabie „die Sanktionen verewigt“ – und so den Interessen der iranischen Bevölkerung wohl noch mehr schaden wird.

2021 wird für die Islamische Republik Iran ein Schicksalsjahr. Entweder muss sie sich der Weltordnung unterwerfen und so für die Aufhebung der Sanktionen sorgen – oder mit noch größeren Protesten im Land rechnen. Die aufgestaute Wut der verarmten Bevölkerung kann jederzeit ausbrechen.♦

© Iran Journal

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