Rouhanis neoliberal-autoritäre Wirtschaftsdoktrin
Wirtschaftspolitisch hat Irans Präsident Hassan Rouhani keine großen Erfolge erzielen können. Das liegt auch an seinen neoliberalen Vorstellungen, die einem inklusiven Wirtschaftswachstum, von dem breite gesellschaftliche Kreise profitieren, nicht dienlich sind. Statt dessen haben seit seiner Amtsübernahme Armut und Ungleichheit im Iran zugenommen.
Die Rezession, die im Iran kurz vor seinem Amtsantritt herrschte, hat Präsident Hassan Rouhani in ein Wirtschaftswachstum verwandeln können. Das ist allerdings vor allem den Ölexporten zu verdanken, die sich nach der Implementierung des Atomdeals Anfang 2016 verdoppelt haben. Außerdem wird ihm zugute gehalten, die Inflation merklich gesenkt zu haben. Vor allem politische Berater werden nicht müde, den Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) sowie die Bekämpfung der Inflation als Indizien für Rouhanis wirtschaftlichen Erfolg darzustellen.
Wie aber die wissenschaftliche Forschung seit Jahren immer wieder demonstriert hat, ist Wirtschaftswachstum per se kein verlässlicher Indikator, um sozio-ökonomische Entwicklungen abzulesen. Stattdessen sollte der Fokus auf „inklusives Wachstum“ (inclusive growth) gerichtet werden, ein Wirtschaftswachstum also, dessen Dividenden gerecht verteilt werden und somit allen Bevölkerungsschichten – und nicht nur den Eliten – zugute kommen. Stellt man aber weitere Indikatoren in Rechnung, fällt die Bilanz der ersten Rouhani-Präsidentschaft sehr viel nüchterner aus. Zum einen zeigt eine Weltbank-Studie vom September 2016, dass seit seiner Amtseinführung Armut und Einkommensungleichheit zugenommen haben. Zum anderen profitierte von der Wiederbelebung des Handels mit dem Ausland fast ausnahmslos der autoritäre Staat. Wie eine Untersuchung der Nachrichtenagentur Reuters im Januar dieses Jahres offenbarte, gingen von knapp 110 Abkommen mit einem Wert von mindestens 80 Milliarden US-Dollar, die nach dem Atomdeal vom Juli 2015 abgeschlossen wurden, ganze 90 an Unternehmen, die sich entweder im Besitz oder unter der Kontrolle iranischer Staatsinstanzen befinden. Allein diese beiden Indikatoren weisen auf das Ausbleiben eines „inklusiven Wirtschaftswachstums“ hin.
Dabei gab es, wie im Folgenden skizziert wird, bereits frühzeitig ausreichend Anhaltspunkte, um Rouhanis wirtschaftspolitische Vorstellungen kritisch zu hinterfragen.
Buch über Sicherheit und Wirtschaft
Denn bereits im ersten Halbjahr nach seiner Wahl fand in führenden intellektuellen Zeitschriften des Landes eine kritische Auseinandersetzung mit Rouhanis wirtschaftspolitischen Ideen statt, die seit Jahren bekannt waren. Dabei spielt sein 2010 auf Persisch erschienenes Buch Nationale Sicherheit und Wirtschaftssystem Irans eine zentrale Rolle. Es wurde vom Center for Strategic Research (CSR) herausgegeben, dem wohl einflussreichsten Think-Tank der Islamischen Republik, der dem Schlichtungsrat untergeordnet ist.
21 Jahre lang wurde das CSR von Rouhani geleitet, bevor er aufgrund seiner Präsidentschaft von Ali-Akbar Velayati, dem außenpolitischen Berater von Staatsoberhaupt Ali Khamenei und ehemaligen Außenminister, abgelöst wurde. Das Projekt „iranisch-islamischer Entwicklung“, schreibt er, solle die Islamische Republik zu einem Land machen, das „entwickelt und sicher ist und die kleinsten Klassengegensätze aufweist“, was nur durch eine „Strategie der wettbewerbsfähigen Produktion“ zu erreichen sei. Weiterhin beklagt Rouhani Irans angeblich „äußerst repressive“ Arbeitsgesetze für Unternehmen. Rouhani plädiert dafür, den Mindestlohn (der in der Islamischen Republik ohnehin viel zu niedrig angesetzt ist) abzuschaffen und Einschränkungen zur Entlassung von Arbeitern aufzuheben, falls die „Kapitaleigner“ im Iran die „Freiheit“ erlangen sollten, Wohlstand zu schaffen. „Eine der Hauptherausforderungen, denen sich Arbeitgeber und unsere Fabriken gegenüberstehen, ist die Existenz von Gewerkschaften“, schreibt Rouhani, und fordert: „Arbeiter sollten gegenüber den Anforderungen der Arbeitsplätze Schaffenden fügsamer sein.“ Dass aber mit einem beschleunigten neoliberalen Wirtschaftsmodell Klassengegensätze abnähmen, ist pure Augenwischerei.
Beispiel Budget
Fortsetzung auf Seite 2