Geschäfte mit dem Osten, Hoffnung Richtung Westen

Die iranische Wirtschaft erholt sich nur langsam von den langjährigen Sanktionen, die der Westen gegen das Land verhängt hatte: eine Achillesferse für die Regierung Rouhani und eine Zeitbombe für das politische System. Durch neue Ölverträge mit Russland und regionale Handelserleichterungen soll ein Ausgleich geschaffen werden.

Shana, die Nachrichtenagentur des iranischen Ölministeriums, gab am vergangenen Dienstag einen Vertrag mit einer russischen Firma bekannt. Der russische Vertragspartner Tatneft soll Lösungen für die maximale Förderung auf dem Ölfeld Dehloran vorlegen. Die Reserve des südwestiranischen Feldes beläuft sich nach offiziellen Angaben auf etwa fünf Milliarden Barrel.

Der Vertrag mit Tatneft ist der erste mit einer ausländischen Firma nach der Änderung der staatlichen Ölverträge, an der die Regierung des amtierenden iranischen Staatspräsidenten Hassan Rouhani parallel zu den Atomverhandlungen gebastelt hat. Die „attraktiveren“ Verträge sollten eigentlich unmittelbar nach der Aufhebung der internationalen Sanktionen im Januar 2016 große Firmen zu Investitionen in die iranische Ölindustrie animieren. So wollte das Regime den sanktionsbedingt an die Konkurrenz eingebüßten Produktionsanteil möglichst rasch zurückgewinnen und der angeschlagenen iranischen Wirtschaft Anschub geben. Die Investitionen sollten zudem der maroden Ölindustrie des Landes zugute kommen.

Lange Debatte über neue Verträge

Die neuen Verträge stießen jedoch auf heftige Widerstände und wurden anstatt wie geplant Anfang des Jahres erst in den vergangenen Wochen offiziell vorgestellt.

Präsident Rouhani als Special Guest einer Sitzung der südostasiatischen Staaten am 09. Oktober 2016
Präsident Rouhani als Special Guest einer Sitzung der südostasiatischen Staaten am 09. Oktober 2016

Unter anderem hatte sich das größte militärisch-industrielle Konglomerat des Landes – das der Revolutionsgarde gehörende Khatam al-Anbiya Construction Headquarter – quergestellt. Der größte Auftragnehmer der iranischen Regierung, der besonders in der Ahmadinedschad-Ära lukrative Öl- und Bauprojekte in die Hand bekommen hatte, sorgte sich über die Konkurrenz. 2011 hatte der damalige Geschäftsführer der staatlichen National Iranian Oil Company bekannt gegeben, dass Khatam al-Anbiya Verträge über 25 Milliarden US-Dollar mit dem Ölministerium abgeschlossen habe. Der Chef des Wirtschaftsgiganten, Rostam Ghasemi, wurde unter Ahmadinedschad Ölminister.

Der genaue Inhalt der neuen Ölverträge sollte der Öffentlichkeit bis zur offiziellen Vorstellung vorenthalten werden. Kritikpunkte wurden deshalb immer nur unklar und allgemein formuliert. Die neuen Verträge sollten etwa „die nationalen Interessen nicht beachten“, hieß es wolkig von Kritikern. Die Auseinandersetzungen hinter den Kulissen waren jedoch so heftig, dass Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei das letzte Wort sprechen musste. Anfang Juli gab er in einer öffentlichen Rede vor, dass die neuen Verträge erst nach den „wahren Änderungen“ abgeschlossen werden dürften.

Das Ölministerium hatte Firmen der Revolutionsgarde oder anderen Auftragnehmern, die staatlichen Institutionen gehören, bereits öfter vorgeworfen, unter Ahmadinedschad milliardenschwere Aufträge bekommen, aber nicht rechtzeitig oder vollständig umgesetzt zu haben. In Folge des enormen Drucks solcher staatlichen Institutionen gab der Vizeölminister jedoch bekannt, dass Khatam al-Anbiya und eine weitere staatliche Firma zur Liste der iranischen Partnerfirmen hinzugefügt worden seien.

Das ist nämlich eine Bedingung, der sich die internationalen Firmen mit den neuen Verträgen zu beugen haben: die Zusammenarbeit mit einem iranischen Partner. Sie soll den Technologietransfer sicherstellen. Auch die russische Firma Tatneft arbeitet mit einer iranischen Firma zusammen.

Erleichterungen für den Handel mit Russland

Die Geschäfte mit Russland sollen grundsätzlich gut laufen. Laut dem iranischen Botschafter in Russland, Mehdi Sanaie, nahm das Handelsvolumen beider Länder in der ersten Hälfte dieses Jahres um 67 Prozent zu. Es gebe jedoch noch viel Luft nach oben, meint der Diplomat.

Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei (re.) mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin
Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei (re.) mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin

Ende August gab der Vizechef der iranischen Nationalbank Gholamali Kamyab bekannt, dass der Iran und Russland ihre Geschäfte demnächst auch in den nationalen Währungen Rial und Rubel abwickeln würden.

Zur Zeit meiden viele Banken Geschäfte mit dem Iran, obwohl die meisten Sanktionen von den USA aufgehoben worden sind. Die amerikanische Handelskontrollbehörde OFAC veröffentlichte am Freitag deshalb neue Informationen. Demnach können ausländische Geldhäuser grundsätzlich Geschäfte mit dem Iran auch in Dollar abwickeln, sofern US-Finanzinstitutionen nicht beteiligt sind.

Teheran wolle sich trotzdem durch regionale Abkommen mehr Unabhängigkeit verschaffen, so der Vizechef der Nationalbank Kamyab. In den letzten Jahren etwa bezahlte Indien das vom Iran gekaufte Öl in der Landeswährung Rupie.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Ländern möchte das Regime ebenso ausbauen beziehungsweise wiederbeleben. Präsident Rouhani war gerade in Südostasien unterwegs, einer Region, die sein Vorgänger Ahmadinedschad völlig ignoriert hatte. Das jährliche Handelsvolumen zwischen dem Iran und Thailand etwa soll in den kommenden fünf Jahren die jährliche Marke von drei Milliarden Dollar erreichen. Iran und Vietnam haben sich auf eine Erhöhung des Handelsvolumens um das Fünffache verständigt.

Die wirtschaftliche Erholung ist aus zwei Gründen das momentan wichtigste Vorhaben der iranischen Politik. Nächstes Jahr sind Präsidentschaftswahlen im Iran. Rouhani hatte bessere wirtschaftliche Verhältnisse nach der Aufhebung der Sanktionen versprochen, die jedoch bis zum heutigen Tag zum großen Teil ausgeblieben sind. Zudem zeigen sich die Wirkungen der chronischen Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Misere in Form von sozialen Missständen, die der Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli als Hauptbedrohung des politischen Systems des Landes bezeichnet hat.

Die Regierung Rouhani versucht, das wirtschaftliche Gleichgewicht durch Verträge mit anderen Ländern herzustellen, bis der erhoffte Aufschwung aus dem Westen kommt. Der Vertrag mit Tatneft soll den Anfang machen, hofft man in Teheran.

  IMAN ASLANI

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