Quo vadis Iran? Außen- und innenpolitischer Rückblick 2017 und Ausblick 2018

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Fraktionen der politischen Elite der Islamischen Republik werden maßlos übertrieben. Viel wichtiger sind die überwiegenden Gemeinsamkeiten – mit dem übergeordneten Ziel des Überlebens des Regimes. Quo vadis Iran: ein außen- und innenpolitischer Rück- und Ausblick. Gastbeitrag von Ali Fathollah-Nejad.

Das Jahr 2017 schien ein gutes Jahr für den Iran gewesen zu sein – auf den ersten Blick. Auf den zweiten ist die Lage aber nicht so rosig wie vielfach angenommen. Denn sowohl außen- als auch innenpolitisch muss sich Teheran immensen Herausforderungen stellen.

In vielen Krisenherden der Region erscheint die Islamische Republik zweifelsohne als Gewinnerin. Während sich Teherans Regionalstrategie mit ihren Stellvertreterkriegen in vielen Fällen durchgesetzt hat, war ihr Erfolg allerdings ohne die kolossale Schwäche seiner regionalen Rivalen einerseits und den USA andererseits nicht denkbar. Emblematisch hierfür steht der Krieg in Syrien. Dort blieb das brutale Assad-Regime dank iranischer Dominanz am Boden und russischer Lufthoheit fest im Sattel. Zusammen mit der Türkei, die sich von der anfänglichen Opposition zu Assad verabschiedete, feierte sich das Trio auf dem Gipfel in der Sommerresidenz Putins in Sotschi als Siegermächte.

Die anhaltende Spaltung der arabischen Welt, die in ihrer Mehrheit die expansive Rolle des Iran ablehnt – vor allem jene des Golfkooperationsrats (GCC) – , trug dazu bei, dass ein „arabisches Projekt“ ausblieb, das sich einem real existierenden „iranischen Projekt“ entgegenzusetzen vermochte. Kurzum: Irans Stärke ist in einem Atemzug mit der Schwäche der Gegenseite zu nennen. Washington hingegen verzettelte sich in den Widersprüchen seiner regionalen Politik und begnügte sich schlussendlich mit der Rolle des Abwartens statt des Handelns.

Keine Frage, die Saudis sind aufgrund des Mangels einer Strategie gegen den Iran, die solch einen Namen auch nur annähernd verdienen würde, die Verlierer in dieser Rivalität zwischen den beiden regionalen Großmächten. Dass Riad unter Führung des Kronprinzen Mohammad bin Salman es für politisch sinnvoll hielt, mit der anhaltenden Blockadepolitik gegenüber Qatar den GCC einen Todesstoß zu versetzen, während es eine Anti-Iran-Allianz ausgerechnet mit Jared Kushner, dem Schwiegersohn Donald Trumps, und Benjamin Netanjahu schmiedete, spricht Bände. Dieses reaktionäre Bündnis verfügt weder über politisches Kapital in der arabischen Welt noch über eine gangbare Strategie, um Irans Vorstoß in der Region zurückzudrängen.

Das Ende des IS?

Was den angeblichen Sieg über den IS anbelangt: Zwar ist es richtig, dass der IS im November und Dezember territorial besiegt wurde, aber seine Entstehungsbedingungen (vor allem die fehlende Gleichstellung sunnitischer Bevölkerungsgruppen im Irak und die Brutalität des Assad-Regimes und seiner Verbündeten in Syrien) existieren fort. Somit darf man mit dem Aufkommen eines „IS 2.0“ rechnen.

Dass Teheran, Bagdad und Moskau den Sieg über den IS pompös verkündet haben, ist lediglich Propaganda, um nach innen die zum Teil hohen Verluste im Nachhinein als lohnend darzustellen. All das erinnert stark an die Rede des früheren US-Präsidenten George W. Bush, die er nur anderthalb Monate nach seiner Invasion in den Irak unter dem Slogan „Mission Accomplished“ hielt. Der Rest ist bekannt.

In der Realität wurde weiterhin im IS-Gebiet bombardiert, was das Leben von etwa 10.000 Menschen kostete, darunter auch viele Zivilisten. Es bleibt weiterhin dabei, dass der IS nicht militärisch (wie bislang bevorzugt), sondern sozio-ökonomisch und politisch (wie oben angedeutet) besiegt werden kann.

Die UNO warnt vor "größter Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten" in Jemen - Foto: irna.ir
Die UNO warnt vor „größter Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten“ in Jemen – Foto: irna.ir

Der Krieg im Jemen

Während der Iran beharrlich beteuert, die Huthi-Rebellen im Jemen nicht mit Waffen beliefert zu haben, behaupten Saudi-Arabien und die USA das Gegenteil. Dabei muss man beiden Seiten misstrauen. Einerseits ist das Problem, dass Riad und Washington Teherans Rolle übertreiben, um ihr brutales Vorgehen in Jemen und einen kriegerischen Kurs gegenüber dem Iran zu rechtfertigen. Die von den Saudis geführte Militärkoalition hat im ärmsten Land der arabischen Welt laut den Vereinten Nationen (UN) die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit zu verantworten. Andererseits unterstützt Teheran die Huthis, wenn nicht direkt etwa über Oman, dann doch indirekt über die libanesische Hisbollah. Die Huthi-Hisbollah-Connection wird zunehmend deutlicher, etwa in der Rhetorik der Huthi-Führer, deren Reden immer mehr Ähnlichkeiten mit denen des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah aufweisen. Immerhin befindet sich der TV-Sender der Huthis, Al-Masirah, im von der Hisbollah kontrollierten Süden Beiruts.

Innenpolitik

2017 hat nun stärker vor Augen geführt, was ohnehin von Beginn der iranischen Präsidentschaft Hassan Rouhanis an abzusehen war: Seine Wahlversprechen, die zumeist Resultat von gesellschaftlichem Druck waren, waren lediglich populistischer Natur. Die Zusammensetzung des Kabinetts für Rouhanis zweite Amtszeit, die im vergangenen Sommer begann, spricht jeglichem ernst gemeinten Reformwillen Hohn. Seither müsste jede Illusion, die von politisch interessierten Analysten in Europa verfolgt wird, für jedermann verflogen sein.

Was ist für 2018 zu erwarten?

Fortsetzung auf Seite 2