Mächtig, unkontrollierbar, korrupt: Irans Märtyrerstiftung

Der Chef dieser Stiftung wird zwar vom Staatspräsidenten ernannt, doch die Institution als Ganze untersteht dem iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei. Wie andere Organisationen, die von ihm kontrolliert werden, zahlt auch die Märtyrerstiftung keine Steuern und ist von jeglicher Kontrolle befreit. Ihr Jahresetat beträgt neuntausend Milliarden Tuman, mehr als zwei Milliarden Euro: Genau das 56-fache von dem, was das iranische Umweltministerium erhält.
Wirtschaftlich mächtig, politisch einflussreich, heilig wie ein Märtyrer selbst und zugleich unkontrollierbar und steuerfrei – wenn all dies in einer Einrichtung zusammentrifft, kann das nur zu einem einzigen Ergebnis führen: uferloser Korruption. Und im Falle der Märtyrerstiftung geht es um astronomische Summen: Hunderte von Milliarden Dollar. Genaues weiß man nicht, selbst diese Zahl ist nur die Andeutung eines Parlamentsabgeordneten. Sie war das erste und einzige Mal, dass diese nie wiederholte ungefähre Summe überhaupt publik wurde.

Ergebnislose Untersuchung

Nach dem Amtsantritt des amtierenden iranischen Präsidenten Hassan Rouhani im August 2013 wagten einige Abgeordnete, sich an die Kommission des Paragraphen 90 des iranischen Parlaments zu wenden – eine Beschwerdekommission mit Untersuchungsbefugnis. Man klagte dort über die grassierende Korruption in der Märtyrerstiftung während der Amtszeit von Rouhanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad. Es wurden Papiere und Dokumente eingereicht, Zeugen und Quellen benannt. Das war vor genau zwei Jahren. „Wir haben in dieser Zeit 30.000 Aktenordner zusammengestellt und sie dem Parlamentspräsidenten überreicht“, sagte Anfang August Amir Khodjasteh, der Chefermittler der Kommission am Ende der Untersuchung. In einer öffentlichen Sitzung des Parlaments dürften die Inhalte dieser Akten aber nicht vorgetragen werden, entschieden Pour Mokhtar, Chef der Untersuchungskommission, und Kommissionsmitglied Djafar Zadeh: „Wir haben Angst, dass das Volk schockiert wird, wenn die Inhalte dieser Akten publik werden.“ Mehr erfuhren die Parlamentsabgeordneten nicht. Und auch dem Volk blieb der Schock erspart.

Day-Bank ist eine der Geldinstitute der Märtyrerstiftung, die unabhängig von der iranischen Zentralbank arbeitet
Day-Bank ist eine der Geldinstitute der Märtyrerstiftung, die unabhängig von der iranischen Zentralbank arbeitet

Am interessantesten war die Reaktion von Parlamentspräsident Ali Laridjani, dem die 30.000 Akten überreicht worden waren. „Zwei Jahre Zeit haben wir verschwendet, die Kommission hat mehrere Hundert Millionen Tuman für die Untersuchung ausgegeben. Aber viel wissen wir nicht. Und es lohnt sich nicht, darüber zu reden“, sagte er am 20. August und verkündete das Ende der Affäre. Und so war die Untersuchung beendet.

Ein neuer Chef

Doch Zeitungen berichten weiterhin von verhafteten Funktionären, und die Stiftung bekam noch während der Untersuchung einen neuen Präsidenten. Mohammad Ali Schahidi heißt er, ein Intimus von Khamenei und Rouhani zugleich. Als erste Amtshandlung kündigte der neue Chef an, die Märtyrerstiftung werde ab sofort die Hinterbliebenen jener in Syrien gefallenen Afghanen und Pakistaner in Obhut nehmen, die der Iran dorthin entsandt hatte.

Programmierter Niedergang der Republik

Doch in Zeitungen und auf Webseiten kursieren immer noch Namen und Unterschlagungssummen zwischen 15.000 und 200.000 Milliarden Tuman – drei bis 40 Milliarden Euro. Das iranische Publikum hat sich längst an solche Summen gewöhnt. Denn immer wieder werden mehr oder minder ähnliche Zahlen aus anderen Institutionen bekannt. Niemand regt sich mehr auf.
„Die islamische Republik wird weder durch Israel noch durch die USA oder Saudi-Arabien zu Fall gebracht. Das Ende dieser Republik besorgt die unkontrollierbare und grassierende Korruption“, sagte vergangenen Dezember Ahmad Tavakkoli, Ökonom und ehemaliger Parlamentsabgeordneter, der auch als Vertrauter des Revolutionsführers gilt.
Wenn diese Voraussage des in Großbritannien ausgebildeten Fachmanns zutrifft, dann beschleunigt sich der Niedergang der Islamischen Republik Iran rapide. Denn seit Tavakkolis Aussage sind bereits neue und noch höhere Unterschlagungssummen aus anderen Einrichtungen und Behörden des Iran bekannt geworden.

  ALI SADRZADEH

Quellen: 
www.bbc.com/persianwww.radiofarda.com/awww.dana.ir, dana.ir/Newsbbc.com/persian/iran/2016radiofarda.com/a/f14 , www.alef.ir

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