Verhängnisvolle Geständnisse des Hisbollahführers
Was der Hisbollah-Chef da so freimütig und unverblümt gestand, war für Eingeweihte stets ein offenes Geheimnis. Doch nun sind diese Sätze ein unwiderlegbarer Beweis, justiziabel und präsentabel vor jedem Gericht. Vor allem vor den amerikanischen. Deshalb sind sie ein unschätzbares Milliardengeschenk, eine Goldgrube für jene US-Anwälte, die sich auf Entschädigungsprozesse spezialisiert haben.
Denn die Hisbollah wird beschuldigt, seit dreißig Jahren weltweit dutzende blutige Anschläge gegen amerikanische und israelische Einrichtungen verübt zu haben. Und da Mord nicht verjährt, sind immer noch dutzende Schadensersatzverfahren vor US-Gerichten gegen Hisbollah anhängig. Die Anwälte beschuldigen in ihren Klageschriften die iranische Regierung als Mittäterin. Denn zahlen kann und muss der iranische Staat und nicht eine Organisation, die als terroristisch gilt. Doch es nicht immer leicht, Irans Mittäterschaft zu beweisen.
Welchen Wert Nasrallahs Geständnis hat, kann folgender Fall verdeutlichen: Vor drei Jahren verurteilte ein US-Bundesrichter in einem Zivilverfahren den Iran als mitschuldig an dem Bombenanschlag, der 1983 in Beirut 241 US-Marines und Duzende französische Soldaten tötete. Richter Royce C. Lamberth befand, der Anschlag sei von der Terrororganisation Hisbollah mit Billigung und Unterstützung hoher iranischer Beamter verübt worden. Thomas Fay, der Anwalt der 153 Kläger – Hinterbliebene der Opfer – sagte damals, nun wäre der Weg frei für die Festsetzung individueller Schadensersatzzahlungen. Diese würden nach Fays Schätzung insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar erreichen. Und vor drei Monaten hat der Anwalt erreicht, dass eingefrorene iranische Konten im Gesamtwert von zwei Milliarden US-Dollar für die Begleichung der zugesprochenen Entschädigungen freigegeben werden. Der Iran hat zwar eine Verwicklung in den Anschlag immer bestritten, Richter Lamberth ließ sich aber von den Zeugen der Kläger, unter anderem von einem ehemaligen Hisbollah-Mitglied, das unter dem Pseudonym Mahmoud auftrat, überzeugen.
Bestätigung durch die Revolutionsgarden
Nun sind die Zeiten solcher anonymen Überläufer vorbei. Nicht nur der Hisbollah-Chef hat offen gestanden, woher seine Gelder und Waffen kommen. Auch die Revolutionsgarden im Iran haben dies umgehend und offiziell bestätigt.
Unmittelbar nach dem Auftritt Nasrallahs fragten sich oppositionelle Iraner ebenso wie auch Webseiten, die Rouhanis Regierung nahe stehen, warum dieses öffentliches Geständnis gerade jetzt erfolgte und mit welchen Konsequenzen das Land rechnen müsse. Doch Hassan Nasrallah als Person oder die Hisbollah als Organisation zu kritisieren ist im Iran nicht möglich. Die Hisbollah gehört zur Staatsräson der Islamischen Republik.
Zwei Tagen nach dem folgenreichen Auftritt trat in Teheran dann General Ramazan Sharif vor die Presse. Alles, was Nasrallah gesagt habe, sei unbestreitbar richtig und seit langem bekannt, sagte der: „Nun wissen die Zionisten und die reaktionären arabischen Regimes, woran sie sind“, so der Leiter der Kommunikationsabteilung der Revolutionsgarden.
Absichtlich in eine neue Krise?
„Warum tun sie das? Wissen sie nicht , was sie sagen oder steht eine Absicht dahinter?“, fragt sich Hossein Alizadeh, der Ex-Diplomat, der nun an der Universität Tampere in Helsinki lehrt. Um die Dimensionen dieser Äußerungen zu verdeutlichen, fallen dem Kenner der iranischen Außenpolitik zwei markante Perioden in der Geschichte der Islamischen Republik ein: der achtjährige Krieg mit dem Irak und das Atomprogramm. Auch diese Episoden wurden fortwährend mit unbedachten und prahlerischen Äußerungen zunehmend kompliziert. Beide zogen sich lange hin und kosteten das Land schließlich Hunderte von Milliarden. Nasrallahs Rede und deren Bestätigung durch die iranischen Garden würden das Land viel, sehr viel kosten und lang nachwirken.
Es geht nicht allein um dutzende Schadensersatzklagen und private Forderungen vor Gerichten. Es geht auch um neue Sanktionen wegen der Unterstützung des Terrorismus, die nun offen liegt. Die Zurückhaltung der Banken, mit dem Iran Geschäfte zu treiben, wird zunehmen. „Vielleicht wollen sie die Geschichte zurückdrehen, vielleicht wollen sie die Früchte des Atomdeals zunichte machen, vielleicht wollen sie nur Rouhani schaden. Aber damit sie ziehen den ganzen Iran in den Abgrund“, fürchtet der erfahrene Diplomat.
© Iran Journal
Quellen:
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de , radiofarda.com , bbc.com/persian , shabtabnews.com , farsi.alarabiya.net , radiofarda.com , news.gooya.com , kayhan.ir/fa