Streit um's Geld im Iran

Angesichts immer härterer Sanktionen wurde im Iran die Debatte um den Staatshaushalt für das im März begonnene Jahr ungewohnt heftig geführt. Der starke Mann ist wie so oft Ayatollah Khamenei. Doch viel Spielraum bietet der Haushalt angesichts der Wirtschaftsmisere nicht.Und retten kann er das Land schon gar nicht. Statt dessen verschließen die Machthaber ihre Augen vor der Realität.
Von Javad Kooroshy
Zum ersten Mal in der vierzigjährigen Geschichte der Islamischen Republik Iran löste der Haushaltsentwurf der Regierung für das neue Jahr – das iranische Jahr 1398 begann am 21. März 2019 – einen großen Streit aus. Und das schon, bevor er dem Parlament vorgelegt wurde.
Hauptkritiker des Entwurfs ist Ayatollah Ali Khamenei, das Oberhaupt der Islamischen Republik. Offiziell wurden zwar keine Einzelheiten über seine Beanstandungen veröffentlicht. Zwischen den Zeilen der staatlich gelenkten Medien war jedoch zu lesen, dass der religiöse Führer vor allem drei Punkte am Haushaltsplan der Regierung von Staatspräsident Hassan Rouhani kritisiert.
Da ist zum einen die Absicht der Regierung Rouhani, angesichts der zu erwartenden knappen Staatseinnahmen die Ausgaben für die Armee und die Revolutionsgarden um etwa 50 Prozent zu reduzieren. Das gefällt weder Khamenei und seinen Anhängern noch den Revolutionsgarden selbst. Khamenei hat persönlich die Überarbeitung des Entwurfes angeordnet – was dazu führte, dass die vorgesehenen Mittel für die Garden nun im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent erhöht, die Ausgaben für die reguläre Armee im Gegenzug um über 50 Prozent gekürzt wurden. Laut dem Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat der Iran 2017 knapp 14 Mrd. US-Dollar, 2018 13,2 Mrd. US-Dollar für Militärzwecke ausgegeben. Das gesamt Budget des Landes beträgt in diesem Jahr etwa 125 Mrd. Dollar.
Die zweite Kritik des Ayatollahs bezieht sich auf den Vorschlag des Staatspräsidenten, angesichts des Rückgangs der Erdöl-Einnahmen aufgrund der neuen US-Sanktionen nicht – wie vom Gesetz vorgesehen – 34 Prozent, sondern nur zehn Prozent der Deviseneinnahmen aus Erdölexporten in den Nationalen Entwicklungsfond des Iran einzuzahlen. Khamenei ordnete an, dass die Regierung mindestens 20 Prozent der Deviseneinnahmen an den Fond überweisen muss.
Der Nationale Entwicklungsfond war im Jahr 2000 von dem damaligen iranischen Staatspräsidenten Mohammad Khatami ins Leben gerufen worden, um Teile der Deviseneinnahmen des Landes zu sparen. Insbesondere seit der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad (2005-2013) aber wurden die Informationen über Höhe und Verbrauch der in dem Fond deponierten Devisen zeitweise geheim gehalten. Obwohl das im Gesetz zur Gründung des Fonds nicht vorgesehen ist, ist Ayatollah Khamenei die einzige Person, die bisher über dessen Verwendung entschieden hat. Mehrmals erlaubte Khamenei Ahmadinedschad die Finanzierung von Regierungsausgaben aus diesem Fond – wie oft genau und vor allem, wofür, das weiß niemand. Zudem ordnete er im vergangenen Jahr die Auszahlung von 4 Mrd. Euro aus dem Fond an. Über die Hälfte dieses Betrages wurde damals der „Verstärkung der Verteidigungskraft des Landes“ zugewiesen. 150 Millionen Euro gingen an den staatlichen Rundfunk – das Sprachrohr der Hardliner –, der Rest wurde zwischen anderen Institutionen verteilt. Da die Kosten für das militärische Engagement des Iran in Syrien nicht im Jahreshaushalt auftauchen, wird vermutet, dass sie aus dem Fond finanziert werden. Laut Staffan de Mistura, dem früheren UN-Sondergesandten im Syrienkonflikt, gibt der Iran jährlich etwa 6 Mrd. Dollar in Syrien aus.

Viele Experten gehen davon aus, dass die Revolutionsgarde an Macht gewinnen wird
Die Revolutionsgarde, eine Armee zum Schutz des islamischen Regimes 

 
Und zum dritten kritisiert der Ayatollah den Haushaltsentwurf der Regierung, weil dieser seiner Ansicht nach ungenügende Mittel für die Unterstützung der unteren Einkommensschichten vorsieht.
Mit seiner erfolgreichen Kritik – alle Punkte des Haushalts wurden seinen Wünschen entsprechend überarbeitet – verfolgt Khamenei zum einen das Ziel, der Regierung zu unterstellen, dass sie die Belange des Landes und der ärmeren Bevölkerungsschichten nicht genügend berücksichtige. Zum anderen ist sie eine Machtdemonstration, die klarstellt, dass niemandem außer ihm selbst zusteht, über den Devisenfond zu entscheiden. Kurz nach der Überflutung mehrerer Provinzen des Iran hatte Khamenei das Ersuchen des Staatspräsidenten abgelehnt, aus Mitteln des Fonds den durch die Überschwemmung  geschädigten und obdachlos gewordenen Menschen zu helfen.
Ein Haushalt ohne Bedeutung
Das Volumen des iranischen Staatshaushaltes für das im März begonnene Jahr beträgt 17.443.160 Mrd. Rial, das sind etwa 125 Mrd. US-Dollar. Offiziell und berechnet auf der Basis des staatlich festgelegten Wechselkurses zeigt der vom Parlament verabschiedete Haushalt eine über 30-prozentige Steigerung gegenüber dem letztjährigen Budget. Berechnet man jedoch den tatsächlichen Tauschwert des Rial auf dem freien Devisenmarkt, sieht das ganz anderes aus.
Der Tauschwert des im März 2018 verabschiedeten Haushalts des letzten iranischen Kalenderjahrs in Höhe von 12.225.524 Mrd. Rial entsprach etwa 257 Mrd. US-Dollar. Der Wert des diesjährigen Haushaltsvolumens entspricht also weniger als der Hälfte des letztjährigen Etats. Denn die iranische Währung hat in den vergangenen zehn Monaten etwa 70 Prozent ihres Wertes verloren. Zwar ist im Haushaltsplan eine Erhöhung der Steuereinnahmen vorgesehen. Angesichts der Rezession und einer vorausgesagten negativen Wachstumsrate von 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erscheint das allerdings kaum realisierbar.
Doch die Führung der Islamischen Republik will das nicht wahrhaben und versucht, den Wertverlust der iranischen Währung auszublenden, indem sie einen festen Wechselkurs diktiert. Dabei hat der Haushaltsentwurf eigentlich keine große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Er ist weder richtungsweisend noch hoch genug, um Einfluss auf die Krise der iranischen Wirtschaft zu haben. Das Budget reicht kaum aus, um die laufenden Staatsausgaben zu finanzieren, geschweige denn entwicklungsrelevante Projekte zu fördern.
Bedrohung durch Sanktionen
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