Feinstaub in Khuzestan: ein altbekanntes Problem eskaliert

Die iranische Ölprovinz Khuzestan erstickt. Die starke Luftverschmutzung führt zu Stromausfällen, die wiederum die Wasserversorgung lahmlegen. Schulen, Universitäten und Betriebe bleiben geschlossen. Die wütende Bevölkerung protestiert, die Regierung versucht, der Lage Herr zu werden. Die wirtschaftlichen Verluste belaufen sich auf mehrere Millionen Euro am Tag.

Feinstaub nimmt der südwestiranischen Provinz Khuzestan die Luft zum Atmen. In dicke Staubschichten, die sich auf Autos sammeln, schreiben die Menschen vor Ort lustige oder kritische Sprüche, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Doch der Feinstaub bietet nicht nur Fläche zur Kreativität. Er verursacht große und ernsthafte Probleme. Die Staubschicht wird an sensiblen Teilen des Stromversorgungssystems durch Regenwasser zu Schlamm und sorgt für Störungen im Stromnetz. Die Region verzeichnet Stromausfälle, die mehr als 20 Stunden andauern. Khuzestan liegt nördlich vom persischen Golf und hat ein sehr warmes und feuchtes Klima. Stromausfälle hätten im Sommer fatale Folgen.

Zudem legen sie auch die Wasserversorgung lahm. Das Handy-Netzwerk soll ebenso betroffen sein. Schulen, Universitäten, staatliche Einrichtungen und viele Betriebe müssen zeitweise ihre Tätigkeit einstellen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO war die Provinzhauptstadt Ahwaz im Jahr 2011 die Stadt mit der weltweit höchsten Feinstaubkonzentration in der Luft.

Täglich millionenschwere Verluste der Ölindustrie

In Ahwaz liegen große Ölfelder, unter anderem das größte des Iran. Täglich werden dort 750.000 Fass Öl gefördert, die Provinz finanziert damit praktisch das ganze Land. Doch durch einen Strom- und Wasserausfall habe die dortige Ölförderung in den vergangenen Tagen einen Verlust in Höhe von 35 Millionen Dollar erlitten, teilte der stellvertretende Produktionsleiter der National Iranian Oil Company, Mohsen Paknejad, am Sonntag mit. Demnach konnten am Samstag lediglich 768.000 Barrel Öl gefördert werden, 20 Prozent weniger als sonst.

Die berühmte Karoon-Brücke von Ahwaz, entstanden aus Kreativität und Feinstaub
Die berühmte Karoon-Brücke von Ahwaz, entstanden aus Kreativität und Feinstaub

Angespannte Lage, raue Töne

Trotz sprudelnder Deviseneinnahmen durch das Öl aus der Region ist die Provinz Khuzestan mit ihren etwa 4,5 Millionen EinwohnerInnen unterentwickelt. Zerstörungen aus dem achtjährigen Irak-Iran-Krieg sind vielerorts noch zu sehen. Die Infrastruktur ist marode und soll laut dem Parlamentsabgeordneten Dschalil Mokhtar auch eine Rolle bei der scheinbar unkontrollierbaren Luftverschmutzung spielen. Der Karun, der längste und einzige schiffbare Fluss in der Provinz, ist durch Industrieabflüsse stark verschmutzt.

Soziale Netzwerke zeigen Bilder und Videoaufnahmen, auf denen wütende BürgerInnen der Provinz vor örtlichen Behörden demonstrieren. Auf ihren Plakaten steht: „Ihr habt das Öl mitgenommen, lasst wenigstens den Strom und das Wasser hier.“ Auf einem anderen ist zu lesen: „Hier ist Khuzestan. Wir genießen das Klima zu zweit, der Lungenkrebs und ich.“ Der ehemalige Leiter des Krebs-Krankenhauses der Provinzhauptstadt Ahwaz, Kaveh Djasseb, sieht eine klare Verbindung zwischen der steigenden Zahl der Krebserkrankungen und der Luftverschmutzung. Die Zahl der Tage, an denen eine erhöhte Luftverschmutzung in der Provinz gemessen wurde, habe sich von 2001 bis 2012 verachtfacht, so Djasseb. Zwischen 1996 und 2012 habe sich die durch das Krankenhaus registrierte Zahl neuer Krebserkrankter verfünffacht.

Abbas Papizadeh, Parlamentsabgeordneter aus der Provinz Khuzestan, berichtet, dass örtliche Krankenhäuser zum Teil 20.000 Patienten am Tag aufnehmen müssten, die Haut- oder Atembeschwerden hätten. Laut Papizadeh hat die Regierung vor zwei Jahren das jährliche Budget für die Bekämpfung der Luftverschmutzung in der Provinz gekürzt.

Klimawandel und Missmanagement

Umweltexperten halten das Abholzen der Wälder, die Ausbeutung von Quellen und die vom Austrocknen bedrohten Lagunen für die Hauptursachen der hohen Luftverschmutzung in der Provinz. Im Iran wurden in den vergangenen Jahren offiziellen Angaben zufolge 80 Prozent der insgesamt 40 Lagunen durch sinkende Niederschläge, Missmanagement der Oberflächengewässer und des Grundwasserbestands sowie durch Industrie- und Bauprojekte verwüstet.

Ein Videoclip vom Januar 2017 über einen Feinstaubsturm in Ahwaz

So soll die iranische Ölindustrie drei Fünftel der Lagune Hour-al Azim westlich der Provinz Khuzestan durch Bauprojekte ausgetrocknet haben. Auch sollen die großen Straßen und Campinganlagen in dem Gebiet die natürliche Wasserzirkulation der Lagune stören. Hour-al Azim zählt zu den größten Lagunen Khuzestans. Ein Drittel der Lagune liegt im Iran, der Rest im Irak. Doch auch Feinstaubquellen jenseits der Grenzen belasten den Iran. Laut der Vizepräsidentin für Umweltschutz, Masoumeh Ebtekar, finden zwar regelmäßig Beratungen mit den irakischen Behörden und  internationalen Einrichtungen statt. Die Bekämpfung der Feinstaubursachen im Irak komme jedoch nur langsam voran.

Die Regierung Rouhani gerät so immer mehr unter Druck. Sie solle endlich effiziente Maßnahmen gegen die Umweltkatastrophe ergreifen, so ihre Kritiker. Energieminister Hamid Chitchian solle abgesetzt oder zur Rechenschaft gezogen werden, fordern Abgeordnete aus der Region. Vizepräsident Eshagh Dschahangiri weist die Vorwürfe zurück: Aktuelle Probleme seien weder von heute auf morgen zustande gekommen noch würden sie von heute auf morgen verschwinden. Um mögliche soziale Unruhen einzudämmen, hat das Regime all seine Möglichkeiten in Gang gesetzt. Weitere Stromausfälle und Probleme bei der Wasserversorgung sollen verhindert, ihre Ursachen beseitigt werden. Die Regierung will zunächst keine neuen Staudämme in der Region planen. Beschlossene Projekte sollen erneut geprüft werden.

Und auch die Sicherheitsbehörden handeln: Die Polizei hat „nicht genehmigte“ öffentliche Kundgebungen verboten und angekündigt, dass deren Organisatoren „zur Rechenschaft gezogen“ würden.

  IMAN ASLANI

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