Der Bart des Außenministers und die Atomverhandlungen
Die Atomgespräche zwischen dem Iran und der Gruppe 5+1 seien gut verlaufen, ließen beide Seiten wissen. Doch was wurde erreicht und wie sehen die Aussichten für eine friedliche Lösung des Atomkonfliktes? Ein Gastbeitrag von Mehran Barati.
Zum Auftakt der neuen Runde der Atomverhandlungen zwischen dem Iran und der Gruppe 5+1 – bestehend aus den fünf Vetomächten der Vereinten Nationen und Deutschland – überraschte der iranische Außenminister Mohammad Javad Sarif zunächst mit einem modischen Detail: Er hatte seinen professoralen Kinnbart in einen islamischen Vollbart umgestylt. Das sollte gemäß dem Wunsch des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamenei islamische Härte zum Ausdruck bringen und so den kleiner gewordenen Verhandlungsspielraum der Gesprächsparteien verdeutlichen. Khamenei hatte am Vortag erklärt, er wisse um die Nutzlosigkeit der Verhandlungen. Man solle nicht versuchen, den USA ein freundliches Gesicht zu geben, so der Revolutionsführer – das habe er sowohl dieser Regierung wie bereits ihrer Vorgängerin erklärt. Dennoch: Es kam alles anders. Westliche Diplomaten in Wien waren über den schnellen Einigungswillen der Iraner erstaunt. Hatte der Ayatollah wieder mit Bluffs gearbeitet, um von der Gegenseite größere Zugeständnisse zu erlangen?
Was bisher erreicht wurde
Verhandelt wurde vom 17. bis 19. Februar zunächst, worüber man in den kommenden Monaten reden will – und worüber nicht. Ein schriftliches Protokoll der dabei erzielten Ergebnisse gibt es nicht, weil der Verhandlungsprozess nicht gefährdet werden soll. Außenminister Zarif teilte aber schon vor der gemeinsamen Pressekonferenz mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton auf seiner Facebookseite erste Ergebnisse mit. Die Verhandlungen seien vielleicht noch positiver verlaufen als erwartet, schrieb Zarif da. Er habe gleich zu Beginn eindeutig und kritisch zu Äußerungen Stellung genommen, die in den vergangenen zwei Monaten aus den USA zu hören waren: null Urananreicherung, keine Mittelstreckenraketen, keine Investitionen im Iran vor dem Ende der US-Embargos. Die hätten zum Vertrauensverlust bei der Bevölkerung und den politisch Verantwortlichen im Iran geführt. Dennoch hätte über die Verhandlungsthemen der kommenden Monate Einigung erzielt werden können: Ashton und er wollten sich ebenso wie die Experten und Arbeitsgruppen beider Seiten in etwa vierwöchigen Abständen treffen, teilte Zarif per Facebook mit.
Themen der kommenden Verhandlungen
Nachdem die USA bei den Verhandlungen in Genf 2013 die Forderung nach einer Null-Anreicherung aufgeben und die fünfprozentige Anreicherung immerhin vorläufig akzeptiert hatten, geht es jetzt um Anzahl und technische Möglichkeiten der zur Urananreicherung erforderlichen Zentrifugen. Der Iran verfügt über etwa 20.000 Zentrifugen verschiedener Bauart, von denen nur etwa 9.000 aktiv sein sollen. Die USA und der Westen wollen der Islamischen Republik jedoch nur 4.000 Zentrifugen der Generation P-1 zugestehen. Diese Zentrifugen pakistanischer Bauart entsprechen den amerikanischen der sogenannten Manhattan-Technologie aus den 1940er Jahren. Sie leiden bei geringer Geschwindigkeit unter großer Anfälligkeit.
Streitpunkte Arak und Fordou
Der Schwerwasserreaktor in der Nähe der Stadt Arak wäre in der Lage, das für die Herstellung einer Atombombe nötige Plutonium zu produzieren. Die Iraner sind der Meinung, dass sie die dabei anfallenden Radioisotope für die Behandlung von Krebspatienten benötigen. Da sich Plutonium aber auch mit Leichtwasserreaktoren herstellen lässt, könnte eine Lösung im Umbau des Reaktors bestehen.
Die modernere Urananreicherungsanlage von Fordou in der Nähe der heiligen Stadt Ghom befindet sich tief unter einem Berg in der Erde und soll dadurch vor möglichen militärischen Angriffen geschützt sein. Solange für die USA die militärische Option auf dem Tisch liegt, wird der Iran der Schließung der Anlage nicht zustimmen. Möglich wäre jedoch die Anerkennung bestimmter Einschränkungen, beaufsichtigt durch die internationale Atomagentur.
Militärische Verbindung von Urananreicherung und Raketen
Der Iran verfügt über Mittelstreckenraketen, auch ballistische Raketen genannt, die eine Reichweite von 800 bis 5.500 Kilometer haben. Sie dienen überwiegend als Träger für Kernwaffen. Dazu gehören auch die im Iran unter den Namen „Shahab 3“ und „Sadjil“ gebauten Raketen mit Mehrfachsprengköpfen und 1.300 bis 2.100 Kilometern Reichweite. Der Iran soll über 2.000 solcher Raketen verfügen. Tatsächlich hatte der UN-Sicherheitsrat in seinem Beschluss Nr.1929 vom 9. Juni 2010 dem Land untersagt, ballistische Raketen zu entwickeln. Die Führung der Islamischen Republik sieht allerdings keinen Zusammenhang zwischen den Raketen und der Urananreicherung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Dennoch wird sie sich der Ausräumung des Verdachts, die Urananreicherung diene militärischen Zwecken, nicht entziehen können. Das Raketenproblem wird aber vermutlich das zuletzt zu lösende Problem sein. In der Praxis bleibt als Ausweg nur die Ratifizierung des Zusatzprotokolls des Atomwaffensperrvertrags.
Politische Embargos und die Revolutionsgarde
Sowohl die iranische Militärindustrie wie wesentliche Teile der Zivilindustrie befinden sich im Besitz der Revolutionsgarde. Deshalb betreffen große Teile der Embargos gegen den Iran Firmen, die dieser Armee zugerechnet werden. Die Aufhebung der Embargos verlangt einen politischen Preis, der im Iran geklärt werden müsste. Er betrifft die Aktivitäten der „Ghodsarmee“ (die Auslandsarmee der Revolutionsgarde) in Syrien und die Kooperation mit den USA im Irak und in Afghanistan. Dieses Problem wird sehr schwer zu lösen sein und könnte dazu führen, dass die Verhandlungen doch länger dauern werden als erhofft.
Mehran Barati
Dr. Mehran Barati ist einer der exponierten Oppositionellen aus dem Iran. Er ist regelmäßiger unabhängiger Analyst auf BBC Persian und VOA (Voice of America) Persian und gilt als Experte für internationale Beziehungen.