Sie verhaften "hübsche junge Frauen‟

Am zweiten Jahrestag der umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Iran (12. Juni 2011) war Teheran erneut zur Armeekaserne mutiert. Der Vali-Asr-Platz war voller Anti-Aufruhr-Kräfte, in allen Farben. Wir bewegten uns Richtung Norden. Alle Geschäfte in der Straße wurden angehalten, nicht zu öffnen. Ein Augenzeugenbericht von Mehdi KhazaliInzwischen ist das aber nur ein symbolischer Akt, die Läden an solchen Tagen zu schließen. In den letzten zwei Jahren haben sie das ganze Land lahmgelegt. Schwere Rezession belastet die Wirtschaft (Bazar), Staatsprojekte kommen nicht voran oder sind ganz eingestellt, 90 Prozent der Fabriken und Werkstätten geht es ähnlich. Was hat dieses Volk verbrochen, dass es den Preis für diese selbstherrliche Politik bezahlen muss?
Obwohl die Geschäfte also geschlossen waren, füllten Menschenmassen die Bürgersteige. Menschen, die (wie verabredet) schweigend und ruhig nach Norden wanderten. Die Straßen dagegen waren voller Motorradfahrer und auch unter die Marschierenden hatten sich zivilgekleidete Agenten und Sicherheitskräfte gemischt.
Ein Freund neben mir sprach in sein Mobiltelefon. Sein Gesprächspartner fragte ihn wohl, wo er gerade sei, als er antwortete: „Vali-Asr, Hemat-Brücke“. Daraufhin fragte der Zivilgekleidete neben ihm: „Lädst Leute ein, hierher zu kommen?!“ und nahm ihn fest.
Sie haben ihn in einen Minibus gebracht, der schon dafür bereitstand. Wir haben lange gebraucht, um zu beweisen, dass er damit keine weiteren Absichten verfolgt und nur auf eine alltägliche Frage „Wo bist du?“ geantwortet hatte. Müssen wir nun schon, wenn unsere Frau am Telefon uns fragen sollte, wo wir sind, aufpassen, dass keine Zivilgekleideten in unserer Nähe sind?
Jedenfalls haben sich einige Bassidjis für ihn eingesetzt; wahrscheinlich war auch sein Bart für seine Freilassung von Vorteil. Die Diskussion dauerte etwa zehn Minuten an, und innerhalb dieser Zeit, wo wir um die Freilassung unseres Freundes stritten, waren zwei andere Busse vollgeladen worden. Jetzt können Sie sich selbst vorstellen, wie viele Menschen in der gesamten Vali-Asr-Straße heute verhaftet wurden.
Nach meinen Beobachtungen während dieser zehn Minuten wurden viele festgenommen, am häufigsten aber wurden junge Frauen verhaftet. Lange versuchte ich die Kriterien festzustellen, wann jemand verhaftet wird; aber ich kam nicht drauf. Die Menschen gingen ruhig und schweigend, plötzlich wurde einer aus der Menge herausgegriffen und zu einem der Minibusse abgeführt.
Einziges Kriterium war die Entscheidung des Sicherheitsbeamten vor Ort – und die Tatsache, dass sie hauptsächlich die Hübschen abführten. Ich mache keine Scherze, sondern beschreibe, was ich mit eigenen Augen sah: Sie verhafteten überwiegend hübsche junge Frauen!
Vielleicht betrachteten sie sie als Kriegsbeute oder -gefangene. Oder sie wollten in ein schönes Gesicht schauen, wenn sie ihrer Pflicht nachkommen würden, ihnen die religiösen Gebote und Verbote nahezubringen. Diese Tatsache war für mich schmerzhaft mit anzusehen. Unschuldige, die nicht einmal Parolen riefen, vielleicht gingen sie nach Hause oder zu Freunden.
Ein alter Mann war am Straßenrand zusammengebrochen. Ein junger Bassidji ging hin, um ihm zu helfen, aufzustehen. Dieser jedoch, sobald er den Bassidji erblickt hatte, sagte: „Nein, nein, ich hab‘ nichts, mir geht’s gut!“. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, und der Bassidji ging beiseite, als er das sah. Ein junger Mann aus der Menge nahm den Alten am Arm und führte ihn weg.