Mit dem Holzschwert gegen die kulturelle Invasion des Westens

Seit mehr als einer Woche montiert die Teheraner Polizei wieder Satellitenschüsseln von den Dächern der iranischen Hauptstadt ab. Damit soll die „kulturelle Invasion des Westens“ verhindert werden. Doch die Polizeiaktionen werden selbst von Regierenden kritisiert – allen voran vom iranischen Präsidenten.

Die IranerInnen haben sich bereits daran gewöhnt, dass die Polizei ohne Vorankündigung auf ihren Dächern oder Balkonen auftaucht und mit Schraubenschlüsseln oder gar Sägen dort die teuren Satellitenschüssel abmontiert. Die beschlagnahmten „Instrumente der kulturellen Invasion des Westens“ landen dann entweder auf dem Schrottplatz oder tauchen auf dem illegalen Markt für Satellitenschüssel im Süden Teherans auf.
Die neue Serie des Kampfes gegen die Schüsseln begann Anfang September. Die Polizei hatte die Aktion bereits Ende August angekündigt, wann sie beginnen würde, wurde aber nicht mitgeteilt. Als am 1. September zum Teil vermummte Polizisten auf den Dächern des Teheraner Stadtteils Saadat-Abad – einem Nobelviertel im Nordwesten der Hauptstadt – auftauchten, gab es Proteste von AnwohnerInnen, die ihre Privatsphäre verletzt sahen. Am 2. September forderte die Polizei dann die TeheranerInnen auf, ihre Satellitenanlagen selbst binnen 48 Stunden abzubauen. Doch die Verantwortlichen wissen, dass sich kaum jemand um solche Aufforderungen schert. Das Ultimatum dient nur der Legitimierung späterer Attacken gegen die Geräte, die seit Jahrzehnten die staatlichen Medien aus iranischen Haushalten verdrängt haben.
Kritik des Kultusministers

Die Polizei verwendet verschieden Methoden im Kampf gegen die Schüsseln
Die Polizei verwendet verschieden Methoden im Kampf gegen die Schüsseln

Der Kampf der ultrakonservativen iranischen Justiz gegen die größtenteils aus China importierten Satellitenschüsseln ist selbst unter den Regierenden umstritten. Die reformorientierte Zeitung Etemad kritisierte am 2. September die neuen Polizeimaßnahmen gegen die Satellitenschüssel. Etemad zitierte dabei den iranischen Kulturministers Ali Janati, der vergangenen Monat zum Kampf gegen die neuen Medien gesagt hatte: „Anscheinend müssen wir gegen jede neue Erscheinung so lange Widerstand leisten, bis sie sich etabliert hat, erst dann nehmen wir sie an. Wir möchten der Welt wohl 20 Jahre hinterher laufen, statt mit ihr voranzuschreiten.“ Janati plädierte dafür, die modernen Kommunikationsmittel für die Ziele der Islamischen Republik zu nutzen statt sie zu bekämpfen: „Die Verantwortlichen müssen ihre Denkweise reformieren, sonst wird es keinen kulturellen Fortschritt geben“, so der Minister.
Zuvor hatte auch Präsident Hassan Rouhani das Verbot der Schüsseln scharf kritisiert und für die Verbreitung und Optimierung digitaler Medien appelliert. „Die Zeiten von Megaphon und Predigtstühlen sind längst vorbei. Eine E-Mail hat eine größere Reichweite und ist wirkungsvoller“, sagte er im Mai auf dem Kongress für moderne Kommunikationsmittel in Teheran.
Mittelalterliches Vorgehen
Satellitenschüsseln und Klimaanlagen auf dem Dach eines Teheraner Wohnhauses!
Satellitenschüsseln und Klimaanlagen auf dem Dach eines Teheraner Wohnhauses!

Seinen ultrakonservativen Kontrahenten warf Rouhani vor, mit mittelalterlichen Mitteln gegen moderne Waffen kämpfen zu wollen: „Aus Angst ziehen wir uns in eine Ecke zurück und versuchen, mit dem Holzschwert gegen die kulturelle Invasion zu kämpfen. Gegen diese Invasion sollte man sich aber mit moderneren Waffen ausstatten.“ Der staatliche Kampf gegen die Satellitenschüsseln sei gescheitert, so der Präsident, die Verantwortlichen sollten umdenken.
Das Verbot der Satellitenempfänger wurde bereits vor 20 Jahren vom iranischen Parlament beschlossen. Seitdem führt die Polizei in unregelmäßigen Abständen Razzien gegen die Schüsseln durch. Wer mehrfach mit einer solchen auf dem Dach erwischt wird, wird vor Gericht gestellt.
  SEPEHR LORESTANI
Übersetzt und überarbeitet von Said Shabahang