Irans Industrie: ein gefesselter Hoffnungsträger

Trotz jahrzehntelanger Sanktionen konnte die Islamische Republik Iran eine ansehnliche Industrie aufbauen*. Doch die US-Wirtschaftsembargos der vergangenen sieben Jahren brachten einen enormen Einschnitt. Besonders der Autobau und die Stahlindustrie leiden darunter. Das wird sich auch mit einem neuen US-Präsidenten nur mit politischen Zugeständnissen des Iran ändern.

Von Asad Shirmohammadi

Der Iran ist eine der erdölreichsten Nationen der Welt. Doch kann das Land von seinem Ressourcenreichtum nicht profitieren. Die große Ölindustrie wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte immer stärker zum Ziel internationaler Sanktionen, die schon 1980 als Reaktion auf die Besetzung der US-Botschaft in Teheran begannen.

Die Führung der Islamischen Republik erkannte relativ schnell, dass sie sich aus der Abhängigkeit von dem volatilen Ölsektor befreien muss, wenn sie ihren außenpolitischen Kurs der Konfrontation mit den USA behalten will. Deshalb unternahm sie in verschiedenen Zeitabschnitten unterschiedliche Versuche, die Abhängigkeit vom Ölgeschäft zu reduzieren und andere Branchen zu fördern.

So fand im Iran in den 2000er Jahren eine Industrialisierungswelle statt. Mithilfe von Jointventures mit europäischen Firmen konnte die verarbeitende Industrie gestärkt werden. So pflegte etwa der französische Autobauer PSA, der Mutterkonzern von Peugeot und Citroën, besonders gute Beziehungen zum Iran und arbeitete mit den zwei Autoherstellern Iran Khodro und SAIPA zusammen. Der iranische Staat erhielt von den Einnahmen dieser Zusammenarbeit einen Anteil von etwa 40 Prozent. Auch heute noch gehören französische Autos zum Straßenbild im Iran. 2017 erreichte die Automobilindustrie mit 1,4 Millionen produzierten Fahrzeugen ihren Höhepunkt.

Irans Stahlindustrie war mit einem Output von 24 Millionen Tonnen Stahl im Jahr 2018 der zehntgrößte Stahlproduzent weltweit. Beide Industrien zeichnen sich dadurch aus, dass sie überwiegend in Staatsbesitz sind und in der Vergangenheit relativ ineffizient arbeiteten. Während die Stahlindustrie in den vergangenen Jahren expandieren und ihren Output stetig steigern konnte, bereiten die neuesten US-Sanktionen den iranischen Autobauern große Probleme. Der Output für das Jahr 2019 soll knapp unter 800.000 Fahrzeugen gelegen haben. Grund hierfür ist die drastische Abwertung der iranischen Währung.

Andere Industriezweige

Irans Wirtschaft ist diversifizierter als die anderer ressourcenreicher Staaten der Region. Neben den beiden bereits genannten Sektoren wurden auch die Bau- und die Textilindustrie sowie der Bergbau und weitere Nicht-Ölsektoren ausgebaut. Insbesondere in der Fertigungsbranche sind auch viele kleine und mittelständische Unternehmen tätig. Irans Industrie profitiert vor allem von dem großen Binnenmarkt. Daneben spielt sie eine bedeutende Rolle als Arbeitgeber. Es wird geschätzt, dass 24 Millionen Iraner*innen in der Industrie tätig sind, davon ca. 16 Millionen im produzierenden Bereich.

Der Export iranische Schuhe in die Nachbarländer hat in den letzten Jahren stark abgenommen
Der Export iranische Schuhe in die Nachbarländer hat in den letzten Jahren stark abgenommen

 

Um die heimische Produktion zu stärken, wurde eine protektionistische Handelspolitik eingeführt. Importbeschränkungen und Zölle auf ausländische Waren sollen den heimischen Markt für Produzenten attraktiver machen. Zeitgleich fördert man den Export von Nicht-Ölprodukten mit Steueranreizen und Subventionen.

Die Sanktionen wirken sich zwiespältig auf die Industrie aus. Auf der einen Seite leiden Industrien, die zur Weiterverarbeitung auf ausländische Importe angewiesen sind, unter den Handelsbeschränkungen und der Verteuerung der Importe durch die Inflation. So benötigt der Iran beispielsweise teure ausländische Maschinen. Auf der anderen Seite wurde das Land durch die Abwertung der heimischen Währung zum günstigen Anbieter und Produzenten in der Region. Iranisches Handwerk ist gefragt und konnte teilweise von der Abwertung der Währung profitieren. Das Label „Made in Iran“ konnte sich als Markenzeichen für günstige Produkte mit verhältnismäßig guter Qualität etablieren. In den letzten 11 Monaten des Jahres 2020 soll der Iran Handwerksprodukte wie Töpfe und Koffer im Wert von über 400 Millionen Dollar exportiert haben. Hauptabnehmer sind Irans Nachbarländer.

„Maximum pressure“

Die Resilienz der iranischen Wirtschaft zeigt sich in den neuesten Wirtschaftsdaten des Landes. Seit 2018 befindet sich die iranische Wirtschaft in einer Rezession. 2019 ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7 Prozent zurück. Die Hauptursache für den drastischen Rückgang sind die neu aufgelegten Sanktionen der Trump-Administration, die auf den Austritt der USA aus dem Atomvertrag im Mai 2018 folgten. Aktuell ist China der einzige große Abnehmer von iranischem Öl. Laut Mohammad Bagher Nobakhat, dem Leiter der staatlichen Organisation für Planung und Budgetierung, sollen die Erlöse aus dem Erdölexport im Jahr 2020 bei 8,9 Milliarden US-Dollar gelegen haben; vor zehn Jahren betrugen sie noch über 110 Milliarden Dollar. Andere Wirtschaftszweige des Landes zeigten sich resistenter: Die Leistung der Industrie fiel nur um 1,8 Prozent. Dadurch wird eine geringe Abhängigkeit vom Ölsektor deutlich.

US-Präsident Donald Trump verfolgte im Umgang mit dem Iran eine neue Strategie. Unter dem Motto „Maximum pressure“ wurden von ihm per Dekret neue Sanktionen mit dem Ziel erlassen, den Iran wirtschaftlich zu isolieren. Ins Visier geriet dabei die iranische Automobil- und Stahlindustrie. Zuletzt gab es im Januar 2020 die Ankündigung, auch andere Bereiche der Industrie zu sanktionieren. Die Trump-Administration hatte die Diversität der iranischen Wirtschaft erkannt und angekündigt, auch den Textil-, Manufaktur-, Bau- und Bergbausektor unter Sanktionen zu stellen. Zudem ist der Iran stark von der Coronapandemie betroffen; er gehört zu den Ländern mit den weltweit höchsten Infektionsraten. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie senken die Konsumbereitschaft der IranerInnen und schaden so der Industrie des Landes.

Ausrichtung nach Osten
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