Formt, steuert und verbrennt Teheran Lobbyisten?

Das deutsche Mitglied der „Initiative“, Adnan Tabatabai, prägt mit seiner Firma Carpo in der Tat seit Jahren die deutsch-iranische Beziehung nicht nur mit, sondern berät laut der Carpo-Website europäische Politik und Wirtschaft zu Iran-Angelegenheiten. Adnan Tabatabai hat also Zugang zu den Machtzentren in Teheran ebenso wie in Berlin.

In seinem Buch „Morgen in Iran – Die Islamische Republik im Aufbruch“, erschienen 2016, schreibt er über seine regelmäßigen Reisen zwischen Deutschland und Iran und darüber, dass er seit jeher versuche, die unterschiedlichen Welten „in Einklang“ zu bringen. Bei Themen wie Hijab, Meinungsfreiheit oder Hinrichtungszahlen fordert er den Perspektivwechsel: „In westlichen Ländern wie Deutschland werden Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, politische Mitspracherechte und faire Wahlen als prioritär angesehen. In Iran und der Region des Mittleren Ostens hingegen zählen viel grundsätzlichere Dinge, um die sich westliche Gesellschaften nicht mehr zu sorgen brauchen.“

Diejenigen, die ihm vorwerfen, er betreibe eine Imagepolitur der Teheraner Despotie, bezichtigt er in einem Interview mit der Welt der „Sippenhaft“. Denn sein Vater Sadegh Tabatabai war iranischer Sonderbotschafter in Deutschland. Aufgrund seiner familiären Beziehung zum Revolutionsführer Ayatollah Chomeini – Sadegh Tabatabais Schwester war mit Chomeinis Sohn Ahmad verheiratet – hatte der in Deutschland studierte Pharmakologe Zugang zum Kern der Macht. Manche Beobachter sind der Meinung, Adnan pflege eine Familientradition.

Daran, dass die „Iran Experts Initiative“ ein Kind aus Teheran sei, bestehe kein Zweifel, sagt ein anerkannter Wissenschaftler und Buchautor dem Iran Journal. Er beharrt auf seiner Anonymität. Als er noch antiimperialistisch angehaucht gewesen sei, habe er als Berater mit dem „Expertenteam“ gewisse Verbindungen gepflegt und sei bei verschiedenen Treffen in unterschiedlichen Hauptstädten dabei gewesen. Die Genese der „Initiative“, bei der Teheraner Diplomaten als „Geburtshelfer“ eine herausragende Rolle spielten, könne er bestätigen. In den USA arbeiteten diese „Experten“ sehr eng mit Robert Malley, dem Iran-Sondergesandten der US-Administration, zusammen.

Tehran Times brachte den Stein der sog. Experten-Affäre ins Rollen
Tehran Times brachte den Stein der sog. Experten-Affäre ins Rollen

Warum jetzt?

Und nun zum zweiten Teil der Story: Warum erfahren wir gerade jetzt von diesen „Mullah-Agenten“, den „Ghostwritern“, den zwielichtigen Beratern, oder wie man sie auch nennen mag? Sie seien verbrannt, taugen nicht mehr, der Westen solle sich nach anderen „Beratern“ umschauen, lautet die Botschaft aus Teheran. Am 12. September spricht Ali Khamenei zum ersten Mal von der „International Crisis Group“. „Der Feind“ habe diese Gruppe für den Kampf gegen die Islamische Republik gegründet, so sagte da der mächtigste Mann Irans.

Das bekannteste Gesicht dieser Gruppe im Iran ist der redegewandte Ali Vaez, ein gefragter Interviewpartner im Ausland ansässiger persischsprachiger TV-Sender, wenn es um das Atomabkommen geht. Zwei Tage nach Khameneis Äußerung nahm sich die Teheraner Tageszeitung Keyhan Ali Vaez vor und schrieb, die Zeiten der Reformer, der Gemäßigten und der sonstigen „Weltversteher“ sei im Iran längst vorbei. In der Tat ist die Macht fast vereinheitlicht, ist in den Händen der Hardliner. Und wenn keine unterschiedlichen Machtfraktionen mehr existieren, braucht man keinen Navigator, der irgend jemanden durch dunkle Kanäle des Teheraner Machtapparats führen muss.

Wieder die Garden am Werk?

Kümmert Euch um neue Berater! Das scheint das unmissverständliche Signal aus Teheran zu sein. Am 21. Juli erschien in der Teheran Times eine lange Enthüllungsstory unter dem Titel “Exclusive: The secret talks that doomed Rob Malley”. Malley habe Schwierigkeiten, geheime Dokumente aufzubewahren, schreibt da die Teheran Times. Und die Webseite Fars kommentiert in persischer Sprache, Malleys Problem sei seine Nähe zu den iranischen “Reformern“.

Fars ist die persische und Teheran Times die englischsprachige Postille der Revolutionsgarden. Robert Malley gilt als Mentor der „Iran-Experten“ in den USA. Zwei Tage später schrieb der Chefkommentator der Tageszeitung Keyhan einen bissigen Beitrag über Ali Vaez. Dieser ist im Iran das bekannteste Gesicht des „Expertenteams“, das sich um Malley gesammelt hatten. Keyhan ist das Sprachrohr von Staatsoberhaupt Khamenei. Damit waren nicht nur Malleys Tage im Amt gezählt. Auch die Zeit dieser Doppelstaatler als Vermittler war abgelaufen.

Nur einen Monat später wurde Malley als Sondergesandter für den Iran in unbezahlten Urlaub versetzt, seine Sicherheitsfreigabe wurde aufgrund einer Untersuchung wegen möglichen Missbrauchs von Verschlusssachen ausgesetzt.

Hacker oder Bote?

Und wie fanden diese Emails über die „Iran Experts Initiative“ den Weg zum TV-Sender Iran International beziehungsweise dem amerikanischen Portal Semafor? Waren Hacker im Spiel oder brachte jemand die Mails in der Redaktion vorbei? Bozorgmehr Sharafoldin, Autor dieser Enthüllungsgeschichte, schweigt dazu. Sharafoldin studierte englische Literatur, arbeitete für BBC als Dokumentarist und berichtete später für Nachrichtenagentur Reuters aus dem Nahen Osten. Er ist Übersetzer des japanischen Romanciers Haruki Murakami. Von Fakenews ist er meilenweit entfernt, auch wenn das „Expertenteam“ nun von Lügen und Machenschaften sprechen muss.

In den Medien der Islamischen Republik herrscht dagegen ein bedeutungsvoll lautes, ja geradezu zufriedenes Schweigen. Als ob man am Ziel sei. Der Autor dieses Textes könnte die Schlagzeile wählen: In eigener Sache: Traue keinem Experten. Besonders dem nicht, der bei Diktatoren ein- und ausgeht, sich als Tyranneikenner ausgibt und Dir zugleich sagt, wie Du mit einer Despotie umzugehen hast. Vor allem dann nicht, wenn der Alleinherrscher vom eigenartigen schiitischen Messianismus beseelt ist.♦

Quellen: iranintl , Semafor 1 , Semafor 2  , Die WeltGooya 1 , FarsGooya 2 Mena Watch

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