Rätselraten um den Rücktritt des Kulturministers

Kulturminister Ali Jannati ist zurückgetreten und politische BeobachterInnen fragen nach dem Warum. Das kulturelle Leben läuft dennoch weiter: Auf der Frankfurter Buchmesse wurde eine intensivere Zusammenarbeit zwischen iranischen und deutschen Verlagen beschlossen. Eine Kooperation gibt es bald auch zwischen dem ZDF und iranischen DokumentarfilmproduzentInnen. Ein Kulturspiegel.

Nach dem Rücktritt des iranischen Kulturministers Ali Jannati vergangene Woche herrscht weiterhin Unklarheit über die Gründe seiner Amtsniederlegung. In einer offiziellen Stellungnahme erklärte Jannati, der Regierung bei der Umsetzung ihrer kulturpolitischen Ziele nicht im Weg stehen zu wollen. In der „gegenwärtigen geladenen Atmosphäre“ sehe er sich nicht mehr in der Lage, seinen Job weiter auszuüben, so der ehemalige Kulturminister. Dass sein Rücktritt die Atmosphäre auflockern werde, bezweifelt er jedoch auch: „Die Propaganda wird in den kommenden Monaten intensiviert werden“, schreibt Jannati weiter.
Aufgeheizt war die Stimmung zuletzt wegen eines Streits zwischen konservativen Hardlinern und der moderaten Regierung über Musikveranstaltungen. Fromme Ayatollahs in der Provinz Khorasan und der Pilgerstadt Ghom hatten sich für ein grundsätzliches Verbot von Konzerten ausgesprochen. Solche widersprächen der „islamischen Kultur der Bevölkerung“, so die konservativen Geistlichen. Aus diesem Grund musste Anfang Oktober Abbas Daneshi, Leiter des Büros des Kulturministeriums in der Stadt Ghom und selbst ein Geistlicher, zurücktreten. Ihm war vorgeworfen worden, „unmoralische Konzerte“ genehmigt zu haben.
Auch Ali Jannati selbst war in dem Konflikt unter Druck geraten. Während die politische Rechte seinem Ressort vorwarf, Konzerte in den sogenannten „heiligen Städten“ genehmigt zu haben, warfen ihm moderate und Reformer vor, dem Druck der Konservativen nachgegeben zu haben, da er öffentlich erklärt hatte, man möge von der Durchführung der Konzerte absehen. Als oberster Kritiker trat dabei Jannatis Chef selbst in Erscheinung: „Kein Minister sollte solch einem Druck nachgeben. Gesetze werden im Parlament gemacht und nirgendwo sonst“, hatte der Staatspräsident gesagt.

Politische Analysten im Iran vermuten, dass er den Kulturminister zum Rücktritt bewegt haben könnte, da viele Verbesserungen für die iranische Film-, Musik- und Literaturszene, die Rouhani im Präsidentschaftswahlkampf 2013 angekündigt hatte, mit Jannati als Kultur-Chef nicht umgesetzt werden konnten. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr könnte die Ernennung eines neuen Kulturministers ein Signal an die liberale Wählerschaft sein, glauben politische Beobachter. Dass Jannati wegen der Kritik der Hardliner um Revolutionsführer Ali Khamenei zurückgetreten sein könnte, glauben dagegen nur wenige Analysten.

Nachfolger soll der bisherige Leiter der Organisation für die Nationalbibliothek und das Nationalarchiv der Islamischen Republik Iran, Reza Salehi Amiri, ein alter Vertrauter Rouhanis, werden. Salehi Amiri hatte im vergangenen Wahlkampf die Kulturkampagne des späteren Staatschefs geleitet. Der Minister in spe muss allerdings zunächst vom iranischen Parlament gewählt werden.

Iran auf der Frankfurter Buchmesse 2016

Staatliche iranische Verlage waren dieses Jahr nicht präsent
Staatliche iranische Verlage waren dieses Jahr nicht präsent

Nachdem der Iran im vergangenen Jahr seine Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse abgesagt hatte, war er in diesem Jahr wieder mit zwei Ständen vertreten. Die einzigen iranischen Aussteller waren die privat geführten Verlage Cheshmeh, Sales, Negah, Parse und Hermes. Darüber hinaus nahmen elf iranische VerlegerInnen als Gäste an der fünftägigen Buchmesse, die vergangenen Sonntag zu Ende ging, teil.

Staatliche iranische Verlage waren dieses Jahr nicht präsent, hatte deren Teilnahme in der Vergangenheit zu Tumulten zwischen den im Ausland lebenden RegimegegnerInnen und staatlichen Verlegern geführt. Mit Amtsantritt des gemäßigten Geistlichen Hassan Rouhani war der Beschluss gefasst worden, nur Stände mit PrivatverlegerInnen nach Frankfurt zu schicken. Diese erhalten von der Regierung weder bei der Reisefinanzierung noch bei der Reiseplanung oder Ausstellungsvorbereitung Unterstützung.
Ein Highlight aus iranischer Sicht war das Meeting mit dem Direktor der Frankfurter Buchmesse, Jürgen Boos. Boos hatte 2015 Salman Rushdie für die Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse eingeladen, um auf die zunehmenden Angriffe auf die Freiheit des Wortes aufmerksam zu machen. Dies wurde von der iranischen Regierung heftig kritisiert. Der Iran boykottierte wegen Rushdies Auftritt die Buchmesse und ließ den iranischen Nationalstand leerstehen. Laut Amir-Masoud Shahramnia, dem iranischen Messebeauftragten, wurde bei dem jetzigen Treffen eine intensivierte Kooperation zwischen iranischen und deutschen Verlagen vereinbart. Der Iran gilt in der weltweiten Verlagsszene als Paria, da in dem Land die internationalen Copyright-Bestimmungen nicht gelten. Ausdrücklich begrüßt wurde von Jürgen Boos das Vorhaben des Iran, das Welturheberrechtsabkommen zu unterzeichnen.
ZDF im Iran

Fünf Dokumentarfilme sollen als Filmprojekte der AIDP und des ZDF in Produktion gehen
Fünf Dokumentarfilme sollen als Filmprojekte der AIDP und des ZDF in Produktion gehen

In Teheran ist für den 11. bis. 13 November ein Kooperationsworkshop der Vereinigung Iranischer DokumentarfilmproduzentInnen (AIDP) mit dem ZDF geplant. Repräsentiert wird das Zweite Deutsche Fernsehen durch den Journalisten Frédéric Ulferts und Arte-Geschäftsführer Wolfgang Bergmann, teilte der AIDP-Leiter Saeid Rashtian der iranischen Nachrichtenagentur Mehr News Agency mit.

Iranische DokumentarfilmerInnen wurden von der AIDP aufgerufen, bis zum Beginn des Workshops ihre Doku-Konzepte einzuschicken. Zwölf dieser Filmkonzepte sollen im Rahmen der dreitägigen Veranstaltung im November von den iranischen und deutschen Experten diskutiert werden. Fünf Dokumentarfilme sollen dann als Filmprojekte der AIDP und des ZDF in Produktion gehen. Die Idee für eine solche Zusammenarbeit war im April dieses Jahres bei einem Treffen von ZDF-Geschäftsführer Thomas Bellut und Mohammad Sarafraz, dem ehemaligen Geschäftsführer der staatlichen Rundgesellschaft IRIB, entwickelt worden.
  JASHAR ERFANIAN

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