Ahmadinedschads Absetzung schadet der Grünen Bewegung
Die Auseinandersetzung zwischen dem Revolutionsführer und Ahmadinedschad geht weiter. Im Parlament wird das Gemurmel über die Absetzung des Regierungschefs immer lauter: Eine Drohung, die bislang vage geblieben ist. Von Mehdi Mohseni
Die Äußerungen von Morteza Aghatehrani, wonach sich der Revolutionsführer mit einem Rücktritt Mahmud Ahmadinedschads im Falle dessen weiterer Weigerung, mit Heydar Moslehi (Geheimdienstminister) zusammen zu arbeiten, sind ein klares Zeichen des eskalierenden Konflikts.
Was würde aber eine Absetzung Ahmadinedschads für die Demokratie- und die Grüne Bewegung bedeuten? Die Wahrheit ist, dass die Protestbewegung derzeit inaktiv ist und deshalb keine wichtige Rolle bei der Veränderung der Situation spielen kann.
Die Affäre um Ahmadinedschad und seine Anhänger hat jedoch eine andere Gewichtung. Diese sind in einer besonderen Situation und können sich der Macht des Revolutionsführers widersetzen. Und nun haben der Regierungschef und seine Gefährten deutlich gemacht, dass sie vor einer direkten Auseinandersetzung mit Ayatollah Khamenei nicht zurückschrecken.
Eine nüchterne Betrachtung zeigt, dass der Führer Irans seine Kompetenzen überschritten hat.Dieser Widerstand hat es vermocht, viele Urteile des iranischen Führers in Zweifel zu ziehen. Eine nüchterne Betrachtung des aktuellen Falls zeigt, dass der Führer Irans seine Kompetenzen überschritten hat. (Über die Auswahl oder Absetzung der Kabinettsmitglieder entscheidet per Verfassung der Regierungschef, Anm. d. Red.) Zwar sind solche Überschreitungen nichts Besonderes, aber Mahmud Ahmadinedschad ist der erste Amtsträger des Systems, der durch seinen Widerstand den „Gesetzesbruch“ dem Führer in Rechnung gestellt hat.
Bei der Revision einiger früherer Urteile und Äußerungen des Führers wird schnell klar, welche groben Fehler er begangen hat.
Ayatollah Khamenei hat bei der ersten Freitagspredigt nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 einige Äußerungen [Mussawis] bei den Fernsehduellen heftig kritisiert: „Er hat mit der Verbreitung gefälschter Zeugnisse den rechtmäßigen Präsidenten des Landes auf eklatante und beschämende Weise beleidigt und ihn verleumdet, ein Lügner, Abergläubiger und Wahrsager zu sein.“
Nun, zwei Jahre später, beschuldigt der dem Führer am nächsten stehende Kreis Ahmadinedschad und seine Getreuen der „Wahrsagerei, Hexerei und Beschwörung von Dschinns“, und behauptet, die Getreuen des Präsidenten seien „Okkultisten“.
Konservative Abgeordnete des Parlaments, die bei den letzten Wahlen zu den stärksten Unterstützern Ahmadinedschads im Wahlkampf gehörten, bezichtigen heute die Regierung der Lüge bei den Wirtschaftsstatistiken, des Gesetzesbruchs und der Planlosigkeit.
Die Existenz und weitere Präsenz Ahmadinedschads wird für die Protestbewegung vorteilhaft sein. Mussawi hatte im Wahlkampf offen die Regierung Ahmadinedschad der Lüge und des Okkultismus beschuldigt; nun wiederholen dem Führer Nahestehende die gleichen Worte.
Die Dauerhaftigkeit dieses Konflikts wird nicht nur die Legitimation des Revolutionsführers untergraben, sondern auch die Unvollkommenheit seiner Analysen vorführen.
Es ist nachvollziehbar, dass der Führer trotz besseren Wissens Ahmadinedschad unterstützt hat, nur um zu verhindern, dass eine ihm nicht wohlgesonnene Regierung an die Macht kommt.
Nichtsdestotrotz muss man zugeben, dass die Existenz und weitere Präsenz Ahmadinedschads – auch wenn er in den kommenden Tagen seinen Gehorsam wiederfinden sollte – für die Protestbewegung effektiv vorteilhafter sein wird.
Denn in Folge werden die Kräfte des iranischen Führers mit der Zeit schwinden und seine uneingeschränkte Macht ernsthaft beschädigt sein.
Von der TFI Redaktion Nachgefragt:
Sicherlich wäre die Absetzung Ahmadinedschads nicht zum Vorteil der Grünen Bewegung, aber warum würde sie ihr schaden?
Mehdi Mohseni beantwortet die Frage wie folgt:
Meines Erachtens braucht die Grüne Bewegung derzeit eine Erneuerung. Die aktuellen Konflikte innerhalb des Systems geben der Bewegung diese Chance. Die Absetzung Ahmadinedschads würde aber diese Chance im Keim ersticken, und in einer komplett geschlossenen Atmosphäre würde die Bewegung noch weiter unter den Druck der Herrschenden geraten.
Auf der anderen Seite kann die Existenz Ahmadinedschads und seiner Anhänger den inneren Kreis der Macht so ängstigen, dass er sich von einem Ausgleich mit Teilen der Protestbewegung überzeugen lassen könnte. Auch wenn diese Möglichkeit geringe Chancen hat, darf sie nicht außer Acht gelassen werden.
Die Grüne Bewegung muss von der herrschenden Elite anerkannt werden, und die Auseinandersetzung zwischen Ahmadinedschad und Khamenei kann der Anerkennung dieser Bewegung als einem dritten Pfeiler des Machtkampfs behilflich sein.
Beachtenswert bleibt, dass die Hardliner in den vergangenen Tagen versuchten, die Grüne Bewegung und die Reformer als eine Einheit mit Mashai und Gefährten Ahmadinedschads darzustellen. Das ist der Beginn eines erneuten Ausschlusses und der Unterdrückung dieser zwei Gruppierungen, die keinerlei Beziehung und Nähe zueinander haben.