Trotz staatlicher Repressionen: Iranische Untergrund-Musikszene wächst

Immer mehr Jugendliche im Iran interessieren sich für die Untergrund-Musikszene. Politik und Behörden suchen verzweifelt nach Wegen, um das zu vermeiden. Während einige für mehr Polizeikontrollen und schärfere Gesetze plädieren, empfehlen andere die Legalisierung der Bands.
Ausgerechnet die konservativ-religiöse Stadt Mashhad, in der sich der Totenschrein des achten Imam der Schiiten, Imam Reza, befindet, soll nach Teheran die Stadt mit den zweitmeisten Untergrundbands im Iran sein. Seit über zwei Jahrzehnten bekämpft der iranische Staat die Untergrundmusikszene. Denn bestimmte Musikrichtungen, vor allem westliche wie Heavy Metal, Rock oder Hip Hop, sind in der islamischen Republik verboten. Die Bands erhalten nicht die nötige offizielle Genehmigung des Kultusministeriums. Trotzdem sind sie heute populärer denn je. Zwar gibt es keine offiziellen Statistiken, aber iranischen Nachrichtenagenturen zufolge hat die Zahl der Untergrundbands nicht nur in der Hauptstadt Teheran, sondern auch in anderen Städten zugenommen. Während einige Politiker und staatliche Verantwortliche nach wie vor an Überwachungsmethoden und Bestrafung der Bands als „illegal“ festhalten, suchen andere nach neuen Bekämpfungswegen.
http://youtu.be/W8DY2tDWRpg
Auch in der Provinz Ilam, die zu den politisch konservativen Provinzen des Landes gehört, ist eine deutliche Zunahme der Untergrundbands zu verzeichnen. Mohammad Ali Ghasemi, Leiter des islamischen Künstlerverbands von Ilam, sagte der Nachrichtenagentur ISNA, von 67 Musikgruppen aus seiner Region hätten lediglich fünf die offizielle Genehmigung des Kultusministeriums erhalten. Der Rest arbeite im Untergrund. Die Gründe dafür sieht Ghasemi bei den Verantwortlichen, die den musikalischen Bereich vernachlässigten und die Gruppen nicht genug förderten: „Bis heute wurden sowohl offiziell wie auch inoffiziell mehrere Musikbands innerhalb der Provinz aufgedeckt, die die islamischen Vorschiften nicht einhielten“, so Ghasemi. Um das zu ändern, müssten Politiker, Sicherheitsbeamte, Polizei und Staatsanwalt der Provinz Ilam zusammenarbeiten, so Ghasemi: „Zudem müsste in Kooperation aller kulturellen Einrichtungen ein Institut gegründet werden, das Musikgruppen fördert, Musikinteressenten Beratung anbietet und fröhliche musikalische Programme für die Bevölkerung veranstaltet.“
Mehr Polizeikontrollen und strengere Bestrafung

O-Hum ist eine der ersten Rock-Bands, die im Untergrund begannen und großen Erfolg hatten - Foto: vista.ir.
O-Hum ist eine der ersten Rock-Bands, die im Untergrund begannen und großen Erfolg hatten - Foto: vista.ir.

Immer wieder wird den Untergrundbands vom Staat mit Verhaftung und Bestrafung gedroht. Der iranische Polizeikommandant Ahmad Rouzbahani etwa sagte kürzlich laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA: “Jede Musikgruppe, die für ihre Arbeit keine offizielle Genehmigung des Kultusministeriums hat, wird von der Polizei als illegal betrachtet und nach gesetzlichen Vorschriften bestraft.“ Er warnte die Musiker auch vor heimlichen Konzerten: „Wir werden künftig stärker als bisher gegen Musikgruppen vorgehen, die an versteckten Orten auftreten.“
Die konservative iranische Webseite „Asre Emrooz“ bezeichnete in der vergangenen Woche die Untergrundbands als „große Schädlinge“ für die iranische Musik. In dem Bericht wird der iranische Musiker Babak Sahraei mit den Worten zitiert: „Unsere Gesellschaft wird von oberflächlichen und unmoralischen Songs überflutet, die immer mehr junge Menschen begeistern und die Hauptentwicklung unserer Musik beschädigen.“
Musikaktivitäten im Ausland
Befürworter der iranischen Untergrund-Musikszene bewerten das Vorgehen des Staates, diese Musik zu unterbinden, als gescheitert. Zwar seien die Gruppen durch die starke Kontrolle eingeschränkt, doch sei es einigen Künstlern gelungen, ins Ausland zu flüchten und ihre Musik dort weiter zu veröffentlichen.
Der Rapper Shahin Najafi ist ein Beispiel dafür. Bevor er den Iran verliess, leitete er dort eine Untergrundgruppe. Als ihm das Kultusministerium alle Genehmigungen verweigerte, flüchtete er 2005 nach Deutschland und schloss sich dort der Band „Tapesh“ an.
Sein Fall zeigt, dass iranische Musiker auch weit entfernt von der Heimat im Visier iranischer Behörden stehen. Denn wegen Najafis neuesten Songs bezichtigte der iranische Ayatollah Safi Golpayegani den Rapper der Apostasie – des Abfalls vom Glauben – und rief eine Todesfatwa gegen ihn aus. Die konservative Webseite Schia-Online folgte dem Aufruf und bot sogar eine Belohnung in Höhe von 100.000 Dollar für die Tötung des Musikers. In seinem Lied besingt Najafi den 10. Imam der Schiiten. Der Musiker betonte in vielen Interviews, dass er nichts gegen die Religion habe.
FP