„Tag der JournalistInnen“ im Gefängnis

Im Iran wird seit 16 Jahren der nationale „Tag der JournalistInnen“ gefeiert – in einem Land, in dem die Rechte JournalistInnen mit Füßen getreten werden und ihre Berufsgenossenschaft verboten wurde. Eine Bestandsaufnahme. 

Seit 1999 wird im Iran der 8. August als nationaler „Tag der JournalistInnen“ staatlich gefeiert. Er wurde dem Journalisten Mahmoud Saremi gewidmet. Der Büroleiter der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA kam bei einem Anschlag der radikalislamischen Taliban auf das iranische Konsulat in der afghanischen Stadt Masar-e Sharif ums Leben.

Auch in diesem Jahr gratulierten iranische Staatsmänner den JournalistInnen. Der Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, betonte, dass „die freie Veröffentlichung von Gedanken und Meinungen“ eins der „wertvollsten Rechte jedes Menschen“ sei. „Jeder Bürger kann frei reden, schreiben und veröffentlichen“, so der Minister. Auch Staatspräsident Hassan Rouhani gratulierte den JournalistInnen und forderte die Besserung ihres Lebensstandards und die Garantie ihrer gesetzlichen Freiheiten und beruflichen Rechte.

Iran – ein Gefängnis für JournalistInnen

Die sind im Iran allerdings keine Selbstverständlichkeit. Das Land steht auf der Liste der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (RoG) für die Pressefreiheit im Jahr 2014 auf Platz 173. Nur sieben Länder schneiden schlechter ab als die islamische Republik. Die Liste berücksichtigt die Pressefreiheit, den Zustand der unabhängigen Medien sowie die Arbeitsbedingungen der JournalistInnen. RoG zufolge wird im Iran die Berichterstattung über Themen wie Atomenergie, Menschenrechte und politische Gefangene systematisch kontrolliert und zensiert. Dass der Iran bereits 2013 auf dem gleichen Platz landete, zeigt, dass sich trotz anders lautender Wahlversprechen Rouhanis die Lage auch in seiner Amtszeit nicht verbessert hat. Die Nichtregierungsorganisation RoG, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzt, sieht den Iran seit Jahren als „großes Gefängnis für JournalistInnen“. Auch im Ausland beschäftigte iranische JournalistInnen und ihre Familien würden unter Druck gesetzt.

Die internationale Nichtregierungsorganisation „Freedom House“, die weltweit liberale Demokratien fördert, führte den Iran in ihrem Report für die Pressefreiheit im Jahr 2014 unter der Überschrift „Die Schlimmsten der Schlimmsten“ auf. Auch die Internationale Journalisten-Föderation kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

„Beschützer der nationalen Werte“ oder „Bedrohung für die nationale Sicherheit“

Jason Rezaian, seit Juni 2014 inhaftiert
Jason Rezaian, seit Juni 2014 inhaftiert

Präsident Rouhani lobte in seiner Botschaft zum diesjährigen Gedenktag JournalistInnen als diejenigen, die die nationale Identität und die gesellschaftlichen Rechte beobachteten und beschützten. Zeitgleich sitzen laut „Reporter ohne Grenzen“ im Iran derzeit 15 JournalistInnen und 26 OnlineaktivistInnen und BürgerjournalistInnen in Haft. Den Inhaftierten wird in der Regel „Gefährdung der nationalen Sicherheit, Propaganda gegen das Regime und Unruhestiftung“ vorgeworfen.

Repression und Haft drohen nicht nur inländischen JournalistInnen. Der amerikanisch-iranische Reporter Jason Rezaian von der US-Zeitung „Washington Post“ ist seit Juni 2014 inhaftiert. Er wurde mit seiner iranischen Ehefrau, ebenfalls Journalistin, verhaftet. Sie kam gegen Kaution frei.

Ausländischen JournalistInnen wird meist Spionage vorgeworfen. Roxana Saberi, US-amerikanische Journalistin mit iranischen Wurzeln, wurde Anfang 2009 ebenfalls wegen „Spionage“ festgenommen und zu acht Jahren Haft verurteilt. Ihre Strafe wurde ihr jedoch erlassen, sie kam kurz danach frei. Maziar Bahari, iranisch-kanadischer Journalist und Dokumentarfilmer, wurde im Zuge der Massenverhaftungen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 festgenommen und zum öffentlichen „Geständnis“ im Fernsehen gezwungen. Bahari dementierte alle dabei gemachten Aussagen, nachdem er später das Land verlassen durfte.

Im Februar 2011 wurden auch zwei deutsche Journalisten nach 132 Tagen aus der Haft entlassen. Den „Bild am Sonntag“-Reportern Marcus Hellwig und Jens Koch wurde erst journalistische Tätigkeit ohne Genehmigung und dann „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ vorgeworfen. Ihre Haftstrafe wurde in eine Geldstrafe umgewandelt. Beide Journalisten verließen mit dem damaligen deutschen Außenminister Guido Westerwelle das Land.

„Reporter ohne Grenzen“ forderte am 14. Juli die internationale Gemeinschaft dazu auf, „von der iranischen Regierung klar und unmissverständlich die Freilassung aller inhaftierten JournalistInnen zu verlangen und die Achtung von Meinungs- und Pressefreiheit einzufordern“.

Soziale und finanzielle Engpässe

Als Journalist hat man im Iran aber nicht nur politische Sorgen. Journalismus ist kein sicherer Job. Immer wieder werden Arbeitsplätze gestrichen, da Zeitungen oder Nachrichtenportalen die Arbeitsgenehmigung entzogen wird. Über Renten- oder Arbeitslosenversicherung verfügen die meisten JournalistInnen nicht. Minister Dschannati bestätigte in seiner Rede anlässlich des diesjährigen Tags der JournalistInnen, dass deren Einkommen ihren Lebensunterhalt meist nicht decken kann. Journalistinnen haben im Iran weitere Hindernisse zu überwinden. Sie müssen in der männlich dominierten islamischen Gesellschaft einen bestimmten Dresscode – etwa den Schleier – einhalten.

Auf der "Landkarte der Pressefreiheit" von Reporter ohne Grenzen trägt der Iran schwarz!
Auf der „Landkarte der Pressefreiheit“ von Reporter ohne Grenzen trägt der Iran schwarz!

Die Generalanwaltschaft der iranischen Hauptstadt Teheran erklärte 2009 während der Straßenproteste gegen die Ergebnisse der damaligen Präsidentschaftswahlen die „Berufsgenossenschaft der iranischen Journalisten“ für illegal. Die Genossenschaft, die die sozialen und beruflichen Interessen der Branchenbeschäftigten vertrat, konnte bislang – auch nach der Wahl von Rouhani – ihre Arbeit nicht aufnehmen. „Die Justiz ist gegen die Berufsgenossenschaft der iranischen Journalisten“, sagte der Minister für Kultur und islamische Führung am Samstag.

Appell an die Politik

Rouhanis Regierung hat sich in ihren ersten zwei Amtsjahren auf die Atomverhandlungen konzentriert. Mit der dort erzielten Einigung hoffen viele, dass demnächst stärker inländische Angelegenheiten in den politischen Fokus kommen.

Als während Rouhanis Amtszeit mehrere JournalistInnen festgenommen und einige Zeitungen verboten wurden, sagte der Präsident im September 2014 in einem Interview mit dem amerikanischen Nachrichtensender CNN, er glaube nicht, dass im Iran jemand wegen seiner journalistischen Tätigkeit inhaftiert würde. Daraufhin warfen ihm 135 iranische JournalistInnen in einem offenen Brief „Verzerrung und Verleugnung der Realität“ vor. Ende April verneinte der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif in einem Fernsehinterview die Existenz politischer Gefangener im Iran. Die empörte Netz-Community kritisierte ihn scharf. Der Journalist Bahman Ahmadi Amouee, der kurz davor aus fünfjähriger Haft entlassen worden war, schrieb Zarif öffentlich: „Ich wurde wegen meiner Meinung und meinen Beiträgen in iranischen Zeitungen verhört und psychisch sowie körperlich gefoltert.“ Der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte im Iran Ahmed Shaheed bestätigt, dass sich die Menschenrechtslage in der Rouhani-Ära in einigen Bereichen sogar verschlimmert habe.

Viele ExpertInnen fürchten, die Konservativen in Teheran würden nach dem Atomabkommen eher noch härter gegen KritikerInnen vorgehen – um zu demonstrieren, dass das Einlenken in den Atomverhandlungen keine Öffnung in anderen gesellschaftlichen Bereichen einleiten werde.

  IMAN ASLANI