Rouhani redet deutlich

Irans Präsident Hassan Rouhani hat in einer Rede zum 36. Jahrestag der iranischen Revolution seine konservativen Kritiker frontal angegriffen. Unter Web-UserInnen sorgt das für gemischte Reaktionen. Auch ein Online-Topthema dieser Tage: Die Feinstaub-Krise im Süden des Iran.

Irans moderater Präsident Hassan Rouhani hat am Mittwoch in seiner Rede zum 36. Jahrestag der iranischen Revolution die konservativen Gegner der Atomverhandlungen und seiner Annäherungspolitik an die USA heftig kritisiert. „Der schlimmste Verrat ist der, der hinter der Front stattfindet“, zitieren Nachrichtenagenturen den Staatschef. Laut Rouhani seien nur „Feinde des iranischen Volkes“ gegen die Atomverhandlungen mit dem Westen. Er machte klar, dass der Gottesstaat bei den Atomgesprächen seine Unabhängigkeit nicht aufgeben und wie im achtjährigen Krieg gegen den Irak für seine Souveränität kämpfen werde.
„Eine unpopuläre Meinung ist noch lange kein Verrat“
In der iranischen Web-Community wird besonders Rouhanis deutliche Kritik an seinen konservativen Widersachern kontrovers diskutiert. Nicht wenige User sind der Meinung, dass er zu weit gegangen sei: „Ist das Ihr Ernst, Herr Rouhani? Sind wir schon so weit, dass wir KritikerInnen als Verräter abstempeln?“, empört sich Gholam Reza unter einem Beitrag des Nachrichtenportals Fararu. Ein anderer wütender User schreibt: „Kein Verrat ist größer als die Interessen des Iran bei den Atomverhandlungen zu verkaufen, Herr Rouhani.“ Der Fararu-User Baran52 glaubt, ein Muster im Verhalten des Staatspräsidenten erkannt zu haben: „Immer wenn Rouhani nicht weiter weiß, attackiert er die Opposition.“ Auch auf dem Nachrichtenportal Asr Iran, das den iranischen Reformern nahesteht, gibt es Kritik an der Rede des politisch gemäßigten Präsidenten. So schreibt Arash: „Wir dürfen nicht dahin abgleiten, andere Meinungen als Verrat zu bezeichnen. Den Menschen muss erlaubt sein, abweichende Meinungen zu äußern. Eine unpopuläre Meinung ist noch lange kein Verrat.“
Rückendeckung für Rouhani

Mohammad Javad Zarif mit seinem amerikanischen Amtskollegen John Kerry
Mohammad Javad Zarif mit seinem amerikanischen Amtskollegen John Kerry

Doch auf Asr Iran überwiegen die Stimmen, die Rouhani wohlgesonnen sind. So entgegnet der User Mohammad dem Rouhani-Kritiker Arash: „Kritik oder eine abweichende Meinung zu äußern ist natürlich kein Verrat. Solange Kritik konstruktiv ist, kann sie geäußert werden. Aber von konservativer Seite gibt es nur destruktive Kritik. So wird zum Beispiel Außenminister Zarif dafür verurteilt, Seite an Seite neben seinem amerikanischen Amtskollegen Kerry zu gehen. So etwas ist einfach nur lächerlich.“ Ähnlich äußern sich auch andere Besucher der Webseite: „Rouhani tut gut daran, die Konservativen zu attackieren.“ Deren Verhalten sei nicht zu ertragen, so ein Asr-Iran-User: „Außer dass sie dem Verhandlungsteam Knüppel zwischen die Beine werfen, bringen sie rein gar nichts zu Stande.“
Auch auf der Facebook-Präsenz von BBC Persian gibt es viele, die dem Präsidenten Rückendeckung geben: „Rouhani, wir stehen hinter dir. Es sei dir versichert, dass die Mehrheit des Volkes hinter deinem Kurs steht. Die Gegner Rouhanis sind zwar eine kleine Minderheit, aber leider Gottes sehr lautstark“, schreib Hormoz. Eben diese „Minderheit“ macht die Besucherin der BBC-Seite Nooshin sehr wütend: „Die Konservativen provozieren, blockieren und sabotieren, wo immer sie können. Und wenn dann einer sie entlarvt und sie als das bezeichnet, was sie sind, nämlich Verräter, vergießen sie Tränen und reden plötzlich von Meinungsvielfalt.“
Feinstaub-Krise in Khuzestan
Ein anderes Thema, das derzeit die iranischen Web-User beschäftigt, ist die Feinstaub-Krise in der südiranischen Großstadt Ahwaz in der Provinz Khuzestan. Über 200 Menschen wurden dort wegen Atemproblemen in örtlichen Krankenhäusern behandelt. Laut der Umweltschutzorganisation der Provinz lagen die Werte in Ahwaz am vergangenen Dienstag bei 9.989 Mikrogramm pro Kubikmeter – und damit um 66 Prozent über den zulässigen Richtwerten, und das nicht zum ersten Mal. Die Leiterin der iranischen Umweltbehörde, Masoumeh Ebtekar, sprach gegenüber staatlichen Medien von einer Krise, deren Beseitigung zehn Jahre dauern könnte. Maßgeblich verantwortlich sei die Regierung des Rouhani-Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad, die es versäumt habe, Maßnahmen einzuleiten, um gegen das Feinstaub-Problem zu kämpfen, so Ebtekar.
Hilflos angesichts der Atemnot
Feinstaub in der südiranischen Stadt Ahwaz
Feinstaub in der südiranischen Stadt Ahwaz

„Wer nicht in Teheran wohnt, hat immer den Kürzeren gezogen“, klagt Baba Jo auf der Facebook-Seite Protestkampagne gegen die Feinstaubverschmutzung von Ahwaz. „Würden wir in der Hauptstadt leben, hätte man schon längst eine Lösung für das Problem gefunden“. Ein anderer Besucher der Kampagnenseite schreibt: „Ich weiß nicht, wo auf der Welt Menschen noch unter solchen Bedingungen leben müssen. Wie soll man denn überhaupt leben, wenn man bei jedem Atemzug um seine Gesundheit fürchten muss?“, schreibt Azar.
Einig sind sich die iranischen Web-User, dass das Problem gelöst werden müsse: „Für Ahwaz muss heute eine Lösung her. Morgen kann es schon zu spät sein“, schreibt der Twitterer Haj Mirza Mohsen Khan. Ähnlich äußert sich ein anderer Twitterer mit dem Pseudonym dshepherd1985: „Es muss so schnell wie möglich etwas getan werden. Die Menschen Khuzestans können nicht wie die Vögel der Provinz einfach davonfliegen.“
„Druck notwendig“
„Die Quelle des Feinstaubs liegt im Irak. Auch dort haben die Menschen damit zu kämpfen. Was sollen wir also machen? Wir können ja Khuzestan nicht einmauern“, schreibt ein resignierter anonymer User der Webseite Dolate Bahar. Darauf antwortet Ali: „Der Feinstaub kommt nicht nur aus dem Irak. Und so hilflos, wie du uns hier darstellst, sind wir nicht. Du fragst, was wir machen können? Die Antwort lautet, dass wir auf die Verantwortlichen Druck ausüben müssen. Wir können ja uns nicht ewig in unseren Wohnungen verbarrikadieren.“ Auch Narges spricht sich dafür aus, politischen Druck auszuüben: „Wir leben in einer Region, die mit ihrem Öl-Reichtum die Hälfte des iranischen Einkommens generiert. Wenn die Öl-Arbeiter aus Protest nur einen Tag lang streiken würden, würden die Verantwortlichen in Teheran sicher aktiv werden“, glaubt sie. Ein anderer Besucher der Webseite wiederum legt den Parlamentsabgeordneten aus Ahwaz nahe, aus Protest ihre Parlamentssitze niederzulegen.
Kein Vertrauen in Verantwortliche
Wenn es nach dem Willen einiger wütender Internet-User ginge, müsste auch die Leiterin der Umweltbehörde, Masoumeh Ebtekar, ihren Posten räumen. Doch nicht aus Protest, sondern aus der Erkenntnis heraus, in ihrem Amt versagt zu haben, schreibt zum Beispiel Amir unter einem Beitrag des Nachrichtenportals Mashregh News: „Ebtekar muss zurücktreten, da sie keine Ahnung hat, wie das Feinstaub-Problem zu lösen ist.“ Ein anderer User der Seite mit dem Namen Naghi schreibt: „Frau Ebtekar sagt, dass es zehn Jahre dauern könnte, bis eine nachhaltige Lösung für das Problem gefunden wird. In zehn Jahren sind wir hier in der Region wahrscheinlich alle schon gestorben.“ Auch auf der Facebook-Präsenz der Nachrichtenseite Radio Zamaneh äußern sich manche IranerInnen kritisch zu Ebtekar: „Sie hätte sich als Umweltverantwortliche zumindest in Ahwaz zeigen und dort mit den Menschen mitfühlen können“, so Eghbal. „Sie spricht davon, langfristig des Feinstaub-Problems Herr zu werden. Ich sehe aber keinen Plan, wie das gelingen soll“, schreibt ein anderer Besucher der Seite.
Aber es gibt auch viele IranerInnen, die Ebtekar in Schutz nehmen. So schreibt beispielsweise Sima auf der Facebook-Präsenz von Deutsche Welle Farsi: „Frau Ebtekar macht den Eindruck, als wisse sie, welche Versäumnisse es in der Vergangenheit gegeben hat, die zu dieser Krise in Khuzestan geführt haben. Sie ist ehrlich, weil sie den Menschen nicht weiß machen will, dass morgen alles gut wird.“ Für die Fehler der Vorgängerregierung könne Masoumeh Ebtekar kaum verantwortlich gemacht werden, stellt auch ein anderer User fest.
  JASHAR ERFANIAN