Iranisches Kino in Zeiten der Krise
Filmschaffende im Iran klagen über die wachsende Einmischung der Politik in ihre Arbeit, über zunehmende Zensur und den Versuch des Kultusministeriums, den zwangsaufgelösten freien Berufsverband durch eine eigene Organisation zu ersetzen. Rund 80 Prozent der iranischen Kinofilme entstehen mithilfe staatlicher Fördergelder. Mehr zur kritischen Situation der iranischen Filmindustrie.
Mehr als 24 Vereine iranischer Filmschaffende haben am 13. Mai in einer öffentlichen Erklärung die Entscheidung des „Ministeriums für Kultur und islamische Führung“ kritisiert, eine Sonderkommission zur Wiedereröffnung des Haus des Kinos zu gründen. Damit beabsichtige das Ministerium, „im Namen des zwangsaufgelösten Berufsverbands zu agieren“, schreiben die Vereinsmitglieder. Das sei gesetzeswidrig, denn die Sonderkommission habe nichts mit den Mitgliedern und Richtlinien des Haus des Kinos zu tun, so die Verfasser des Schreibens.
Das Haus des Kinos wurde als Berufsorganisation der Filmschaffenden im Iran vor über zwanzig Jahren gegründet und hatte bis zu seiner Zwangsschließung durch das Kultusministerium etwa 5.000 Mitglieder. Zwischen dem Haus des Kinos und dem Ministerium gab es seit langem Meinungsverschiedenheiten. Die spitzten sich zu, als 2010 mehrere Mitglieder der Organisation als Zeichen der Unterstützung von Oppositionsführer Mir Hossein Moussawi die Teilnahme am iranischen Filmfestival Fajr verweigerten. Die Folge des Boykotts: Im Januar 2012 ließ das Kultusministerium ohne offiziellen Gerichtsentscheid den Kino-Verband schließen.
Warten auf staatliche Genehmigungen
Dass seit März dieses Jahres lediglich sechs Kinofilmen eine staatliche Drehgenehmigung erteilt wurde, sei eine Folge der Zwangsschließung, schreibt das iranische Kinoportal Cafeecinema. Denn das Auswahlverfahren für die offiziellen Drehgenehmigungen habe sich verschärft, indem Mitglieder des aufgelösten Berufsverbandes vom zuständigen Gremium nicht mehr zugelassen würden, schreibt Cafeecinema. Unter anderem warten acht renommierte iranische RegisseurInnen seit Monaten auf ihre Drehgenehmigungen: Tahmineh Milani, Masoud Kimiai, Kamal Tabrizi, Saman Salour, Masoud Jafari Jouzani, Mostafa Kiyaei, Alireza Raisian und Reza Darmishian.
Der iranischen Nachrichtenagentur ISNA zufolge sank die Zahl der Drehzulassungen von 100 im Jahr 2011 auf 85 im Folgejahr. Und nur 54 der gedrehten Filme durften am Ende tatsächlich auf die Leinwand. Denn im Iran werden nicht nur vor Beginn der Produktion jedes Filmprojekt und Drehbuch staatlich geprüft. Auch nach Abschluss der Arbeiten werden die fertig geschnittenen Filme erneut streng kontrolliert, bevor sie die sogenannte Aufführungsgenehmigung erhalten.
Zahl der Kinobesucher sinkt
Die kritische Lage der Filmindustrie wirkt sich auch auf die Zahl der Zuschauer aus. Immer weniger Iranerinnen und Iraner gehen ins Kino. Laut einem Bericht von ISNA hat sich die Zahl der Kinobesucher 2012 um 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr reduziert. Und diese Tendenz sei bereits seit drei Jahren zu beobachten, so ISNA. 2010 verzeichneten die Kinos landesweit 18 Millionen Besucher. 2012 waren es nur noch halb so viele.
Filmemacher warnen vor Zukunft
Mehrere iranische Filmschaffende kritisierten deshalb in der vergangenen Woche die Verantwortlichen harsch für ihre „schlechte Kino-Politik“. „Das Kino-Budget wird für Filme verschwendet, die absolut geschmack- und inhaltslos sind“, sagte der Regisseur Masoud Jafari Jouzani der Agentur ISNA. Neben den vielen Hürden auf dem Weg zu einer Drehgenehmigung ist nach Ansicht der Künstler die Filmfinanzierung schuld an der Misere. Rund 80 Prozent der iranischen Kinofilme entstehen mithilfe staatlicher Fördergelder. Dadurch sei ein „unabhängiges Kino“ in Gefahr: „Das muss sich ändern“, so der Regisseur Farzad Moutman. Sein Fazit: „Solange staatliche Institutionen über das ganze Filmbudget bestimmen, können wir nichts Positives von unserem Kino erwarten. Denn es gerät dadurch immer mehr in den Schatten politischer Machtkämpfe.“