Das gebrochene Versprechen

Sind die Teheraner Machthaber zu ihrer alten Politik zurückgekehrt, zurück zu den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts? Wollen sie wieder ihre Gegner in Europa physisch vernichten? Warum diese plötzliche Eskalation? Haben wir es mit einem Strategiewechsel zu tun? Und wenn ja: Warum? Und was kann, was wird Europa machen?
Und warum gerade jetzt, da Europa versucht, einen Mechanismus zu finden, um einen finanziellen Transfer mit dem Iran trotz Sanktionen weiterhin zu ermöglichen?
Eine Bombe namens „Mykonos-Urteil“
Das ist nicht das erste Mal, dass Europas Bemühungen um eine Deeskalation an iranischen Terroraktivitäten scheitern. Man erinnert sich an das Urteil aus dem „Mykonos-Prozess, das wie eine juristische Bombe die Weltdiplomatie erschütterte. In diesem Schuldspruch hatte das Berliner Kammergericht festgestellt, dass die gesamte politische Führung des Iran unmittelbar für die Ermordung von vier kurdisch-iranischen Oppositionspolitikern am 17. September 1992 in dem Berliner Restaurant „Mykonos“ verantwortlich sei. Der Richterspruch ist zugleich ein Meilenstein für die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Der Prozess habe die Einflusssphären von Exekutive und Jurisdiktion in der Bundesrepublik ausgelotet, werden später viele Juristen kommentieren. Denn die deutsche Regierung hatte während der Verhandlungszeit alles unternommen, um die iranische Führung aus dem Prozess herauszuhalten – vergeblich. Erstmals war in der bundesdeutschen Justizgeschichte eine Anklageerhebung des Generalbundesanwalts vor der Unterschrift an verschiedene Ministerien geschickt worden. Die Exekutive sollte offenbar vor der Explosion der „Bombe“ gewarnt werden.
Kein Wunder, dass das Urteil innen- und außenpolitisch Wellen schlug. Der damalige Generalbundesanwalt sah in dem Prozess die Initialzündung für seine spätere Entlassung.
Ende des „kritischen Dialogs“
Nach der Urteilsverkündung brach die Bundesregierung den bisher eher symbolisch geführten „kritischen Dialog“ mit Teheran ab, wies vier iranische Diplomaten aus und rief den deutschen Botschafter in Teheran zurück. Die Staaten der Europäischen Union schlossen sich diesen Schritten an. Eine erneute internationale Isolation der Islamischen Republik ist da.
Bei einem Freitagsgebet in Teheran wird der damalige iranische Präsident Rafsandschani – im Urteil als einer der Drahtzieher der Morde persönlich erwähnt – den Richterspruch als politische Manipulation bezeichnen und Deutschland mit Konsequenzen drohen. Das ist das notwendige Signal: Danach marschieren täglich Zehntausende Demonstranten vor die deutsche Botschaft in Teheran und fordern die „Bestrafung“ der deutschen Richter und Staatsanwälte. Die Beziehungen zwischen Europa und dem Iran kreisen um Verdächtigungen, Schmähungen und eine Verurteilung.
Doch dann ebbt die Spannung langsam ab. Im Geheimen versuchen beide Seiten, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Dabei versprechen die Teheraner Machthaber, jegliche Terrorpläne und -aktionen auf europäischem Boden zu unterlassen. Und sie hielten bis heute ihr Wort: Nach dem „Mykonos-Urteil“ gab es in Europa tatsächlich lange keine terroristischen Aktivitäten iranischen Ursprungs.
Will der Schwache Stärke demonstrieren?
Wendet sich nun das Blatt? Oder sind die Auslandskommandos wieder aktiv? Doch die Geschichte wiederholt sich eben nicht. Denn die islamische Republik des Jahres 2019 ist nicht derselbe Staat, mit dem Europa, vor allem Deutschland, vor etwa dreißig Jahren einen „kritischen Dialog“ führen musste. Heute stehen die Teheraner Machthaber unter massivem Druck- aus dem Inneren ebenso wie aus dem Ausland.
Rational gesehen bräuchte die Führung in Teheran Europa also mehr denn je. Deshalb stellt sich die Frage, warum das einst gegebene Wort nicht mehr gilt. Oder haben wir es mit den Aktionen eines Schwachen zu tun, der Stärke demonstrieren will?
  © Iran Journal

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