Annäherung über dritte Sprachen
Die deutsch-iranischen Beziehungen auf den Gebieten der Politik und Wirtschaft können sich sehen lassen. Auch die deutsche Literatur genießt im Iran eine enorme Beliebtheit. Doch wie sieht es mit der iranischen Literatur in Deutschland aus?
„Übersetzer sind Brückenbauer“, sagt man. Der Weg der ersten Versuche, den deutschsprachigen Raum mit der persischen und den persischsprachigen mit der deutschen Literatur bekannt zu machen, lief nicht geradeaus. Er überquerte andere Länder und flog über Brücken, die andere zuvor schon gebaut hatten.
Zuerst waren es Deutsche und Österreicher, die diese Versuche unternahmen, mit fremder Unterstützung. „Golestan“ – der „Rosengarten“ des iranischen Dichters Saadi aus dem 13. Jahrhundert – war ins Französische übersetzt worden und wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dann aus dem Französischen ins Deutsche übertragen. Das war, so heißt es in der Literaturgeschichte, der erste Schritt, persische Literatur im deutschsprachigen Raum einzuführen. Später folgten weitere Übersetzungen klassischer persischer Literatur ins Deutsche, vor allem von Poesie und hauptsächlich durch Orientalisten, die sich mit der arabischen, türkischen oder persischen Sprache beschäftigten.
Kaufleute und Reisende als Vermittler
Anfang des 15. Jahrhunderts reiste Johannes Schiltberger in den Iran. Ihm folgten später weitere Reisende, Kaufleute und Gesandte, unter ihnen Adam Ölschläger alias Olearius, Heinrich von Poser und Engelbert Kämpfer. Natürlich brachten sie Handelswaren für deutsche und österreichische Märkte sowie Informationen für Politik und Wirtschaft mit, aber auch persische Kultur kam mit diesen abenteuerlustigen Reisenden nach Europa.
Ich halte es für fraglich, ob Olearius, Hammer-Purgstall, Rosenzweig und andere im 18. und 19. Jahrhundert der persischen Sprache soweit mächtig waren, dass sie große Poeten des Iran wie Saadi, Hafis, Dschami oder Rumi ohne weiteres aus dem Persischen übersetzen konnten. Denkbar ist, dass sie sich von damals vorhandenen arabischen und türkischen Übersetzungen der persischen Werke unterstützen ließen.
Doch ohne jeden Zweifel – und das ist bis heute noch wichtig – haben diese Vorreiter gute Arbeit geleistet, die zum erleichterten Verständnis der bilateralen kulturellen und gesellschaftlichen Beziehungen führte und führt.
Diese Annäherung über dritte Personen und Sprachen, über fremde Brücken, geschah auch im Iran des 20. Jahrhunderts, als die Iraner die deutsche Literatur entdecken.
Der international meist übersetzte und anerkannte iranische Schriftsteller, Sadegh Hedayat (1903 – 1951), etwa las Kafka auf Französisch und übertrug ihn ins Persische. Jahrelang wurde Kafka aus dem Französischen und Englischen ins Persische übersetzt.
Politisch motivierte Literatur
Hedayat folgten viele Übersetzer. Sie erweckten bei den Iraner*innen ein enormes Interesse für die deutsche Literatur – Tendenz steigend. In Deutschland kann man jedoch keine vergleichbare Antwort darauf beobachten. Das Interesse deutscher Verlage für die persische Gegenwartsliteratur bezeichne ich als ein „einseitiges Interesse“. Wirft man einen Blick auf die Liste der aus dem Persischen übersetzten Werke und vergleicht diese Liste mit der Zahl der Übersetzungen in den Vorjahren, ist die beachtliche quantitative Entwicklung augenfällig. Man sieht etablierte Namen in der persischen Gegenwartsliteratur wie Hedayat, Alavi, Golschiri, Simin Daneschwar, Zooya Pirzad, Doulatabadi, Tscheheltan und Maaroufi.
Doch dieses Interesse an der persischen Belletristik ist politisch motiviert. Die Literatur bleibt dabei zweitrangig. Die ausgewählten Werke haben in der Regel Inhalte und Anspielungen mit Bezügen zur aktuellen iranischen Politik. Das bedeutet aber: Ist die Politik nicht mehr „aktuell“, verschwindet vermutlich auch das Interesse der Verleger.
Eine wichtige Frage, die auch im Iran oft diskutiert wird, lautet: Ist die aktuelle politische Lage eines Landes in Asien, Afrika, Südamerika maßgebend bei der Förderung der Literatur und Kunst aus diesen Regionen in Europa? Mit dem iranischen Film haben die Iraner ähnliche Erfahrungen bei internationalen Filmfestspielen – auch der Berlinale – gemacht. Geschieht dies auch mit der Literatur?
Eine Respekt verdienende Leistung einiger deutscher Verlage ist, dass Werke iranischer Autor*innen schon vor ihrer Veröffentlichung im Iran ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht werden – Bücher, die in ihrer persischsprachigen Version die Zensur nicht überstehen. Eine beachtenswerte Unterstützung für die persische Literatur – aber dennoch bleibt die Frage offen, ob diese Unterstützung nicht dazu führt, dass schreibende IranerInnen versuchen werden, mit Blick auf diese Möglichkeit Literatur zu produzieren. Doch das alles erfordert eine eigene Studie und hat hier keinen Platz.
Lobenswerte Beispiele
Fortsetzung auf Seite 2