Annäherung über dritte Sprachen
Immer noch ist Goethes „West-Östlicher Divan“ das wichtigste Zeichen einer literarischen Inspiration aus dem Iran in der deutschen Literatur. Und sicher gibt es hier und dort auch andere Anspielungen auf diese. Ich würde aber die Intertextualität in Form von Zitaten und Hinweisen auf Poeten und Literaten nicht als literarische Auswirkung und Inspiration bezeichnen. Es ist sicher keine Auswirkung persischer Poesie, wenn in einem Roman oder einer Erzählung, etwa Thomas Lehrs „September“ (2010, Hanser) Hafes oder Rumi zitiert oder wenn sogar ihre Verse einem Roman vorangestellt werden. Von literarischen Auswirkungen und Einflüssen kann nur die Rede sein, wenn man in der beeinflussten Literatur Formen, Themen und Techniken einer fremden Literatur erkennen kann. Ich denke hier an zwei Werke: die Gedichtsammlung „Grüngewandet“ von Gerrit Wustmann (Sujet Verlag, Bremen 2014) und einen Roman von Michael Kleeberg, „Der Idiot des 21. Jahrhunderts“ (Galiani, Berlin 2017). Beide lassen Inspirationen von persischer Literatur und Poesie erkennen.
Wertvolles von deutscher Seite
Auf einen weiteren deutschen Beitrag zu bilateralen literarischen Beziehungen möchte ich hinweisen: die Unterstützung iranischer Übersetzer*innen, Schriftsteller*innen und Poet*innen durch Aufenthaltsstipendien, Einladungen, Lesungen, Tagungen und Seminare. Besonders gefördert werden dabei Übersetzer, die „Brückenbauer“, durch verschiedene Institutionen. Leider unternimmt die iranische Seite nichts, was auch nur im Geringsten dem deutschen Einsatz zu vergleichen wäre. Im Rahmen eines anderen deutschen Programms werden Autor*innen und Dichter*innen in den Iran eingeladen, die dann in Lesungen und Publikumsgesprächen iranische Leser und Interessierte mit modernen literarischen Richtungen und Bewegungen in Deutschland und auch Europa bekannt machen. Auch dazu hat die iranische Seite kein entsprechendes Programm. Nicht nur das: Es gibt sogar ab und zu Hindernisse im Wege der Lesungen und literarischen Veranstaltungen – etwa, wenn Texte, die für Lesungen deutscher Autor*innen bestimmt sind, vorher von den Behörden kontrolliert werden. Es gibt auch Fälle, wo die Verantwortlichen aus unerklärlichen Gründen angekündigte Veranstaltungen abgesagt haben.
Deutsches Gedicht für iranische Dichterin
Diesen Beitrag möchte ich mit einem Gedicht von Grit S. Geldner, der 45-jährigen in der ehemaligen DDR aufgewachsenen Dichterin, schließen. Es ist ein Beweis oder wenigstens ein Zeichen dafür, dass überlegt organisierte Kulturarbeit und richtige Übersetzungen Kulturen einander näherbringen und einen effektiven Kulturaustausch bewirken können. Während meiner Recherchen für diesen Text lernte ich Grit Geldner über einen guten Freund kennen. Sie hatte bei einer Lesung zum zehnjährigen Bestehen der persisch-deutschen Veranstaltung „Dem Wort die Freiheit“ in der Wiener Hauptbücherei persische Poesie gehört. Sie vertraute mir ihr Gedicht mit einer kurzen Erklärung an: „Das Gedicht ist der persischen Dichterin Forugh Farrokhsad gewidmet, die mich zutiefst mit ihrem kompromisslosen Leben für die Lyrik und ihre Dichtung beeindruckt hat.“
Für Forugh Farrokhsad:
Bring die Lampe
entzünde dein Licht
nah bei meinem Herzen,
dass ich dich besser sehen kann.
Bring die Finger
deiner Hände in meine Nähe,
dass ich mich
dran wärmen kann.
Bring deine Worte
in den Wind,
dass ich sie einfangen und
mich trösten kann.
Bring den Mut
deiner Augenlider auf meine Haut,
dass ich mich
drin betten kann.♦
Zur Person: Mahmoud Hosseini Zad ist einer der renommiertesten Übersetzer zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur ins Persische. Der Träger der Goethe Medaille hat auch einen Roman und mehrere Kurzgeschichten geschrieben und an mehreren iranischen Hochschulen deutsche Literatur unterrichtet.
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