„Brüderliche Beziehungen“ bröckeln immer mehr

Seit Wochen ist das Verhältnis zwischen Iran und Türkei getrübt. Trotz profitabler Zusammenarbeit  gibt es derzeit Zoff: zum einen wegen der Stationierung des Raketenabwehrschirmes der NATO auf türkischem Boden und zum anderen wegen der kritischen Haltung der Türkei gegenüber dem syrischen Regime. Eine Bestandsaufnahme.
Am 14. Dezember sprach der iranische Außenminister Ali-Akbar Salehi im Interview mit der türkischen Nachrichtenagentur Anatoli „von den freundschaftlichen und brüderlichen Beziehungen“ beider Länder. Er betonte weiterhin, dass im Zusammenhang mit internationalen Fragen nur der oberste religiöser Führer Khamenei, der Präsident oder der Außenminister das Recht auf Stellungnahme oder Meinungsäußerung  hätten. Diese Feststellung von Salehi ist eine Reaktion auf die Äußerungen von Hossein Ebrahimi, dem Vize-Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des iranischen Parlaments. Dieser hatte gesagt, der Aufbau eines Raketenabwehrschirms der NATO durch die USA in der Türkei diene dem Schutz Israels, werde aber für die Türkei schlimme Konsequenzen haben.
Meinungsäußerungen in Regierungskreisen
Nach diesen Aussagen bekundete der türkische Außenminister Ahmet Davutoghlu in einem Telefonat mit Salehi die Unzufriedenheit der Regierung in Ankara. Salehi versicherte seinem türkischen Amtskollegen, dass die Äußerungen von Hossein Ebrahimi lediglich persönliche Ansichten eines Einzelnen seien und gäben nicht die Meinung der Regierung wieder.
Doch das ist nicht das erste Mal, dass solche Behauptungen aus Kreisen der Regierung in Teheran aufgestellt werden. Vor kurzer Zeit bemerkte der iranische Verteidigungsminister Ahmad Vahidi, es gebe keine Ausreden für den Raketenabwehrschirm der NATO in der Türkei. Der einzige Grund sei die Verteidigung Israels. Kurz zuvor hatte Amir Ali Hadschizadeh, ein Befehlshaber der Revolutionsgarde, folgendes erklärt:  „Im Falle eines äußeren Angriffs auf den Iran, wird der Raketenabwehrschirm der NATO in Malatia in der Südtürkei zum Angriffsziel.“
Die Türkei hat als NATO-Mitglied in diesem Jahr der Stationierung des Raketenabwehrschirms der Nordatlantischen Allianz auf eigenem Boden zugestimmt. Die USA begründet die Notwendigkeit dieser Maßnahme mit möglichen Bedrohungen durch Raketenangriffe aus dem Nahen Osten, insbesondere dem Iran. Im Sommer dieses Jahres warf der Vertreter Russlands in der NATO, Dimitri Rogosin, ein, dass dieser Schirm auch zum Angriff auf den Iran genutzt werden könnte.
Meinungsverschiedenheiten bei Syrien

Treffen von Irans Präsident Ahmadynedschad (re) mit dem türkischen Ministerpräsident Erdogan im Dezember 2010.

Die aktuellen Spannungen zwischen dem Iran und der Türkei sind nicht nur durch den Raketenabwehrschirm entstanden. Die blutigen Ereignisse in Syrien sind ebenfalls ein Streitthema. Als „der arabische Frühling“ Syrien erreichte, schlug sich die Türkei kategorisch auf die Seite der syrischen Opposition. Die Türkei verkündete, die Zeit Bashar al-Assads sei vorüber und Reformen seien unvermeidlich. Sie drohte damals, sich an Sanktionen zu beteiligen, wenn die gewaltsame Unterdrückung der Opposition andauern würde. Der Iran unterstützte im Gegensatz dazu von Anfang an den syrischen Präsidenten. Im letzten Oktober sagte Yahya Rahim-Safavi, ehemaliger Befehlshaber der Revolutionsgarde und oberster Berater des Revolutionsführers Khamanei: „Der Umgang der türkischen Regierenden mit dem Iran und Syrien ist falsch und ich denke, sie bewegen sich in Richtung amerikanischer Interessen“.
Türkische Interessen
Die Türkei versuchte lange Zeit in den Auseinandersetzungen rund um das iranische Atomprogramm zwischen dem Iran und dem Westen zu vermitteln. Doch seit dem Beginn der aktuellen Spannungen sieht sie den Iran als ein Risikofaktor. Namik Tan, der türkische Botschafter in den USA, bestätigte kürzlich in einem Interview mit der Tageszeitung Christian Science Monitor, dass die Türkei mehr als alle anderen Staaten ein Interesse daran habe, den Iran am Bau von Atomwaffen zu hindern. Die Beziehungen beider Länder würden sehr stark unter dem iranischen Atomprogramm leiden, so Tan. Der Iran und die Türkei haben gute wirtschaftliche Beziehungen. Das Handelsvolumen beträgt im laufenden Jahr zehn Mrd. Dollar, ein Großteil davon durch Erdöl und Ergas. Die Türkei bezieht 20 Prozent ihres Bedarfes an Erdgas aus dem Iran. Vor den Spannungen hatten Wirtschaftsexperten einen Anstieg des Handelsvolumens auf 15 Mrd. Dollar für das kommende Jahr vorhergesagt.
Doch aufgrund der aktuellen diplomatischen Wortgefechte ist die Zukunft der Beziehungen zwischen beiden Ländern ungewiss.  Die entscheidende Frage ist, ob die Türkei sich an Sanktionen gegen den Iran beteiligen wird. Der türkische Botschafter Namik Tan sagte in einer Rede an der George Washington Universität: „Die Türkei wird eine iranische Atommacht nicht tolerieren und auf jede erdenkliche Art und Weise die iranische Atompolitik in der Region aufhalten“.