Baudenkmäler stören "Stadtentwicklung"

Nachdem historische Häuser in Yazd bereits der Erweiterung des Schreins eines Heiligen weichen mussten, werden nun auch in der Stadt Ahvaz kulturell wertvolle Baudenkmäler abgerissen – zugunsten von Parkhäusern und Neubauten. Denkmalschützer protestieren vergebens.
Das denkmalgeschützte Bauwerk Saray Ajam in der Stadt Ahvaz wird abgerissen, meldete die iranische Presse vergangene Woche. Das altehrwürdige Gebäude, das zur Zeit der Kadschar-Dynastie (1785-1925) Karawanen beherbergte, erleidet das gleiche Schicksal wie viele Kulturdenkmäler des Iran in jüngster Vergangenheit. Das Schloss Scheich Abdul-Hamids zum Beispiel musste einem Parkplatz für Busse weichen. Der Nachrichtenagentur Mehr zufolge wurde das historische Bauwerk erst aus der Liste denkmalgeschützter Gebäude gestrichen, dann zum Abriss freigegeben. Ahvaz ist die Hauptstadt der Provinz Khuzestan im Südwesten des Irans. Mit der Zerstörung historischer Denkmäler in dieser Provinz befasst sich der Verein „Freunde der Kulturdenkmäler in Khuzestan“ (FdKK). Auf ihrer Website Taryana.ir warnen die Denkmalschützer davor, dass sich Abrissaktionen wie in der Altstadt von Yazd in Ahvaz wiederholen könnten.

Zerstörtes Altgebau in Yazd, dahinter der Schrein von "Imamzadeh Jafar"
Zerstörtes Altgebau in Yazd, dahinter der Schrein von „Imamzadeh Jafar“ – Foto: ISNA

Die Oasenstadt Yazd liegt zwischen zwei Wüsten im Zentraliran und besteht seit dem dritten Jahrtausend vor Christus. Gegen die seit Monaten anhaltende Zerstörung der innerstädtischen Altbauten in Yazd protestieren immer noch zahlreiche BürgerInnen. Die Stadtverwaltung jedoch ignoriert die Proteste. Der Stadtratsvorsitzende von Yazd, Hamid Reza Motaharian, erklärte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ISNA: „Für die Stadtentwicklung ist der Abriss von Altbauhäusern manchmal unvermeidlich.“ Die Zerstörung wertvoller Gebäude sei legitim, denn der Abrissplan sei zur Vergrößerung der Grabstätte des Heiligen Imamzadeh Jafar von Denkmalbehörde und Bauamt genehmigt worden.
Systematische Vernichtung der alten Stadtstruktur
Seit 2011 befürwortet das Rathaus von Ahvaz „Modernisierung und Sanierung“ alter Häuser und unterstützt sie zum Teil finanziell. Laut FdKK werden im alten Stadtzentrum wöchentlich 70 bis 80 Gebäude von der Stadtverwaltung für den Abriss freigegeben. „Viele dieser Häuser wären es wert, in die Liste der Kulturdenkmäler aufgenommen zu werden“, schreibt FdKK. Der in Ahvaz lebende Schriftsteller Yusef Azizi Banitorof spricht von einer „langjährigen Tradition der Zerstörung historischer Baudenkmäler in der Provinz Khuzestan“.
Saraye Ajam vor dem Abriss - Foto: khoozna.com
Saraye Ajam vor dem Abriss – Foto: khoozna.com

Im Interview mit der persischsprachigen Redaktion der Deutschen Welle (DW) sagt der arabischstämmige Schriftsteller über den Abriss des Bauwerks: „Saray Ajam war ein Teil der Kultur und Geschichte der arabischen Bevölkerung des Iran.“ Banitorof zählt weitere Denkmäler auf, die modernen Bauten weichen mussten, wie zum Beispiel das Schloss von Scheich Abdul-Hamid, das zum Busstellplatz der städtischen Verkehrsgesellschaft umgebaut wurde. Bauobjekte, die vom irakisch-iranischen Krieg (1980-88) verschont blieben, zerstöre man nun eigenhändig, beklagt  Banitorof, der für den Erhalt der historischen Bauwerke im arabischen Teil des Iran kämpft. Als Beispiel nennt er den Palast von Scheich Khazal, dem einstigen Herrscher von Khuzestan: „Dieser Palast wurde im Jahr 2000 von der Denkmalschutzbehörde als Kulturdenkmal anerkannt und restauriert. Im Oktober 2010 wurde er abgerissen.“
Der Schriftsteller macht im Gespräche mit der DW die Revolutionsgarde dafür verantwortlich. Dagegen habe er bei der UNESCO geklagt. Der Palast, erbaut 1917, diente bis 1925 als Gouverneursresidenz von Scheich Khazal, der unter der Kadscharen-Dynastie in Khuzestan geherrscht hat. Er plante die Abtrennung von Khuzestan als unabhängiges Land „Arabestan“, wurde jedoch 1925 vom Nachfolger der Kadscharen, Reza-Shah Pahlavi, exekutiert.
Über die Gründe der Zerstörung von Saray Ajam schweigen die zuständigen Behörden. Inoffiziellen Angaben zufolge ist der plötzliche Abriss des Bauwerks einem nicht genauer benannten „Militärorgan“ zuzuschreiben. Der Leiter der zuständigen Denkmalbehörde, Parviz Pour Farokhi, sagte der Nachrichtenagentur ISNA, der Abriss sei ohne Wissen seiner Behörde durchgeführt worden, wogegen er ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe.
Der Kampf um den Erhalt von historischen Gebäuden in Khuzestan hat bereits auch die sozialen Netzwerke erreicht: Eine Facebook-Seite informiert über die Zerstörung von Saray Ajam.
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