Ahoo Daryaee - iranische Studentin, die sich in Teheran aus Protest bis auf Unterwäsche auszog

Nachbeben einer ungewöhnlichen Protestaktion

Seit dem 2. November beschäftigt die Iraner:innen innerhalb und außerhalb des Landes die Protestaktion einer Studentin der Teheraner Azad-Universität. Die junge Frau hatte sich nach Schikanen der Sicherheitskräfte in der Öffentlichkeit bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Videos der Aktion tauchten in sozialen Netzwerken auf und erregten weltweit Aufsehen. Aktivist:innen zufolge heißt die Studentin Mahla Daryaee, wird aber von ihren Freund:innen Ahoo genannt. Iranische Behörden bezeichneten ihre Protestaktion als „eklatanten Tabubruch“ und „gegen jede gesellschaftliche Moral“. Regierungssprecherin Fatemeh Mohajerani erklärte am Mittwoch, dass Ahoo als „geistesgestört“ eingestuft und in eine Klinik eingeliefert worden sei, in der sie „behandelt“ werde. In keinem anderen Land werde „so etwas“ toleriert, so Mohajerani.

In vielen Ländern gibt es Solidaritätsaktionen für Ahoos Freilassung. Fotos und Videos von jungen Frauen im Ausland, die wie Ahoo in Unterwäsche mit verschränkten Armen an öffentlichen Plätzen spazieren, verbreiten sich im Internet. Am Dienstag fanden an mehreren Orten außerhalb Irans Solidaritätsdemonstrationen statt. In Paris versammelten sich Hunderte französische und iranische Bürger:innen, Aktivist:innen und Politiker:inen vor dem historischen Pantheon und forderten Ahoos sofortige Freilassung. Auch bei vereinzelten Demonstrationen in Iran wurde zur Solidarität mit der Studentin aufgerufen. In der Stadt Kermanshah etwa verlangten Rentner:innen bei Protesten gegen ihre fortschreitende Verarmung am Dienstag auch die Freilassung der Studentin.

Auf der anderen Seite versuchen islamische Hardliner aus der Protestaktion der Studentin Kapital zu schlagen: In klassischen Medien und sozialen Netzwerken bezeichnen sie Ahoo als „Symbol“ der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung. „Die Tatsache, dass sie versuchen, Nacktheit in ein Werkzeug des Protests zu verwandeln, weist darauf hin, dass sie von den westlichen Ländern geleitet werden, deren Ziel eine kulturelle Metamorphose ist“, schreibt etwa das Nachrichtenportal Jahan News. Ahoo sei geschieden und habe zwei Kinder, daher rühre ihre „psychische Destabilität“,  behaupten andere Medien.

Die Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Masih Alinejad teilte in den sozialen Netzwerken mit, dass sie mit Ahoos Angehörigen und Bekannten Kontakt aufgenommen und herausgefunden habe, dass die Studentin keine psychische Störung habe. Andere Aktivist:innen melden, dass die Klinik, in der Ahoo festgehalten wird, von den Geheimdienstlern „in einen Hochsicherheitstrakt“ umgewandelt worden sei. Niemand dürfe sie besuchen, weder Journalist:innen noch ihre Familienmitglieder.

Solidaritätsbekundungen gab es auch von Politiker:innen und Organisationen im Ausland. „Ich würdige den Mut dieser jungen Frau, die ihren Widerstand gezeigt und sich zu einem Symbol des Frauenkampfs in Iran gemacht hat“, sagte Frankreichs Außenminister Jean-Noel Barrot. Zuvor hatten Mai Sato, UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte im Iran, und Amnesty International (AI) ihre Sorge um das Befinden der Studentin zum Ausdruck gebracht. Sato schrieb auf X, sie werde „diesen Vorfall und die Reaktion der Behörden aufmerksam“ beobachten. AI verlangte die sofortige Freilassung der Studentin und forderte die iranischen Behörden auf, „Folterungen und Misshandlungen an ihr“ während der Haft zu verhindern und ihr den Zugang zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand zu gewährleisten. ♦

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