Tropfen auf den Stein der Diktatur

Manche Parolen bleiben im Gedächtnis

In den letzten Monaten vor der Revolution 1979 nahmen die Wandbeschriftungen stark zu. Noureddin Bozorgmehr hat 1980 in seinem Buch „Beim Sonnenaufgang der Freiheit ist der Platz unserer Märtyrer frei“ rund 1.000 dieser Parolen versammelt. 46 Prozent davon weisen einen Reim auf.

Viele sind in jedoch Vergessenheit geraten. Selbst diejenigen, die damals an den Demonstrationen teilgenommen haben, können sich nicht an alle Parolen erinnern. In Erinnerung geblieben sind etwa „Tod dem Schah“ und „Unabhängigkeit, Freiheit, Islamische Republik“; vergessen wurden dagegen „Die Anhänger des Schahs sind eindeutig Hahnreie“ oder „Königin Farah mach das Bett, lass den Jimmy [Carter – US-Präsident] sein Geschäft erledigen“.

Die Ähnlichkeiten, die Unterschiede

Viele Parolen aus der Zeit der 1979er Revolution ähneln den Parolen der Unruhen der vergangenen Jahre, sowohl formal wie auch inhaltlich. Etwa bei den Reimen, wie zum Beispiel: „Der Schah begeht Verrat, sein Geheimdienst Savak begeht Verbrechen. (Jimi) Carter gibt (dem Regime) Garantien, die Armee unterstützt (den Verrat und das Verbrechen)“ – Bild 1. Das war 1978-79 eine gängige Wandparole,

Wandparole von 1979
Bild 1

Heute liest man auf manchen Wänden: „Das Volk bettelt, der Herr (Khamenei) lebt wie ein Gott“ – Bild 2.

Wandparole in Teheran November 2019
Bild 2

Beide Parolen reimen sich auf Persisch, die aktuelle erinnert an die alte.

Beim ersten Bild aus dem Jahr 1979 handelt es sich um die Unterstützung des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter für den iranischen Monarchen Mohammad Reza Pahlavi. Beim zweiten Bild von 2018 geht es um die „Göttlichkeit“ des Oberhauptes der Islamischen Republik, Ali Khamenei, und seine absolute Herrschaft.

Auf dem ersten Bild wird die Unterstützung der Vereinigten Staaten verurteilt, auf dem zweiten die Rolle des heutigen Staatsoberhaupts Ali Khamenei, die als wesentlich schlimmer wahrgenommen wird als die damalige Rolle der USA.

Für das islamische Regime im Iran und allen voran sein Oberhaupt stellen die USA das absolute Feindbild dar. Die Protestierenden haben während der Unruhen von 2018 und 2019 jedoch wiederholt das Gegenteil gerufen: „Unser Feind befindet sich hier, es ist eine Lüge, dass die USA es sind“.

Es ist vielleicht zu früh, um die Rolle der Parolen und ihren Einfluss auf die Rhetorik der Proteste der letzten Jahren im Iran in einem Beitrag oder einem Buch zusammenzufassen. Das Abschlusswort dieses Beitrags kann jedoch ein Zitat des getöteten Schriftstellers Mohammad Mokhtari sein: „Es besteht eine faszinierende Verbindung zwischen den Parolen und der Kultur und Entwicklung einer Gesellschaft sowie ihrer Natur und ihrer Schöpfungskraft, Parolen zu schaffen. Die Menschen haben über alles, was sich während eines Aufstands ereignet hat, Parolen geschaffen. So haben sie die eigentliche Aufgabe der Führung der Bewegung übernommen. Die Menschen kompensieren damit die Unterfunktion der Führung. Sie schaffen zu jedem Schritt passende Parolen und zwingen diese ihnen zum Teil sogar auf.“

*Maziyar Roozbeh ist ein Pseudonym, um den Autor zu schützen. Der Publizist, Dichter und Übersetzer lebt in Teheran.

© Iran Journal

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