Der Sohn des Mullahs – Filmbesprechung

Die Filmemacherin Nahid Persson Sarvestani wollte herausfinden, was Ruhollah Zam, den Sohn eines bekannten iranischen Geistlichen, dazu bewogen hat, zu einem wichtigen Gegner des iranischen Regimes zu werden. Zam wurde von Agenten der Islamischen Republik in den Irak gelockt, von dort in den Iran entführt und hingerichtet. Persson Sarvestani ist mit „Der Sohn des Mullahs“ ein spannender Dokumentarfilm gelungen, der ab dem 13. Juni in den deutschen Kinos zu sehen ist.

Von Nasrin Bassiri

Die „Grüne Bewegung“ im Iran begann einen Tag nach den Präsidentschaftswahlen 2009 mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Mahmoud Ahmadinedschad war zum Wahlsieger gekürt worden – zur Überraschung eines Großteils der Wähler*innen. Denn nach den ersten Auszählungen der Stimmzettel in der Wahlnacht lagen die beiden Kandidaten des Reformerlagers, Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi, mit Abstand vor dem vulgär anmutenden Hardliner Ahmadinedschad. Die Enttäuschung bei den Wähler*innen war so groß, dass allein in Teheran schätzungsweise 3 bis 3,5 Millionen Menschen spontan auf die Straße gingen.

Die Proteste gegen die Wahlergebnisse gingen weiter, nicht vorangekündigt, sondern spontan, stadtteilbezogen und leise, um mehr auszurichten, weniger zu provozieren und sich nicht zu gefährden. Es waren eher jüngere, mutige und wütende Bürger*innen, die deutliche Parolen gegen die „Wahlfälschung“ skandierten. Die iranischen „Sicherheitskräfte“ reagierten brutaler denn je.

Der Journalist Ruhollah Zam ist zu dieser Zeit 31 Jahre alt. Er steht dem Kandidaten Mehdi Karroubi als Wahlhelfer zur Seite und nimmt an den Demonstrationen nach der Wahl teil. Zam wird festgenommen und schwer gefoltert.

Mohammad Ali Zam legt aus Protest gegen die Hinrichtung seines Sohnes Ruhollah seinen Turban und den Umhang ab
Mohammad Ali Zam legt aus Protest gegen die Hinrichtung seines Sohnes Ruhollah seinen Turban und den Umhang ab

Sein Vater, Mohammad Ali Zam, hatte das „Islamische Institut für Propaganda – Schwerpunkt Kunst und Kultur“, den Rundfunkrat und die konservative Sooreh-Kunsthochschule geleitet, sich aber immer mehr den moderateren Politikern zugewandt und so nach und nach seine Führungspositionen verloren. Er verfügte aber immer noch über genug Einfluss, um für die Freilassung seines Sohnes zu sorgen.

Beginn des Kampfes gegen das System

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis verließ Ruhollah Zam den Iran und erreichte nach mehreren Stationen Paris, wo er mit seiner Familie bis zu seiner Entführung lebte. In ihrem relativ kleinen Appartement in der französischen Hauptstadt kreierte er diverse Nachrichtenseiten, zuletzt „Amad News“, ein Nachrichtenportal, das später, als im Iran regelmäßig Massenproteste gegen Preissteigerungen, Korruption und soziale Ungerechtigkeit stattfanden, an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewann.

Ein Teil der Oppositionellen vor allem im Ausland vertraute Zam nicht sonderlich; sie betrachteten ihn als „zwielichtige Person“ oder gar als Handlanger des Regimes. Zumindest meinten manche von ihnen, man könne seinem Vater nicht vertrauen. Andere meinten, er könne selbst ein Spion der islamischen Regierung im Ausland sein. Doch am Ende stellte sich heraus, dass er eine der wichtigen Persönlichkeiten war, die das islamische Regime herausforderten.

Im Herbst 2019 wurde Zam in den Irak gelockt und dort von Agenten der iranischen Geheimdienste nach Teheran entführt. Nach einer einjährigen Haft und einem Schauprozess wurde Ruhollah Zam zum Tode verurteilt und mit 42 Jahren am 12. Dezember 2020 in Teheran erhängt.

Der Trailer des Films „Der S0hn des Mullahs“:

Ein kleines Appartement mit großer Wirkung

Die Recherchen zu ihrem Dokumentarfilm „Der Sohn des Mullahs“ hatte Nahid Persson Sarvestani bereits vor der Entführung von Zam begonnen. Sie besuchte die Familie Zams in ihrem Pariser Appartement; wir sehen rührende Szenen der Begegnungen des Sohnes des Mullahs mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Der sensible Umgang mit ihnen gibt Aufschluss über seine Persönlichkeit.

„Ich hätte ein luxuriöses Leben haben können“, sagt Zam in dem Dokumentarfilm. Stattdessen entschied er sich für ein unbequemes Leben im Kampf gegen das islamische Regime. Dafür lebte er unter strenger Bewachung durch die Pariser Polizei. Er arbeitete Tag und Nacht, schlief auf einer einfachen Matratze und konnte nicht einmal allein einkaufen gehen. Er fühlte sich wie ein Gefangener.

Während er von seinem eingeschränkten Leben und den Drohungen gegen ihn erzählt, bricht er immer wieder in Lachen aus. Er macht einen zufriedenen Eindruck und scheint mit seiner Frau und den zwei Töchtern, die kein Kopftuch tragen, das Leben zu genießen. Der Film führt uns vor, dass Glaube und Herkunft nicht unbedingt maßgebend sind für die Werte und den Lebensstil eines Menschen. Er zeigt uns, dass das Leben facettenreich ist und nicht immer in vorgefertigte Schablonen passt. Das Leben jedes Menschen ist wie ein Lexikon: Es reicht nicht, dass man es einmal durchblättert.

Nahid Persson Sarvestani ist es gelungen, Ruhollah Zams „Lexikon“ auf eine Weise unter die Lupe zu nehmen, dass es jede:r – sogar ohne Brille – lesen kann.

Mehr Informationen zum Film!

Kinostart in Deutschland: Do. 13. Juni 2024.

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