Zensur und Selbstzensur prägen den Journalismus in Iran

Das iranische Parlament diskutiert derzeit eine Gesetzesinitiative, welche nur noch Journalisten den Beruf auszuüben erlaubt, die von einer neu dafür geschaffenen Kommission eine Zulassung erhalten. Tarmeh Mandegar schildert, wie staatliche Zensur und Selbstzensur die Arbeit von Journalisten in Iran bestimmen.
Restriktionen iranischer Behörden gelten im Allgemeinen als Hauptgrund für den Qualitätsverlust der journalistischen Profession im Land. Während internationale Organisationen die weitverbreitete Zensur verurteilen, scheint das iranische Regime, davon unbeeindruckt, weitere Hürden für den unabhängigen Journalismus aufbauen zu wollen.
Tarmeh Mandegar
Die Praktiken der Selbstzensur und der „Zensur von innen“ sind in den Medien inzwischen so üblich und gebräuchlich geworden, dass solche Drohgebärden, sei es wie jetzt im Parlament, sei es durch die inoffizielle Einschüchterung seitens der Sicherheitsorgane als eine weitere Anstrengung angesehen werden können, dem asthmakranken Berufstand die letzte Atemluft zu nehmen.
Die neue „Gesetzesvorlage für die Medien“ der Kulturkommission, welche die Schaffung eines „Gremiums zur Ausstellung von Journalisten- Lizenzen“ zum Ziel hat, das über die „Eignung von Antragstellern“ entscheiden und nur diesen Geeigneten eine „Lizenz zum Schreiben“ ausstellen soll, ist die neueste Idee des Parlaments, um die Grenzen der Medien noch enger zu fassen. Die Kommission behauptet, mit dem neuen Gesetz werde der Zugang zum Journalismus „geordnet und übersichtlich“.
Im letzten Jahr haben Reporter Ohne Grenzen Iran als „Hölle für Journalisten“ bezeichnet. Auch wenn Iran für Journalisten ein unberührtes Obwohl die bestehenden Gesetze die Meinungsfreiheit garantieren, sind ihre Unterparagraphen und Absätze voller Einschränkungen.Gebiet ist, in dem es täglich neue und unentdeckte Themen zu bearbeiten gäbe, ist die professionelle Realität voller Hürden, damit eben diese Geheimnisse nicht aufgedeckt werden.
Ungeachtet aller offiziellen Behauptungen, Iran sei „das freieste Land“, in dem „Meinungsfreiheit“ herrsche, und wo „sehr hohe Auflagen“ erreicht würden, ist die Wahrheit das genaue Gegenteil. Obwohl die bestehenden Gesetze die Meinungsfreiheit garantieren, sind ihre Unterparagraphen und Absätze voller Einschränkungen.
Zudem engen inoffizielle Begrenzungen von sich ständig wechselnden und konkurrierenden Machtstrukturen und Kontrollinstanzen die Medienarbeit ein. Es werden nach Ermessen Gesetze erlassen oder neue Namen auf schwarze Listen gesetzt. Die Pressekontrolleure haben freie Hand und können nach Belieben Themen als „Agitation gegen das System“ auslegen.
In einer solch chaotischen Situation fehlt eine eindeutige Instanz, die gegenüber den Medien Verantwortung übernehmen würde. Hinzu kommen zwei weitere Komponenten, die über das Schicksal von Journalisten und Medien entscheiden: die Zeit und die Besitzer der Medien, die von politischen Konstellationen oder vom Kapital getrieben werden und bei der Bestimmung des journalistischen Arbeitens ihrer eigenen Logik folgen.
Die Zensoren sitzen längst in den Köpfen der Autoren: sie sind vollkommen verinnerlicht.Ein großer Teil des Dürfens und Nichtdürfens ist also im Gesetz verankert. Aber die Mehrzahl der roten Verbotslinien wird in den Redaktionen gezogen, so dass sie sich mit der Zeit in den Köpfen von Redakteuren festgesetzt haben. Damit ist häufig keine Endredaktion mehr nötig, um die rote Linie einzuhalten. Die Autoren wissen selbst, welchen Teil und welche Themen sie streichen müssen. Welche Gespräche sie nicht hören und über welche Vergehen der Amtsträger sie hinweg schauen müssen. Die Zensoren sitzen längst in den Köpfen der Autoren: sie sind vollkommen verinnerlicht.
Dieser Zustand bringt es mit sich, dass die professionelle Verantwortung der Journalisten und die Bedeutung ihres Berufes verloren gegangen sind. Die Übertretung der roten Linien ist mit dem Verlust der Arbeit verbunden oder mit dem Verbot des Mediums. Die meisten Investoren wollen einem Verbot zuvorkommen, dabei sind sie selbst inzwischen vom System vorsortiert: denn nicht jeder darf ein Medienunternehmen gründen.
Die Vor-Auswahl der Journalisten geht mit dem Aussieben einer Denkrichtung und der Stärkung einer anderen einher. Die Nicht-Zulassung neuer Ideen und die Eingrenzung der Denkmuster in den Printmedien ähnelt der Vorgehensweise der Verstaatlichung des Radios und des Fernsehens: die Namen werden sich unterscheiden, aber die Inhalte sind der gleichen Idee entsprungen.

Die wenigen Kreativen sind schon seit Jahren in der Reihe der personae non gratae zu finden, ganz ohne eine staatliche Lizenz und Zulassung.

Wenn heute die Kritiker als Aufsässige bezeichnet und aus dem Betrieb gedrängt werden, sind es morgen die Gleichgesinnten; das Sieb wird immer feinmaschiger, bis alles einheitlich ist. Wenn sie keine Aufständischen (Grüne Bewegung) mehr haben, werden sie eine „abweichlerische Bewegung“ (Ahmadinedschads Anhänger) finden, oder selbst eine aufstellen.
Die Medienlandschaft in Iran ist heute so bestellt, dass niemand es vermag, zu einem „Stern“ aufzusteigen. Die wenigsten Sterne halten es kein Jahrzehnt aus. Sobald sie am Höhepunkt ihrer Arbeit angekommen sind, werden sie ausgeschlossen. Das betrifft die schreibende Zunft noch extremer. Es gab sehr wenige, die sich einen Namen machen und dabei dem Druck standhalten und sich noch unter dem eigenen Namen behaupten konnten (viele schreiben heute unter Pseudonym).
Es gibt wenige Kreative mit Ideen. Diese Wenigen sind schon seit Jahren in der Reihe der personae non gratae zu finden, noch bevor sie durch neue Siebe hindurch müssen und auch ohne eine staatliche Lizenz und Zulassung.
Der Nachwuchs hatte nie Gelegenheit, von der „alten Garde“ zu lernen, er ist zum „Fernschreiben“ verdammt und kann nur „Neuigkeiten transportieren“; für ihn ist Zensur ein integraler Bestandteil seiner Arbeit geworden. Von der nächsten Generation ganz zu schweigen.
Die herrschenden Vorschriften für die Erhaltung der Zulassung für einen Medienbetrieb bedrohen schon heute die Authentizität der Medien. Wenn die Selektion (mit dem neuen Gesetz) die unteren Ränge einschließt, werden die Medien vollständig an den Rand gedrängt werden.