Unruhestifter Internet
Der mächtige konservative Flügel innerhalb der iranischen Politik nutzt seit den monatelangen Proteste gegen die Wahlergebnisse von 2009 jede Möglichkeit, die Internetdienste anzugreifen, über die solche Protestaktionen organisiert werden könnten. Dabei haben sich Kontrolle oder Sperrung solcher Dienstes laut Kulturminister als ineffizient erwiesen.
Der iranische Generalstaatsanwalt Ebrahim Reisie verlangt eine strengere Kontrolle über WhatsApp und Co. Die sogenannten Instant-Messaging-Dienste würden von „Böswilligen“ zum „Anstiften von Verwirrung und Übel“ sowie zur „Bedrohung der familiären und sozialen Sicherheit“ im Iran ausgenutzt, sagte Reisie am vergangenen Sonntag.
Diese Äußerungen fielen kurz nach den Unruhen in Mahabad. In der Kleinstadt im iranischen Westen war Anfang Mai eine Hotelmitarbeiterin bei einem Sturz aus einem Fenster des Hotels ums Leben gekommen. Die aufgebrachte Bevölkerung, die glaubte, dass die Frau zuvor von einem Sicherheitsbeamten bedrängt worden war, setzte das Hotelgebäude in Brand. Die Bilder des Geschehens und die Aussagen von Augenzeugen sowie der Familie des Opfers verbreiteten sich rasch über die sozialen Netzwerke und Instant-Messaging-Dienste und wurden heiß diskutiert.
Der Generalstaatsanwalt machte ausländische Medien und das Internet für das „Provozieren des kollektiven Gefühls“ und das „Verbreiten von Lügen“ verantwortlich. Dies hätte in Mahabad zu einer „Krise“ geführt, so Reisie.
Im Jargon der iranischen Machthaber besteht bereits seit 2009 eine enge Verbindung zwischen den Begriffen „soziale Netzwerke“ und „Krise“. Damals hatten sich die Protestler gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen über soziale Netzwerke organisiert. Mittlerweile haben mobile Dienste wie WhatsApp, Viber oder Tango Netzwerke wie Facebook oder Twitter verdrängt und werden überwiegend als Kommunikationsmöglichkeit benutzt.
„Kein tatkräftiger Umsetzungswille“
Die Kontrolle dieser Internetdienste zweifeln zwar grundsätzlich weder die konservativen Kräfte noch die moderate Regierung von Hassan Rouhani an. Beide Seiten haben aber verschiedene Meinungen darüber, wie weit die staatliche Zensur eingreifen soll. Das ist auch den aktuellen Äußerungen des Generalstaatsanwalts zu entnehmen: Die Staatsanwaltschaft habe strenge Kontrolle der Internetdienste zwar stets „nachdrücklich verlangt“, bis jetzt aber „keinen tatkräftigen Umsetzungswillen feststellen können“, so Reisie.
Die konservative Justiz hat in der Vergangenheit sogar ihre Bereitschaft zu einer totalen Zensur der mobilen Dienste gezeigt. Im Herbst 2014 setzte die Generalstaatsanwaltschaft dem Kommunikationsministerium eine einmonatige Frist, für die Nutzung der mobilen Dienste klare Grenzen zu ziehen: Sonst drohe eine Vollsperrung der Dienste. Anlass waren im Internet kursierende Witze über den verstorbenen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini. Doch die staatliche Zensur hat sich seitdem nicht erweitert – und dafür soll sich Präsident Rouhani sogar persönlich eingesetzt haben.
„Ineffektive“ Methode
Als nun die Äußerungen des Generalstaatsanwalts die Debatte wieder entflammten, steuerte der Minister für Kultur und islamische Führung Ali Djanati dagegen: Er ließ wissen, dass sich Sperrungen und Kontrollmaßnahmen von Medien als „ineffektiv“ erwiesen hätten. Djanati bezog sich auf die Polizeimaßnahmen gegen TV-Satellitenantennen: Deren Verbot habe den Zugriff auf ausländische Sender nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: „Laut unseren Recherchen haben immer mehr Menschen eine Satellitenschüssel“, so Djanati. Er empfiehlt dagegen, Internet und Satelliten für eigene Interessen zu nutzen.
Der frühere Chef des staatlichen Fernsehens, Ezatollah Zarghami, schätzte kürzlich die Zahl der IranerInnen, die Satellitensendungen sehen, landesweit auf etwa 40, in Teheran sogar über 60 Prozent. Und der iranische Kommunikationsminister Waezie gab zu verstehen, ausländische Messaging-Dienste würden nicht gesperrt werden, solange keine inländischen Alternativen existierten. Bislang gilt das. Sollten sich jedoch Unruhen wie die in Mahabad vermehren, würde sich die Lage wohl ändern.
IMAN ASLANI