Opfer oder Täterin?
Das Todesurteil gegen die als Ehebrecherin und Mordhelferin verurteilte Sakineh Mohammadi-Ashtiani wurde im Iran lange kontrovers diskutiert. Die Meldung einer möglichen Begnadigung der 46-Jährigen erhitzt nun erneut die Gemüter.
Lange war es still geworden um Sakineh Mohammadi-Ashtiani. Dabei hatte ihr Fall vor einigen Jahren weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Die iranische Justiz hatte sie in zwei Gerichtsverfahren wegen Ehebruchs und Beihilfe zum Mord an ihrem Ehemann zum Tod durch Steinigung verurteilt. Die Vollstreckung des Urteils sollte eigentlich im Juli 2010 erfolgen. Doch nach massiven internationalen Protesten wurde die Steinigung ausgesetzt. Das Todesurteil jedoch blieb zunächst bestehen, bis die Familie des Opfers auf ihr islamisches Recht der „ausgleichenden Gerechtigkeit“ verzichtete und Mohammadi-Ashtiani schließlich zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt wurde.
Nun aber gibt es Neuigkeiten im Fall Mohammadi-Ashtianis: Laut dem Generalsekretär des iranischen Menschenrechtsrates, Mohammad Javad Larijani, wurde der heute 46-Jährigen wegen guter Führung nach fast acht Jahren hinter Gittern Hafturlaub gewährt. Die Nachrichtenagentur Fars News meldet sogar ihre Begnadigung.
Verständnis und Empörung im Netz
Dies wurde zwar bis dato von offizieller Seite nicht bestätigt. Doch die iranische Web-Community führt bereits heiße Diskussionen darüber, wie eine mögliche Freilassung Mohammadi-Ashtianis zu bewerten sei. Dabei gehen die Meinungen weit auseinander.
Die Mehrzahl der UserInnen begrüßt die Tatsache, dass Mohammadi-Ashtiani derzeit auf freiem Fuß ist. Manche zeigen gar Verständnis für ihre Taten, etwa Soheila: „Wir leben in einem Land, wo eine Frau sich ohne die Einwilligung ihres Ehemannes nicht scheiden lassen kann. Wir Frauen werden regelrecht gezwungen, unsere Ehemänner zu ertragen, auch wenn wir sie hassen. Manche können eben einen solchen Zustand nicht aushalten und handeln“, schreibt sie auf der Facebook-Seite BBC Persian.
Verständnis äußert auch der Facebook-User Alireza. Für ihn ist Mohammadi-Ashtiani ein Opfer der patriarchalischen Gesellschaft des Iran: „Männer, die ihre Frauen betrügen, müssen nichts befürchten. Im Rahmen der islamischen Zeitehe ist das sogar religiös legitimiert. Nur weil Sakineh eine Frau ist, drohte ihr die Steinigung.“
Andere UserInnen dagegen können eine mögliche Begnadigung Mohammadi-Ashtianis nicht nachvollziehen. Falls diese Ehebrecherin und Mörderin tatsächlich begnadigt wurde, sei das „wirklich eine Schande: Wenn sie schon mit dem Leben davon kommt, soll sie zumindest bis zu ihrem Lebensende hinter Gittern versauern“, empört sich Mehdi auf der Webseite Iranian UK. Für Jangande ist sogar eine Gefängnisstrafe nicht ausreichend: „Eine Frau, die Ehebruch begeht, hat den Tod verdient. Solche Frauen ekeln mich an.“
Zur Zielscheibe von Internet-UserInnen, die eine Begnadigung Mohammadi-Ashtianis ablehnen, wird auch der Westen: „Sie hat mit einem fremden Mann geschlafen und ihren eigenen töten lassen. Wie können der Westen und seine Medien nur eine solche Frau verteidigen?“, fragt Zahra, eine Leserin der konservativen Webseite Teribon Mostazafin, in einem Kommentar.
Internationaler Druck
Von jenen, die eine Freilassung der Verurteilten begrüßen, wird gerade die mediale Aufmerksamkeit als ausschlaggebend für ihre mögliche Begnadigung angesehen. „Hätte es diese internationale Aufmerksamkeit nicht gegeben, hätte das Regime im Iran Mohammadi-Ashtiani nie und nimmer freigelassen“, schreibt Tehruny auf dem Webportal Balatarin.
Für Samad steht fest, dass noch viel mehr möglich ist, wenn die Menschenrechtspolitik des Iran weiterhin international geächtet wird: „Wenn kontinuierlicher Druck auf das Regime ausgeübt wird, wird es nicht mehr lange dauern, bis auch Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi [die Führer der oppositionellen Grünen Bewegung; TFI] begnadigt werden“, schreibt er auf der Webseite Balatarin.
Jashar Erfanian