Es gibt kein Böses. Oder?

 Naana und Javad sind ein Liebespaar. Javad leistet die letzten Wochen seines Wehrdienstes ab und soll eine Hinrichtung vollziehen, um dafür drei Tage Urlaub zu bekommen. Er will Naana an ihrem Geburtstag besuchen und ihr einen Heiratsantrag machen. Als er dort ankommt, merkt er, dass die Familie in Trauer ist. Ein Freund des Sohnes ist hingerichtet worden. Bei der Trauerfeier entdeckt Javad, dass es jener Mann war, den er selbst vor einigen Tagen hingerichtet hat. Javad versucht, sich das Leben zu nehmen, scheitert jedoch. Obwohl er und Naana sich innig lieben, entscheidet sie sich, die Beziehung zu beenden.

Ein Nein-Sager

Die letzte Episode „Küsse mich“ – der Titel eines Liedes, das von einem Widerstandskämpfer vor der Hinrichtung zum Abschied gesungen wurde – erzählt die Geschichte von Mansour, der als Regimekritiker andere Menschen hinrichten soll. Der Familienvater weigert sich und schickt seine Tochter Darya zu einem Onkel nach Deutschland, damit sie in Freiheit aufwächst. Als die Mutter der Tochter folgen will, kommt sie ums Leben. Darya lebt bei ihrem Onkel, der sich als ihr Vater bezeichnet.

20 Jahre später leben Daryas leiblicher Vater Mansour und seine neue Frau Zaman zurückgezogen auf dem Land. Mansour ist krank und wird bald sterben. Er möchte zuvor seine Tochter sehen und ihr die Wahrheit sagen. Darya ist enttäuscht und will zurück nach Deutschland. Sie kann nicht verstehen, warum sie 20 Jahre lang belogen wurde und keiner nach ihrer Meinung gefragt hat.

Szenenfoto: Sheytan vojud nadarad - Foto: Berlinale.de
Szenenfoto: Sheytan vojud nadarad – Foto: Berlinale.de

Alle Episoden hätten etwas mit seiner Person, seinen Beobachtungen und Erlebnissen zu tun, die zum Teil lange zurück lägen, sagt Mohammad Rasoulof: „Etwa die erste Episode: Ich war in Teheran mit dem Auto unterwegs, als ich den Mann, der mich lange Zeit im Gefängnis und außerhalb verhört hatte, auf der Straße entdeckte. Ich war schockiert und aufgeregt, er war erstaunt. Er kam aus einer Bank und stieg in seinen Wagen. Ich bin ihm gefolgt, bis sich meine Aufregung und Verärgerung gelegt hatten. Mein erster Gedanke war, ich sollte sein Auto fotografien oder ihn selbst aufnehmen. Doch nach einer Weile habe ich festgestellt, wie normal er sich verhielt: Er war wie jeder andere Mensch auf der Straße. Da habe ich begriffen: Er ist kein Monster. Er ist nur ein Mensch, der sich wahrscheinlich selbst nicht fragt, warum er etwas tut, sondern alles, was die Obrigkeit ihm auferlegt, ohne zu reflektieren vollzieht.“

Mohammad Rasoulof ist 47 Jahre alt und in Shiraz geboren. Seine beiden Eltern waren Lehrer, Rasoulof studierte Soziologie und besuchte nebenbei Filmschnitt-Workshops am Sooreh Higher Education Institute in Teheran. Er stand bereits im Alter von acht Jahren auf Theaterbühnen. 2005 erhielt Rasoulof für seinen bisher einzigen Dokumentarfilm „Eiserne Insel“ den Preis der Filmkritiker beim Filmfest Hamburg. Er erzählt die Geschichte sunnitischer Iraner, die sich aus einem sinkenden Öltanker in die Wüste flüchten mussten.

Während gemeinsamer Dreharbeiten mit Regisseur Jafar Panahi über die Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 wurden beide im März 2010 verhaftet. Im Dezember 2010 wurde Rasoulof zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Mai 2011 wurde ihm überraschend gestattet, zu den Internationalen Filmfestspielen von Cannes zu reisen; sein Film „Be omid-e didar (Auf Wiedersehen)“ gewann dort den Regiepreis. 2017 wurde Rasoulof in die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) aufgenommen, die die Oscars vergibt.

Zur Verleihung des Goldenen Bären am Samstagabend in Berlin durfte Rasoulof nicht ausreisen. Seine Tochter Baran nahm den Preis für ihn entgegen.

Zur Startseite

Diese Beiträge können Sie auch interessieren:

Iranische Filmemacher auf der Berlinale

Die iranische Kinolandschaft unter Rouhani

Komödien angesichts von Tragödien