Von der Möglichkeit eines Krieges gegen den Iran

Der ehemalige Leiter der Nah- und Mittelostabteilung des iranischen Außenministeriums, Ghasem Mohebali, sprach Anfang Oktober mit dem Webportal Zeitoon über die Möglichkeit eines neuen Krieges in der Region. Seiner Beobachtung nach sind die regionalen Mächte mehr damit beschäftigt, den aufflammenden Konflikt zu managen, als Kriegspläne zu schmieden. Iran Journal veröffentlicht Auszüge des Interviews.

Herr Mohebali, was hat Ihrer Meinung nach die Reise des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani Ende September zu den Vereinten Nationen in New York bewirkt?

Ghasem Mohebali: Wenn die Erwartung war, dass Rouhani den Streit zwischen dem Iran und den USA beilegt, ist die Reise kein Erfolg gewesen. Aber wenn wir der Ansicht sind, dass die Möglichkeit bilateraler Verhandlungen zwischen dem Iran und den USA gar nicht vorhanden war und selbst multilaterale Verhandlungen zwischen dem Iran, den USA und der EU in der gegenwärtigen Situation nicht möglich sind, sollten wir nicht damit rechnen, dass die Reise den Konflikt beilegen konnte. Hassan Rouhani soll mit Donald Trump am Verhandlungstisch sitzen, während der US-Präsident gleichzeitig die Sanktionen gegen den Iran verstärkt? Das wäre weder sinnvoll noch Rouhani erlaubt gewesen. Der iranische Präsident kann eigenständig keine außenpolitischen Entscheidungen treffen. Er führt aus, was Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei beschließt. Solange die Situation nicht Khameneis Vorstellungen entspricht, kann Rouhani nicht mit dem amerikanischen Präsidenten verhandeln. Deshalb kann man davon ausgehen, dass Rouhanis Reise dazu bestimmt war, die Positionen des Iran zu erläutern und einen globalen Konsens gegen den Iran nach dem Angriff auf die Ölanlagen von Saudi-Arabien zu verhindern. Wenn der Zweck dieser Reise darin bestand, dann kann man sagen, dass dies weitgehend erreicht wurde. Die Reduzierung des Kriegsrisikos ist kein geringer Erfolg.

Hätte ein Treffen mit Trump dem Iran geholfen?

Ein Treffen kann hilfreich sein, um Spannungen abzubauen. Aber ein mit politischen Zielen verbundenes Treffen ohne Aushandlung einer klaren Agenda hat nur geringe inhaltliche Auswirkungen. Tatsächlich wäre ein Treffen in der gegenwärtigen Situation eher für Trump nützlich, der sich mit Themen wie Amtsenthebung und Vorbereitung der Wahlen befasst. Ein Treffen ohne vorher festgelegte Fragen hätte dem Iran kaum Nutzen gebraucht. Die USA hätten schon vor dem Austritt aus dem Atomabkommen verhandeln können, damit der Iran nicht soviel Schaden nimmt. Wenn sie die Sanktionen reduziert hätten, wären Gespräche zwischen beiden Präsidenten gerechtfertigt gewesen. Aber das war nicht der Fall.

Präsident Hassan Rouhani bei seiner Rede auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen
Präsident Hassan Rouhani hat bei seiner Rede auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen für seinen Friedensplan geworben

 
Was genau hätte besprochen werden können? Trump scheint, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Obama, keine klare Vorstellung von Verhandlungen zu haben.

Man muss die US-Regierung von den persönlichen Merkmalen von Herrn Trump trennen. Deshalb glaube ich, dass die Verhandlungen nicht mit ihm beginnen sollten. Sie sollten auf Expertenebene im Außenministerium beginnen oder mit dem Pentagon, dem regionalen Gesprächspartner des Iran. Dann können wir herausfinden, was ihre Wünsche sind, und sie sind sich auch unserer Wünsche bewusst. In Verhandlungen wird zwischen Proklamations- und Aktionspolitik unterschieden, und dementsprechend können Verhandlungen auf der Grundlage einer klaren Agenda geführt werden. Auf Trumps Worte kann man sich nicht verlassen, er kann seine Haltung jederzeit ändern. Darauf hat auch der frühere US-Außenminister Rex Tillerson hingewiesen. Und vor kurzem hat Mike Pompeo, der jetzige Außenminister, implizit dasselbe gesagt. Wenn es ein Abkommen geben sollte, sollte es eins zwischen dem Iran und den USA sein, nicht zwischen dem Iran und Trump. Wenn die Verhandlungsbasis auf Ebene der Experten konkret festgelegt ist, wird es auch einfacher sein, mit Trump zu verhandeln.

Der US-Präsident hat sich in den vergangenen Monaten gegen die Kriegsbefürworter in seiner Regierung durchgesetzt. Würde seine Amtsenthebung einen Krieg nicht wahrscheinlicher machen?

Diese Sorge gibt es, denn Vizepräsident Mike Pence ist radikaler als Trump. Die Amtsenthebung ist aber ein zeitaufwändiges Vorhaben, und es wird nicht mehr lange dauern, bis die US-Präsidentschaftswahlen stattfinden. Es ist unwahrscheinlich, dass Trumps Vize die USA am Vorabend der Wahl in einen Krieg mit dem Iran verwickeln würde, da das US-Militär und die CIA sowie das US-Außenministerium kein Interesse an einem Krieg mit dem Iran haben.

Halten Sie es für möglich, dass Trump einen solchen Krieg beginnen würde, wenn er keine Aussicht auf einen Wahlsieg sieht, um seine Chance auf eine Wiederwahl zu erhöhen?

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