Schwindende Hoffnung

Doch trotzdem will sich die Hoffnung auf ein besseres Leben nicht erfüllen, jedenfalls nicht so schnell, wie Rouhani es versprochen hat oder die Menschen es glauben wollten. Die Zahl der Arbeitslosen steigt weiter, mit ihr die Armut; ein Drittel der achtzig Millionen IranerInnen lebt nach offiziellen Angaben unter der absoluten Armutsgrenze. „Die Hoffnung schwindet“ – unter diesem zweideutigen Titel meldete in der vergangenen Woche die ultrakonservative Tageszeitung Keyhan, seit Vernunft und Hoffnung das Land regierten, seien 7.000 Fabriken mit jeweils 50 und mehr MitarbeiterInnen geschlossen worden.
Es ist wie eine Zeitenwende: Wollte man sich in der Vergangenheit richtig über die iranische Wirtschaft informieren, waren dafür oppositionelle und ausländische Medien unentbehrlich. Heute ist das nicht mehr so. Radikale Medien sind nun zum Sprachrohr der Verarmten mutiert. Die Misere der Wirtschaft ist ihr Hauptthema. „Vernunft und Hoffnung waren nicht anderes als leere Versprechen, um an die Macht zu gelangen“, so die Botschaft der mächtigen Hardliner, die in verschiedenen Variationen in den von ihnen kontrollierten Medien wiederholt wird.
Doch unabhängig von ihren politischen Motiven kommen die Momentaufnahmen der Radikalen der Realität sehr nah. Rouhanis Regierung ist aber mit Sicherheit nicht oder nicht in erster Linie dafür verantwortlich. Wollte man eine Rangliste der Gründe erstellen, wer oder was als Ursache für die Misere in Frage kommt, tauchte Rouhanis Regierung darauf mit Sicherheit ganz unten auf. Ganz oben rangierten neben den iranischen Radikalen jene Mächtigen in Washington, die Obamas Iran-Politik vereiteln wollen.
Notenbankchef als Zeuge der Anklage
Die Sanktionen gegen den Iran sind offenbar nur auf dem Papier aufgehoben, im realen Geschäftsleben gibt es fast unüberwindbare Hindernisse, verursacht durch das US-Finanzministerium. Denn Geschäfte auf Dollarbasis sind den iranischen Banken seit 2008 untersagt, so dass der Iran nicht an sein Geld im Ausland herankommt, obwohl das Land dort genug Dollarkonten besitzt. Weil dieses Verbot weiter gilt und es auch die Dollar-Konten bei europäischen Banken betrifft, kam es vor zwei Wochen am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington zu einem Eklat. Valiollah Seif, der Notenbankchef des Iran, der sonst als sanft und gelassen beschrieben wird, griff ungewöhnlich scharf die US-Administration an. Es sei Raub und Erpressung, wenn iranische Banken nach wie vor nicht an ihre Guthaben im Ausland herankämen und ihnen zahlreiche Geschäfte verwehrt blieben. Dies widerspreche den Vereinbarungen im Rahmen des Atomdeals, so Seif. Seit seinem bemerkenswerten Auftritt in Washington gilt der Notenbankchef den Hardlinern als Zeuge der Anklage gegen „Vernunft und Hoffnung“.
Kein Geschäft möglich

Arbeitssuchende in Teheran
Die Zahl der Arbeitslosen im Iran steigt minütlich – Foto: Arbeitssuchende in Teheran

Die ersten 33 iranischen Banken wurden zwar endlich wieder in das Swift-System aufgenommen. Doch von Transaktionen in Dollar sind sie weiterhin ausgeschlossen. Und es spielt dabei keine Rolle, ob ein iranisches Geldinstitut Auftraggeber oder Empfänger von Zahlungen ist. Eine europäische Bank macht sich in den USA strafbar, wenn sie im Auftrag eines iranischen Kunden Euro in Dollar oder umgekehrt wechselt. So sieht die Realität nach der Aufhebung der Sanktionen aus. Und das in einer Zeit, wo der größte Teil des internationalen Warenverkehrs immer noch in Dollar abgewickelt wird.
Republikaner blockieren
Das US-Finanzministerium hatte zwar zugesagt, diese Regelung aufzuheben, doch bisher ist nichts geschehen. Die Unsicherheit bleibe, weil den Banken nicht klar sei, welche Geschäfte sie wann machen dürften, sagen Banker in Europa. Um Probleme mit der US-Justiz und Milliardenstrafen zu vermeiden, lassen viele deshalb lieber ganz die Finger vom Iran-Geschäft.
Das Wall Street Journal hatte vor zwei Wochen berichtet, das US-Finanzministerium wolle europäische Banken mit Sondergenehmigungen ausstatten, um Dollar-Deals mit dem Iran zu erlauben. Kaum war diese Meldung in der Welt, da verkündeten republikanische Senatoren, man werde im Kongress einen Gesetzesvorschlag einbringen, um die Dollar-Sperre gegen den Iran aufrechtzuerhalten.
Außenminister Zarif bittet, fleht und warnt
„Vernunft und Hoffnung“ seien in Gefahr, schrieb vergangenen Mittwoch wörtlich der iranische Außenminister Javad Zarif in einem Gastbeitrag für die Washington Post. Der Artikel liest sich wie ein Hilferuf an die Mächtigen in Washington. Niemand solle glauben, im Nahen Osten breche eine bessere Zukunft an, „wenn wir scheitern“, schrieb Zarif dort flehend und warnend zugleich.
Wenn die Amerikaner selbst mit dem Iran keine Geschäfte machen wollten, sei das ihr Problem: „Aber sie sollten die Europäer nicht daran hindern, mit uns Handel zu treiben.“ Diesen Satz wiederholte Zarif in den vergangenen Tagen in Washington Dutzende Male. Wird er gehört? Schwer zu sagen. In Teheran hat Rouhani zunehmend Schwierigkeiten, seinen Gegnern und Anhängern klar zu machen, dass „Vernunft und Hoffnung“ doch noch Früchte tragen könnten.
  ALI SADRZADEH
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