Die Achse des Bösen ist wieder da

Eine angenehme Stimme übersetzte Trumps Rede simultan und gekonnt ins Persische. Zunächst. Als sich Trump dann den Iran vornahm, geriet der Übersetzer hörbar ins Schleudern. Denn was der US-Präsident da über den Iran sagte, das war im staatlichen Fernsehen einfach nicht sendefähig. Egal wie man die Worte und Sätze umzudeuten und zu ändern versuchte: Es war nicht möglich. „Ein Terrorregime, das sich eine demokratische Maske gibt und sein eigenes Volk unterdrückt, ein Regime, das nur Terror exportiert“ – was kann ein Übersetzer im iranischen Fernsehen mit solchen und ähnlichen Sätzen tun? Was wird nach der Sendung geschehen?
Der Übersetzer wählte zunächst die zweitbeste Lösung, nämlich das Schweigen. Doch die Iranpassage der Rede war zu lang, um sie mit Schweigen zu überstehen. Es folgten dann nichtssagende Redewendungen und lächerliche Wortfetzen. Trumps Rede konnte man auch nicht auf Webseiten oder in Zeitungen in Gänze lesen. Trump habe beleidigt und beschimpft, das war die Linie der Wiedergabe, an die sich alle hielten, die Zeitungen der Reformer inklusive.
Nur die Revolutionsgarde bleibt wahrheitsgetreu
Nur eine tanzte aus der Reihe: die Webseite der Zeitung Javan. Sie gehört den Revolutionsgarden und hat ausgesuchte Adressaten, ihre Leser sind Gardisten und ihre Familien oder überzeugte Anhänger. Javan gab wenige Stunden später – wahrheitsgemäß und korrekt übersetzt – alles wieder, was Trump zum Iran gesagt hatte. Nichts wurde ausgelassen, nichts abgemildert. Doch diese Wahrheitstreue der Revolutionsgarden hat einen realen politischen Hintergrund.
„Schmerzhafte Antworten sind auf dem Weg“
Wenige Stunden danach erschien der oberste Kommandant der Revolutionsgarde, Ali Djafari, vor der Presse und verlangte eine totale Revision der iranischen Politik gegenüber den USA. Er forderte den in New York weilenden Staatschef Rouhani auf, Trumps Schimpftiraden mit gleicher Münze heimzuzahlen. Am Ende seines kurzen Statements sagte der General, er bedanke sich bei Trump, der Amerika demaskiert habe, und fügte hinzu: „Es sind schmerzhafte Antworten auf dem Weg, die er in den nächsten Tagen spüren wird.“

Dieses Foto kursiert seit Sonntag, den 24. November, in der persischsprachigen Internetgemeinde. Es zeigt den iranischen Außenminister M. Javad Sarif (li.) und seinen US-amerikanischen Amtskollegen John Kerry beim Händeschütteln nach der "historischen Einigung" zwischen dem Iran und dem Westen zur Lösung des Atomkonflikts -. Foto: Fararu.com
Ein Foto, das auf eine friedliche Lösung des Atomkonflikts vermuten hindeutete: Irans Außenminister M. Javad Sarif (li.) und sein damaliger US-amerikanischer Amtskollege John Kerry beim Händeschütteln nach der „historischen Einigung“ zwischen dem Iran und dem Westen zur Lösung des Atomkonflikts -. Foto: Fararu.com

Die vergebliche Seelensuche
Doch Rouhani blieb bei seiner Rede vor den UN konziliant und moderat. Bei einer anschließenden Pressekonferenz sagte er deutlich, das Atomabkommen sei nicht mehr verhandelbar, und forderte die Europäer auf, Druck auf die USA auszuüben, damit sie sich wie der Iran auch an das Abkommen hielten.
Doch den USA geht nicht um den Wortlaut des Abkommens, sondern um dessen „Geist“. Selbst US-Außenminister Tillerson bescheinigte dem Iran, die Auflagen des Abkommens bislang erfüllt zu haben. Er warf Teheran aber erneut vor, die Sicherheit im Nahen Osten zu bedrohen. Mit dem Atomabkommen sei die Erwartung verbunden gewesen, dass die iranische Regierung einen Beitrag zum Frieden in der Region leiste, sagte Tillerson.
Es geht um „Geist des Abkommens“. Und es ist in der Tat schwierig, einen passenden Geist für einen Körper zu finden, der den umständlichen Namen „Joint Comprehensive Plan of Action” trägt, was man mit „gemeinsamer Aktionsplan“ übersetzen könnte.
Diesen Geist sucht auch der oberste Geistliche des Iran, Ayatollah Ali Khamenei. Den dazugehörigen Körper kennen beide Seiten seit zwei Jahren, aber wie genau seine Seele auszusehen hat, da hat jeder seine eigene Vorstellung. Tillerson spricht von iranischen Raketentests sowie der Rolle des Iran in den Konflikten in Syrien, im Jemen und im Irak. Und Khamenei, der omnipotente Mann in Teheran, geißelt immer wieder die USA, die ihre Zusagen nicht einhielten und ständig ihre Sanktionen gegen den Iran verschärften.
Europa soll helfen
Zwischen Trump in Washington und den Radikalen zu Hause sucht der moderate Präsident einen Ausweg und glaubt fündig geworden zu sein: Europa soll alles retten. In New York traf er sich mit dem französischen Präsidenten, der britischen Premierministerin und vielen anderen europäischen Diplomaten, und alle versprachen ihm, sie würden sich an das Abkommen halten. Die französischen Öl- und Automobilkonzerne haben seit dem Abkommen mehrere Milliarden Dollar im Iran investiert. Einen Tag nach Trumps Auftritt in New York unterzeichnete der britische Energiekonzern Quercus eine Vereinbarung mit dem iranischen Energieminister für ein gigantisches Solarprojekt, das sechstgrößte seiner Art weltweit.
Doch die Europäer halten sich trotz eigenem Interesse an dem Abkommen eine Hintertür offen. Vor allem Emmanuel Macron, der nach Trumps Rede mehr als eine Stunde mit Rouhani gesprochen hatte, macht danach deutlich klar, er wolle den Amerikanern entgegenkommen und über zusätzliche Elemente des Vertrags verhandeln. Macron beharrte auch darauf, der Iran müsse sein Verhalten in Syrien ändern. Er habe sich sogar als Vermittler zwischen dem Iran und den USA angeboten, berichtete am Mittwoch die New York Times.
Wieder jahrelange Verhandlungen und Sanktionen
Am 15. Oktober will Trump der Welt seine endgültige Entscheidung präsentieren. Er wird höchstwahrscheinlich verlangen, dass die Auslaufklausel des Abkommens geändert werden soll, vor allem aber, dass der Iran sich in Syrien, dem Irak und dem Libanon umorientieren müsse. Irans Präsident Rouhani ahnt, was auf ihn zukommt. Bei seiner Pressekonferenz sagte er, das Abkommen sei wie ein Gebäude: Ziehe man ein tragendes Element heraus, stürze das Ganze ein. Und so leicht wird der Iran seine regionale Politik nicht ändern wollen und können. Wie auch immer: So oder so stehen Rouhani und vielen Regierungen, die nach ihm kommen mögen, wieder jahrelange Verhandlungen bevor – gekoppelt mit anhaltenden US-Sanktionen. Man ist wieder dort angelangt, wo man schon einmal war. Wer den längeren Atem hat, ist schwer vorauszusagen. In der Realität bedeutet es jedoch den weiteren Niedergang der iranischen Wirtschaft und die Zunahme der Macht der Radikalen. Dazwischen befindet sich ein 80-Millionen-Volk, das sich in seiner überwiegenden Mehrheit nach besseren Tagen sehnt – und niemandem mehr traut, weder den Machthabern zuhause noch denen im fernen Ausland.
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