Die Achse des Bösen ist wieder da

Die USA wollen das Atomabkommen mit dem Iran in seiner jetzigen Form nicht akzeptieren. Sie wollen Elemente der internationalen Vereinbarung neu verhandeln. Mehr noch: Sie wollen auch über den „Geist“ des Abkommens sprechen und geißeln die Politik des Iran in der Region. Auch Ali Khamenei, oberster Geistlicher des Iran, sucht nach dem Geist des Abkommens. Währenddessen dauern die Sanktionen an. Präsident Hassan Rouhani laviert zwischen Trump und den Radikalen zuhause – und wünscht sich die Europäer als Vermittler.
Von Ali Sadrzadeh
Am Tag danach sieht man in Teheran die Welt klarer. Das Rad der Geschichte ist zurückgedreht, wir befinden uns wieder im Jahr 2003: Die Achse des Bösen ist zurück – trotz des Atomabkommens zwischen dem Iran und den Weltmächten und obwohl sich alles zu beruhigen schien.
Man kann US-Präsident Donald Trump vieles vorwerfen, aber nicht, dass er kompliziert formuliere. Seine Jungfernrede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am Dienstag war deutlich, schlicht und für alle verständlich. Nun wissen wir: Das dringendste Problem der Welt ist die Achse des Bösen, gegen die sich die Menschheit erheben muss. Ein altbekannter Feind: Einst saßen auf dieser von Trumps Vorvorgänger George W. Bush kreierten Achse drei Länder – Irak, Iran und Nordkorea. Saddam Hussein, der Böse in Bagdad, ist längst Geschichte. Geblieben sind laut Trump „der Raketenmann in Pjöngjang, der Selbstmord begehen will“ und „das Mörderregime in Teheran“, das eine ganze Region destabilisiere.
Was mit diesen noch verbliebenen „Schurkenstaaten“ auf der alten Achse geschehen soll, daran ließ Trump keinen Zweifel. Zunächst rief er der Weltgemeinschaft in Erinnerung, dass die USA die stärkste Militärmacht der Welt seien. Und erklärt, er habe den Militärs seines Landes in diesem Jahr „700 Milliarden Dollar, eine noch nie dagewesene Summe“ zur Verfügung gestellt. Dann nahm er sich Nordkorea vor. Den „suizidalen Raketenmann“ in Pjöngjang werde er samt seines gesamten Landes – wenn es sein müsse – vernichten. So einfach, so schlicht und so klar. Viele mögen es als völkerrechts- und sittenwidrig empfinden, wenn einem ganzen Land samt seiner Bevölkerung mit Vernichtung gedroht wird, weil man mit der Regierung dieses Landes Konflikte hat. Aber Präsident Trump wurde nicht zuletzt wegen seiner klaren Sprache gewählt.
Doch mit dem Iran befasste sich Trump noch viel ausführlicher. Es sei Zeit, einen gefährlichen und aggressiven Schurkenstaat zu bekämpfen – ein korruptes und diktatorisches System, das sich hinter einer demokratischen Maske verberge und sich Massenvernichtungswaffen aneignen wolle. Er vergaß nicht zu erwähnen, der Iran habe eine lange Geschichte und eine reiche Kultur. Dann griff er die iranische Einmischung im Irak, in Syrien und im Jemen auf und kam schließlich zum Atomabkommen. Zwar sagte Trump nicht ausdrücklich, dass er aus dieser Vereinbarung austreten wolle. Doch er bezeichnete das Abkommen als beschämend und den „schlechtesten Deal“, den er je gesehen habe. Trump ist bekanntlich ein Mann mit Erfahrungen im Showgeschäft und da zählt nur die Spannung. Er habe über das Atomabkommen längst entschieden und werde seine Entscheidung bald bekannt geben, sagte Trump öfter in den vergangenen Tagen.
Seelensucher
Die Weltgemeinschaft hatte 13 Jahre lang verhandelt, bis vor zwei Jahren eine Einigung mit dem Iran erzielt werden konnte. Das Abkommen umfasst 100 Seiten und hat fünf so genannte technische Anhänge. Seine Umsetzung wird durch eine gemeinsame Kommission aus Vertretern des Iran und der so genannten 5 +1 (fünf ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland) überwacht. Die Einhaltung des Abkommens wird seit zwei Jahren vertragsgemäß von den Experten der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) überprüft. Bis zu 25 Jahre lang sollen sie sämtliche iranische Atomanlagen einschließlich der Forschungs- und Produktionsstätten kontrollieren. Darüber hinaus hat die IAEA das Recht zu kurzfristig angekündigten Inspektionen. Seit dem das Abkommen in Kraft ist, hat die IAEA sieben Mal bestätigt, dass der Iran sich strikt an allen Regelungen dieser Einigung halte.
Im Gegenzug sollten die USA, die EU und die Vereinten Nationen ihre Sanktionen gegen den Iran aufheben. Das Waffenembargo soll bestehen bleiben. Verstößt der Iran gegen die Auflagen, die im Abkommen geregelt sind, greifen die Sanktionen wieder.

Hassan Rouhani bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung
Hassan Rouhani bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung

Das Abkommen funktioniert
Der Iran unterliege „der weltweit strengsten Überwachung eines Atomprogramms“, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano vergangenen Montag zum Auftakt der Generalkonferenz der Organisation in Wien. Niemand widersprach ihm, selbst der US-Vertreter nicht. Die Generalversammlung jedenfalls segnete die Verlängerung des Vertrags von Amano für weitere vier Jahre an der Spitze der IAEA ab.
Auslaufklausel und noch mehr
Wenige Stunden nach Trumps Auftritt vor der UN-Vollversammlung erschien sein Außenminister Rex Tillerson im Fernsehsender Fox News und forderte eine Änderung des Abkommens. Andernfalls könnten die Vereinigten Staaten nicht länger Teil des Pakts sein. Tillerson kritisierte vor allem die Auslaufklauseln in dem Abkommen. Der Vertrag sei nicht streng genug und reiche nicht aus, um das Atomprogramm Irans zu bremsen. „Wir können beinahe den Countdown zählen bis zu dem Moment, wo sie ihre Atomwaffenfähigkeiten wieder herstellen werden.“
Tags darauf wiederholte Tillerson diese Position in einem Gespräch mit seinen Kollegen aus Großbritannien, Frankreich, Russland, China, Deutschland und dem Iran in New York. Und nach diesem Treffen war klar, die USA wollen dieses mühsam erzielte Abkommen wieder aufschnüren.
Die alarmierte Weltgemeinschaft
Am deutlichsten äußerte sich der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel: „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Iran seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Andererseits muss man die allergrößte Sorge haben, dass das Abkommen trotzdem zerstört wird.“
Es drohen also wieder lange Verhandlungen und neue Sanktionen. Und wie erzählt man nun diese bittere Wahrheit dem eigenen Volk? Zunächst gar nicht. Trumps Rede vor der UN wurde auch im iranischen Fernsehen direkt übertragen. Denn aus den sozialen Medien wussten längst fast alle Iraner, dass der US-Präsident in seiner Rede Wichtiges und Entscheidendes über das Atomabkommen sagen würde.
Trump im iranischen Fernsehen
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