Frauenkonferenz kritisiert Politik und Gesellschaft

Erstmals nach vielen Jahren durften FrauenrechtlerInnen eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag abhalten. Die nutzten sie, um deutliche Kritik zu äußern.
„Obwohl wir bereits seit langem die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fordern, werden Frauenrechte im Iran immer noch mit Füßen getreten. Aber solange wir Frauen uns nicht stärker in zivilgesellschaftliche Bewegungen integrieren, wird unser Wunsch nach Gleichberechtigung niemals Realität werden“, mahnte die Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi in ihrer kämpferischen Rede anlässlich des Internationalen Weltfrauentags.
Mohammadi ist eine der gesellschaftlichen AktivistInnen, die sich vergangenen Donnerstag in Teheran zu einer eintägigen Konferenz trafen, um die Situation der Frauen im Iran zu diskutieren. Es war die einzige Veranstaltung dieser Art, die anlässlich des diesjährigen Frauentags im Iran stattfinden durfte. Dass sie überhaupt möglich war, ist der Regierung des moderaten Präsidenten Hassan Rouhani zu verdanken. Diese versucht gegen den Widerstand ultrakonservativer Kräfte die Islamische Republik politisch vorsichtig zu öffnen. Politische und gesellschaftliche Gruppierungen sollen mehr Freiheiten bekommen, so wie es während der Reformära unter Präsident Mohammad Khatami von 1997 bis 2005 bereits der Fall war.
Kritik am Status Quo

Dِie einzige Veranstaltung der Frauenaktivistinnen, die anlässlich des diesjährigen Frauentags im Iran stattfinden durfte!
Dِie einzige Veranstaltung der Frauenaktivistinnen, die anlässlich des diesjährigen Frauentags im Iran stattfinden durfte! – Foto: feministschool.com

Genau solche Freiheiten wurden auch auf der Frauenkonferenz gefordert: „Alle Einschränkungen, die die Aktivitäten sozialer Bewegungen behindern, müssen von der Politik umgehend beseitigt werden“, so Narges Mohammadi. Dies sei ein „Hauptanliegen der Frauenbewegung“.
Dass die iranische Frauenbewegung gesamtgesellschaftliche Ziele verfolgt und keine „One-Issue“-Bewegung ist, machten auch andere Rednerinnen deutlich. Die Verlagschefin Shahla Lahiji etwa beklagte, dass das iranische Kultusministerium seine Politik gegenüber der Vorgängerregierung nicht deutlich genug verändert habe: „Noch immer werden reihenweise Bücher meines Verlags zensiert“, so Lahiji.
Auch die prominente Menschrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh warnte die KonferenzteilnehmerInnen davor, sich nur auf den Kampf für Gleichstellung zu reduzieren: „Wenn wir als Menschen über die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sprechen, dürfen wir auch nicht über die vom Regime begangenen Menschenrechtsverletzungen der 80er Jahre schweigen“, so Sotoudeh, die erst im vergangenen September nach langjähriger Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen wurde. Sie drückte ihre Solidarität mit den Angehörigen politischer Gefangener aus, die bei der Konferenz anwesend waren.
Zwischen Frust und Hoffnung
Der Autor und Übersetzer Babak Ahmadi als Gastredner auf der Frauenkonferenz: Die Unterdrückung der iranischen Frau wird von uns Männern vorangetrieben! - Foto: feministschool.com
Der Autor und Übersetzer Babak Ahmadi als Gastredner auf der Frauenkonferenz: Die Unterdrückung der iranischen Frau wird von uns Männern vorangetrieben! – Foto: feministschool.com

Einig waren sich die TeilnehmerInnen der Konferenz auch darüber, dass für die Umsetzung von Frauenrechten Politik und Gesellschaft zu einem ernsthaften Umdenken bereit sein müssen. „Der Islam muss dahingehend reformiert werden, dass Frauenrechte als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden“, so die Koranexpertin und Angehörige des Islamischen Verbands der Frauen Azam Taleghani. Widerstand aus Politik und chauvinistischen Teilen der Gesellschaft würde aber Reformen verhindern.
Um die Situation der Frauen zu verbessern, sei deswegen auch die Solidarität der iranischen Männer notwendig, so der Schriftsteller und Frauenrechtler Babak Ahmadi: „Die Unterdrückung der iranischen Frau wird von uns Männern vorangetrieben. Aber wir können eben auch entscheidend zur Befreiung der Frau beitragen.“ Bewiesen habe das die „Eine-Million-Unterschriften“-Kampagne aus dem Jahr 2006, zu deren UnterzeichnerInnen auch viele Männer gehörten. Sein Traum sei, „in einem Land zu sterben, in dem Frauen und Männer die gleichen Rechte haben“, sagte Ahmadi nachdenklich.
Ob dieser Traum Realität wird, ist allerdings mehr als fraglich. Denn die mächtigen Konservativen der Islamischen Republik haben es in der Vergangenheit immer wieder verstanden, Reformen, die weitreichende Folgen für die Gesellschaft hätten, im Keim zu ersticken oder rückgängig zu machen.
  Jashar Erfanian