Düstere Bilanz zum Tag der Menschenrechte
Der 10. Dezember ist der Tag der Menschenrechte. Iranische MenschenrechtsaktivistInnen ziehen an diesem Tag wie in den Jahren zuvor auch 2014 eine düstere Bilanz. Trotzdem wird weiter für Menschenrechte im Iran gekämpft. Auch von Nürnberg aus.
„Die Menschenrechtslage im Iran ist unter Präsident Hassan Rouhani nicht besser geworden“, sagte jüngst die iranische Menschenrechtlerin Shirin Ebadi der Nachrichtenagentur Associated Press. „Sie hat sich zum Teil im Vergleich zur Amtszeit seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad sogar verschlechtert.“ Menschenrechtsorganisationen kritisieren etwa die hohe Zahl von Hinrichtungen seit dem Amtsantritt des als moderat geltenden Staatspräsidenten im August 2013. Allein im vergangenen Monat sollen Berichten zufolge 43 Menschen exekutiert worden sein. „Im Schnitt sind während der Amtszeit Rouhanis täglich drei Menschen hingerichtet worden. Viele von ihnen waren politische Häftlinge“, so Ebadi.
Frauen und JournalistInnen in der Schusslinie
Auch bezogen auf andere Felder gibt es Tadel für den Iran: Zuletzt kritisierten Frauen- und MenschenrechtsaktivistInnen das gesellschaftlich raue Klima für Frauen. In den vergangenen Wochen und Monaten ist es in einigen iranischen Städten zu Gewalt gegen Frauen gekommen. Während in Isfahan mutmaßlich religiös-konservative Täter Frauen mit Säure attackierten, wurden in der Kleinstadt Dschahrom IranerInnen Opfer von Messerangriffen. Dies sei Folge eines Gesetzes, das Anfang November vom iranischen Parlament verabschiedet wurde, sagen KritikerInnen des parlamentarischen Vorstoßes. Das „Gesetz zur Förderung der Tugend und Verhinderung der Laster“ verpflichtet Muslime, ihre Mitmenschen auf die Einhaltung religiöser Vorschriften in der Öffentlichkeit hinzuweisen. Manche Fanatiker sind der Meinung, dass man dabei auch Gewalt anwenden könne, um Verstöße durch Angst und Schrecken zu verhindern.
Schlecht ist laut der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) auch die Situation der JounalistInnen im Iran: Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit belegt der Gottesstaat unter 180 Ländern Platz 173. Aktuell sind 19 JournalistInnen und 27 BloggerInnen und Online-AktivistInnen in Haft, teilweise ohne den Grund für ihre Inhaftierung zu kennen.
Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen
Doch die Missachtung von Menschenrechten soll, wenn es nach dem Willen von Menschenrechtsorganisationen und –aktivistInnen geht, nicht hingenommen werden. 30 iranische und internationale Menschenrechtsgruppen haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die Vereinten Nationen (UN) aufgefordert, den Iran in einer Resolution für seine Menschenrechtspolitik zu ächten. Der Resolutionsentwurf kritisiert etwa die Häufigkeit der Anwendung der Todesstrafe, von der nicht selten auch Minderjährige betroffen sind, aber auch Versäumnisse in der Minderheitenpolitik der Islamischen Republik. „Eine Annahme der Resolution wäre eine Botschaft an das iranische Volk, dass die Weltgemeinschaft es nicht vergessen hat“, heißt es in der Stellungnahme der MenschenrechtlerInnen dazu.
Dass die Regierung Rouhani im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen ein ernstzunehmender Partner sein kann, bezweifelt die Juristin Ebadi: Zwar versuche Rouhani, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Ahmadinedschad, die Menschenrechtssituation zu verbessern, doch scheitere er stets am massiven Widerstand seiner mächtigen konservativen Gegner, so Ebadi: „Deswegen sitzen heute viele JournalistInnen, Feministinnen, Studierende und AktivistInnen der Zivilgesellschaft in den Gefängnissen.“
Facebook-Aktion soll auf Unrecht aufmerksam machen
Einer dieser Inhaftierten ist der iranische Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani. Seit
über drei Jahren sitzt der Träger des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises nun im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran. Wenn es nach dem Willen der iranischen Justiz geht, muss Soltani noch zehn weitere Jahre im Gefängnis bleiben – und das, obwohl er mit ernsten gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat. Alle Versuche, etwa über diplomatischen Druck, die Freilassung des Anwalts zu erreichen, waren bis jetzt erfolglos.
Nun soll eine Internet-Kampagne zur Freiheit Soltanis führen: Die in Nürnberg lebende Tochter des Inhaftierten, Maede Soltani, hat zusammen mit der SPD-Politikerin Gabriela Heinrich und dem CSU-Mann Michael Frieser die Facebook-Aktion Kochen für Soltani ins Leben gerufen. Hinter der Aktion steht eine simple Idee: Man lädt Abdolfattah Soltani – oder andere politische Gefangene im Iran – symbolisch zum Essen zu sich nach Hause ein. Der Platz des Gastes am Esstisch bleibt leer, weil die Eingeladenen im Gefängnis sind. Dies dokumentieren die TeilnehmerInnen der Aktion mit einem Foto, das sie selbst auf Facebook stellen oder an die InitiatorInnen der Kampagne weiterleiten. Ziel der Aktion ist es, die Zuständigen im Iran sichtbar auf die Abwesenheit der Inhaftierten und das Unrecht, das ihnen widerfährt, aufmerksam zu machen.
Im Gespräch mit TFI zeigt sich Maede Soltani zufrieden mit dem Erfolg der Kampagne: „Die große Resonanz auf unsere Aktion ist der Beweis dafür, dass vielen Menschen das Schicksal meines Vaters und anderer politischer Häftlinge am Herzen liegt. Unseren Familien tut diese weltweite Solidarität sehr gut.“ Sie freue sich darüber, dass es auch im Iran Menschen gebe, die sich an der Aktion beteiligten, so Soltani: „Aber gleichermaßen bewegt es mich, wenn ich sehe, dass etwa eine Pfarrerin aus Nürnberg ein Foto meines Vater auf ihren Esstisch stellt und auf Facebook darauf hinweist, dass es während der Weihnachtszeit viele Familien gibt, die nicht zusammen sein können, weil Mitglieder im Gefängnis sitzen.“
NAHID FALLAHI
Übersetzt aus dem Persischen und überarbeitet: JASHAR ERFANIAN