Ein antifeministisches Manifest
Der neue Film des iranischen Regisseurs Jafar Panahi kommt im Dezember in deutsche Kinos. Fahimeh Farsai hat den Film gesehen.
Ein leerer Stuhl, minutenlanger Applaus und ein Preis – das ist mittlerweile fester Bestandteil jedes europäischen A-Filmfestivals, dem der iranische Regisseur Jafar Panahi ein frisch gedrehtes Werk via spektakulärer Schmuggelaktion zuschickt. Nach demselben Muster lief der Film „Drei Gesichter“ im Mai 2018 auch im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes und gewann den Preis für das beste Drehbuch. Es ist bereits der vierte Film Panahis, nachdem dieser 2010 vom Mullah-Regime zu einem 20-jährigen Berufs- und Reiseverbot verurteilt wurde.
Zweites Roadmovie
In „Drei Gesichter“ setzt sich Panahi wie in seinem erfolgreichen Film „Taxi“ (Goldener Bär – Berlinale 2015) wieder ans Steuer . Diesmal, um das Geheimnis eines Handyvideos zu lüften, das er über Social Media erhalten hat. Adressatin des Videos ist eigentlich die populäre Film- und TV-Schauspielerin Behnaz Jafari: Ein verzweifeltes Mädchen namens Marziyeh (Marziyeh Rezaie) aus der nordwestiranischen Bergregion wirft Jafari vor, ihr trotz zahlreicher Bitten nicht geholfen zu haben, Schauspielerin zu werden. Das Mädchen behauptet, dass sie ihre Eltern hätte überzeugen können, ihr den Besuch einer Schauspielschule in Teheran zu erlauben. Doch nun haben ihre Eltern sie gezwungen, zu heiraten und damit ihre große Leidenschaft aufzugeben. So sieht sie keinen anderen Ausweg mehr, als sich umzubringen. Am Ende des Videos erhängt sich die verzweifelte junge Frau.
Fake-Video?
Echt oder fake? Auf der Suche nach einer klaren Antwort machen sich Panahi und Jafari auf den Weg in die Gebirge Aserbaidschans. Die Locations sind zugleich die Geburtsorte der Eltern und Großeltern des Regisseurs. Auch die Protagonistinnen spielen sich selbst: Marziyeh Rezaie, Behnaz Jafari und Shahrzad. Shahrzads Gesicht bekommt man aber nie zu sehen. Denn sie spielte vor der iranischen Revolution von 1979 in den Filmen von bekannten Regisseuren wie Massud Kymiai Tänzerinnen oder Prostituierte. Weil unter dem heutigen Mullah-Regime öffentliches Tanzen und Singen für Frauen verboten sind, sieht man sie nur als Schatten hinter einem Vorhang, um ihre Identität nicht preiszugeben.
Das vergessene vierte Gesicht
Es gibt noch eine bekannte Frau im Film, deren Namen Panahi nicht in dessen Titel integriert hat: Die Regisseurin Manijeh Hekmat. Seit den 1980er Jahren ist sie als Filmemacherin und Produzentin im Filmgeschäft erfolgreich. 2002 drehte sie ihren ersten Spielfilm „Women’s Prison“. Der Film wurde auf über 80 internationalen Filmfestivals gezeigt und erhielt sieben Preise.
In „Drei Gesichter“ hören wir nur Hekmats Stimme, obwohl sie als Vermittlerin eine wichtige Rolle spielt. Ohne sie hätte Panahi nämlich die Schauspielerin Jafari nicht ausfindig machen können: Hekmat hat Kontakt zu Jafari, weil sie gerade mit ihr als Hauptdarstellerin die letzten Sequenzen ihres neuen Films dreht. Hekmat ist später restlos enttäuscht, als Jafari am letzten Drehtag nicht wie geplant am Drehort auftaucht, ohne ihr davon Bescheid zu geben. Denn am selben Tag ist die Schauspielerin, geplagt von ihrem schlechten Gewissen, mit Panahi nach Aserbaidschan unterwegs.
„Mutige und selbstbewusste Frauen“?
Fortsetzung auf Seite 2