Die Bildungsparias: Diskriminierung der Bahai-Gemeinde

In einem Revisionsurteil wurde das gesamte ehemalige Führungsgremium der Bahai-Gemeinde in der vergangenen Woche zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die zwei Frauen und fünf Männer sind bereits seit Mai 2008 wegen Spionagevorwürfen im Ewin-Gefängnis inhaftiert.
Berichte über Benachteiligung und Kündigung von Arbeitern und Angestellten der religiösen Minderheit sind an der Tagesordnung. In der vergangenen Woche wurden 25 Bahai-Angestellte des Türherstellers Achilan-Door entlassen, zuvor waren der Geschäftsführer und sechs weitere Mitarbeiter vom Geheimdienst der Revolutionswächter verhaftet worden – ebenfalls unter dem Vorwurf der Spionage für Israel: Die automatischen Türen sollen Spionageelemente enthalten, und ihre Nutzung wurde nun aus Sicherheitsgründen verboten.
Auch der systematische Ausschluss der Jugend der Bahai-Gemeinde von Bildungseinrichtungen hat eine lange Tradition in der Islamischen Republik.
Die sogenannte Kulturrevolution hatte zur Folge, dass bereits in den Anfängen der Republik der Druck auf das aus der religiösen Minderheit der Bahai stammende Corpus Academicum immens stieg. Die meisten Professoren und Studenten wurden von der Universität relegiert und haben bis heute, wenn überhaupt, erschwerte Zutritts-Chancen.
Die Kulturrevolution begann Anfang der 1980er Jahre und führte zur Schließung der Universitäten für drei Jahre, damit das gesamte Lehrmaterial dem islamischen Recht und den Vorstellungen der neuen Machthaber angepasst werden konnte. Nach der Wiedereröffnung konnten sich Bahais nicht mehr an den Universitäten einschreiben.
In den folgenden Jahren hatten Bahais trotz rechtlicher Schritte und internationaler Proteste keinen Zugang zur Bildung, denn ihr religiöses Bekenntnis bleibt in Iran nicht anerkannt. Obwohl die Religion der Bahais an die schiitisch-islamische Tradition anknüpft, werden sie von der schiitischen Herrschaft nicht als religiöse Minderheit anerkannt – unter anderem, weil sie Mohammad nicht als den letzten Propheten betrachten. Auf den Formularen für die landesweiten universitären Auswahlverfahren (Concours) fehlte jedenfalls in der Passage für Religionsangaben das entsprechende Feld.
Erst nach kontroversen Diskussionen wurden ab 2004 Religionsangaben aus den Concours-Anträgen gestrichen. In der Folge wurden von den etwa eintausend Bahais, die sich um einen Studienplatz bewarben, ca. 200 an Universitäten angenommen. Nach Recherchen von Menschenrechtsorganisationen sind jedoch bis Mitte 2007 ca. 130 von ihnen als Mitglieder der Bahai-Gemeinde erfasst und erneut der Universität verwiesen worden; in einigen Fällen laufen die Verfahren noch.
2006 hatte das Bildungsministerium an 81 Universitäten einen Brief mit dem Titel „Das Studieren von Bahai-Personen ist untersagt“ gerichtet und darin auf einen Beschluss des Rates der Kulturrevolution von 1991 verwiesen, wonach Bahais aus Sicherheitsgründen „kenntlich zu machen“ und von den Universitäten auszuschließen seien.
Ab 2007 wurde der ‚Zugang zum Zugang‘ zur Universität – eine Berechtigungskarte, die die Teilnahme am Concours erlaubt – erneut mit religiöser Klassifizierung verknüpft. Die Religion „Islam“, die auf dieser Karte vorgedruckt steht, so die offizielle Erklärung der Behörden, diene nur der besseren Einteilung des Lehrstoffes und habe nichts mit der Religion der Person zutun.
Die Bahai-Gemeinde ließ sich auf diese Erklärung ein, musste aber bei den folgenden Auswahlverfahren feststellen, dass zwischen 800 und 1200 Bahai-Bewerber wegen „fehlender Unterlagen“ nicht zum Studium zugelassen wurden. Einige, deren Unterlagen keine Mängel angelastet werden konnten und die bereits die Zulassung erlangt hatten, wurden im nächsten Schritt – Auswahl des Studienfaches – ausgeschlossen, auch wenn sie unbeliebte Studienfächer oder -orte gewählt hatten. Andere Studenten werden an der Teilnahme an Prüfungen gehindert. Die Relegation erfolgt fast immer mündlich, auch wenn der Studierende bereits mehrere Semester studiert hatte.
Nachfragen bei den zuständigen Behörden blieben unbeantwortet. In ihren koordinierten Schreiben wies die Bahai-Gemeinde auf die Verfassungspassagen hin, welche jeder Person unabhängig von Religion, Sprache oder Ethnie die gleichen Rechte einräumt, auch die gleichen Zugangschancen zur Bildung. Reaktionen von offiziellen Stellen blieben jedoch aus.
Im letzten Jahr veröffentlichte das „Committee of Human Rights Reporters“ einen Brief, der den Verweis des Studenten Hessam Missaghi, eines Bahai, der Sprachen in Isfahan studierte, von der Universität als direkten Befehl des Geheimdienstes entlarvte.
Man kann mit Sicherheit behaupten, dass bis heute kein Bahai je an einer staatlichen Universität einen Abschluss erlangen konnte. Ganze Generationen von Bahais müssen der Bildung fernbleiben – jährlich kommen etwa 500 neue Fälle von Ausschluss hinzu. Die wenigen, die noch an den Universitäten studieren, sind darauf bedacht, nicht aufzufallen.