Der lange Weg zum “Proud to be Gay”

Im Iran ist man weit davon entfernt, an Lesbian & Gay Pride auch nur zu denken. Homophobie, Diskriminierung und drakonische Strafen für homosexuelle Handlungen sind Gründe, warum IranerInnen auch nach Deutschland fliehen, um hier zu einem selbstbewussten Umgang mit ihrer sexuellen Identität zu finden. Doch müssen auch hier noch zahlreiche Hürden genommen werden, bis sich LGBTs* aus dem Iran stolz zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen können.
Offiziell gibt es im Iran keine Homosexuellen. Das hatte 2007 der damalige iranische Regierungschef Mahmoud Ahmadinedschad vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) verkündet. Und vonseiten der iranischen Regierung hat ihm bis jetzt niemand widersprochen. Aber irgendwie scheint es im Land der Mullahs trotzdem Probleme mit Homosexualität zu geben. Sonst hätte Mohammed Govahi, Chef des iranischen Herrenfriseurverbands, wohl kaum einen Regelkatalog herausgegeben, der unter anderem auch „Frisuren, wie sie von Homosexuellen getragen werden“, verbietet.
Zwischen Homophobie und Tabu
Was Ahmadinedschad und Govahi damit vor allem zum Ausdruck bringen, ist ihre eigene Homophobie. Gemäß den Lehren des Islam gelten homosexuelle Handlungen als sündhaft. In der islamischen Republik Iran wird homosexueller Geschlechtsverkehr als Unzucht eingestuft und mit Folter- oder Todesstrafen vergolten. Kein Wunder also, dass sich niemand traut, über seine Gefühle und Neigungen zu reden, und Liebesbeziehungen unter gleichgeschlechtlichen Paaren nur im Verborgenen blühen. Doch bietet der iranische Staat für diejenigen, die sich zu ihrer Liebe zum eigenen Geschlecht bekennen, eine medizinische Lösung an: die sogenannte „Angleichung“. Homosexuellen Männern und Frauen wird ein Programm zur Geschlechtsumwandlung angeboten, um sie von ihrer „Krankheit“ zu befreien. Ob das wirklich ein guter Weg ist, das Thema Homosexualität unter den Tisch zu kehren, bleibt zu hinterfragen.
Der Druck der Familien

Saideh Saadat lebt seit 30 Jahren in Deutschland und arbeitet für die "Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e. V.", LesMigras
Saideh Saadat lebt seit 30 Jahren in Deutschland und arbeitet für die „Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e. V.“, LesMigras

Saideh Saadat, die seit 30 Jahren in Deutschland lebt und für die Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin LesMigras arbeitet, erklärt im Gespräch mit Iran Journal, dass auch die Familien Teil des Problems seien. Der Glaube, dass Homosexualität eine Krankheit sei, sei im Iran stark verbreitet und fest verankert. So sei oft zu beobachten, dass Eltern sich große Sorgen über die vermeintliche „Krankheit“ ihres Kindes machten und ihre Sprösslinge aus Scham und Angst vor Schande immer wieder in heterosexuelle Beziehungen zwängen. „Junge Männer, die größere Chancen haben, in einer anderen Stadt zu studieren oder zu arbeiten, haben es leichter, sich diesem Druck zu entziehen. Aber nur sehr wenige Frauen schaffen den Sprung, über eine berufliche Karriere das Elternhaus zu verlassen, um ein eigene Lebensweise aufzubauen“, erklärt Saadat.
Das Aufbegehren
Nichts ist im Iran unter den Konservativen verpönter als ein westlicher Lebensstil. Also zupfen sich viele junge Männer die Augenbrauen, toupieren sich die Haare und benutzen Lipgloss. Frauen färben sich die Haare platinblond, unterziehen sich Schönheitsoperationen und schminken sich, was das Beautycase hergibt. Das erzürnt zwar den Chef des iranischen Herrenfriseurverbands und andere konservative Geister, aber genau das soll es ja auch. Und unter einigen dieser „teuflischen“ oder „homosexuellen“ Frisuren findet man dabei durchaus kritische Geister, die sich politisch engagieren und zum Teil sogar für ihre sexuelle Orientierung und Identität einstehen. Diesen Personen bleibt aus Furcht vor Strafe und Repressalien oftmals nur die Flucht ins Exil. Doch die Angst um ihre Familien lässt sie im Ausland oft verstummen. In den ersten Phasen des Asylantrags nennen sie deshalb eher politische Verfolgung als Fluchtgrund. Saideh Saadat macht häufig die Erfahrung, dass homosexuelle Männer nur dann Chancen auf Anerkennung ihres Asylantrags haben, wenn sie besonders weiblich auftreten. Ebenso schmälere ein sehr feminines Erscheinungsbild die Aussicht auf Erfolg bei lesbischen Antragstellerinnen.
In Freiheit und doch nicht frei
Ohne Kommentar
Ohne Kommentar

LGBTs, die LesMigraS in Berlin erreichen, haben meist Glück gehabt. In kleineren Gemeinden würden Lesben, Schwule und Transsexuelle meist in den gleichen engen Unterkünften untergebracht, in denen oft auch homophobe Asylbewerber auf die Entscheidung über ihren Antrag warten. An ein Coming Out sei dann nicht zu denken, berichtet Saideh Saadat aus ihrer Arbeitspraxis. Hinzu komme, dass der Weg derjenigen, die das Exil erreicht haben, gepflastert war von Diskriminierungen aller Art. Unsensible ÜbersetzerInnen richteten zudem manchmal zusätzlichen Schaden an. Oft litten die Asylsuchenden unter der Furcht, dass die DolmetscherInnen vom deutschen Geheimdienst und dem iranischen Regime bezahlt würden, um Informationen über sie und ihre Familien zu erhalten. Es sei, so Saadat, „ungemein wichtig, dass die Menschen in einer speziellen Beratungsstelle für Lesben, Schwule und Transgender über ihre Ängste und Erfahrungen berichten können und adäquate Hilfeleistungen, Informationen und medizinische Versorgung erhalten“.
Das Outing
Im Iran wissen oftmals nur enge Familienmitglieder und gute Freunde von der Homosexualität ihrer Verwandten oder Freunde. In Deutschland, so sieht es Saasat, haben in den vergangenen 20 Jahren immer mehr politisch engagierte IranerInnen angefangen, sich gegen Heteronormativität zu positionieren. Ein Teil der iranischen Frauenbewegung im Exil habe sich ausdrücklich gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen eingesetzt und dies zum Dauerthema gemacht. Diese gesellschaftspolitische Anerkennung der lesbischen und schwulen Identität habe dazu geführt, dass sich im Zuge der öffentlichen Diskussion immer mehr Menschen geoutet hätten. So habe sich eine lesbisch-schwule Community entwickeln können – eine Entwicklung, die weltweit auf Facebook-Seiten wie „Yes people! We do exist“ kommuniziert und auf den Iran ausgeweitet werde. Wünschenswert wäre, ergänzt Saadat, wenn sich die „Sensibilisierungsarbeit für die Belange der LGBTs auch in den Institutionen fortsetzen und den damit befassten NGOs mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt würden, damit besser auf die Not der Lesben, Schwulen und Transgender aus homophoben Ländern wie dem Iran eingegangen werden kann.“♦
  YASMIN KHALIFA
*LGBT: Abkürzung für  Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender
Auch dieser Artikel kann Sie interessieren: Sünden im Gottesstaat