Afghanen sterben für Damaskus und Teheran

Die iranische Revolutionsgarde soll afghanische Flüchtlinge als Kämpfer für das syrische Regime rekrutiert haben, berichtet das Wallstreet Journal. Teheran dementiert dies zwar, doch deutet manches darauf hin, dass in Syrien tatsächlich Afghanen für Assad geopfert werden. Afghanische Politiker fordern Aufklärung.
Sie gehören zu den Ärmsten der Armen im Iran und werden von Gesellschaft und politischen Verantwortlichen dort diskriminiert. Die Rede ist von afghanischen Flüchtlingen, die ihre Heimat in der Hoffnung verlassen haben, in der Islamischen Republik ein Leben fernab von Armut und Krieg führen zu können. Doch der vermeintliche Weg aus der Armut führt viele in den Iran geflohene Afghanen möglicherweise erneut in einen blutigen Krieg. Laut einem Bericht des Wallstreet Journals rekrutiert die iranische Revolutionsgarde systematisch afghanische Flüchtlinge, die im Bürgerkrieg in Syrien auf der Seite des vom Iran unterstützten Assad-Regimes kämpfen sollen. In den syrischen Kampfgebieten würden die afghanischen Söldner an vorderster Front eingesetzt, um Verluste unter den iranischen Kämpfern zu vermeiden, so die angesehene US-amerikanische Tageszeitung in der vergangenen Woche.
Zugang zu Bildung und Aufenthaltsrecht
Zwar gibt es keine Zahlen, doch Medienberichte über Trauerfeiern für in Syrien gefallene Afghanen in verschiedenen Städten des Iran lassen vermuten, dass nicht wenige der Flüchtlinge die Gefahren des syrischen Bürgerkriegs in Kauf nehmen, um ihrer Not im Iran zu entkommen. Dafür erhielten sie Sold und eine Aufenthaltserlaubnis, zitiert das Wallstreet Journal den Sprecher des im Iran lebenden afghanischen Großayatollah Mohaghegh Kabuli. Auch werde ihren Kindern der Schulbesuch erlaubt, ergänzt die Zeitung.
Kabulis Büro jedoch dementiert diese Aussagen. Auch das Außenministerium und die Vertretung des Iran bei den Vereinten Nationen weisen den Vorwurf zurück, der Gottesstaat rekrutiere afghanische Flüchtlinge für den syrischen Bürgerkrieg. Die Islamische Republik habe in dem Konflikt lediglich eine beratende Funktion, die dazu diene, „Al-Qaida und andere extremistische Gruppierungen daran zu hindern, noch mehr Massaker zu begehen“, so der UN-Sprecher des Iran, Hamid Babaei.

Plakat gegen Rassismus in Isfahan:  "Ich bin ein Afghane"
Plakat gegen Rassismus in Isfahan: „Ich bin ein Afghane“

Dass der Iran aber tatsächlich afghanische Flüchtlinge als Kämpfer für Assad nach Syrien schickt, kann Ali bestätigen. Für den 20-jährigen Afghanen, der den Iran vor fünf Monaten Richtung Deutschland verlassen hat, ist die Enthüllung des Wallstreet Journals nichts Neues: „In meinem engen Umfeld haben es alle abgelehnt, ihr Leben auf diese Weise aufs Spiel zu setzen. Aber ich kenne Afghanen, die der Revolutionsgarde nach Syrien gefolgt sind, weil sie es satt waren, ein Dasein am Rande der Gesellschaft zu fristen. Sie sind mit der Hoffnung in den Krieg gezogen, nach ihrer Rückkehr ein besseres Leben führen zu können“, erzählt er TFI.
Menschen zweiter Klasse
In der Tat hat der Iran ein Rassismus-Problem. AfghanInnen werden von Teilen der Gesellschaft und von der Politik wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Zwei Millionen afghanische Flüchtlinge leben nach offiziellen Angaben im Gottesstaat, aber nur 900.000 von ihnen wurde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Die Mehrheit verfügt damit weder über einen Aufenthaltstitel noch über die Erlaubnis, einer Arbeit nachzugehen. Viele sind deshalb bereit, illegal und für einen Hungerlohn harte Arbeiten zu verrichten. Den Kindern der Flüchtlinge wird der Zugang zum Bildungssystem verweigert. Und auch jenen Exil-AfghanInnen, die im Besitz von Aufenthalts– und Arbeitserlaubnis sind, gelingt aufgrund der niedrigen Löhne und der Hindernisse, die ihnen von Politik und Gesellschaft in den Weg gestellt werden, der soziale Aufstieg meist nicht. So weigern sich viele IranerInnen, Wohnungen an AfghanInnen zu vermieten. Jüngst wurde ihnen sogar der Zugang zu bestimmten öffentlichen Parkanlagen verwehrt.
907.000 afghanische Flüchtlinge seien seit 2002 wegen solcher Diskriminierungen und aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Situation in ihre Heimat zurückgekehrt, sagte der Vertreter des UN-Menschenrechtsrats für Flüchtlinge (UNHCR) im Iran, Bernard Doyle, in einem Interview mit der Deutschen Welle.
Hunderttausende  Kinder der afghanischen Flüchtlinge im Iran dürfen keine Schulen besuchen
Hunderttausende Kinder der afghanischen Flüchtlinge im Iran dürfen keine Schulen besuchen

„Als Afghane wird man im Iran beinahe tagtäglich gedemütigt“, sagt der Flüchtling Ali im TFI-Gespräch. „Auch unter Präsident Rouhani, der im Wahlkampf angekündigt hatte, gegen Diskriminierung zu kämpfen, hat sich unsere Lage nicht spürbar verbessert.“ Deswegen sei die Integration in die iranische Gesellschaft „nahezu unmöglich“. Ihm sei klar geworden, dass er als Afghane im Iran keine Zukunft habe, so Ali: „Selbst wenn ich in den Krieg in Syrien gezogen wäre und dadurch Geld und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hätte, hätte ich niemals die Anerkennung und den Respekt bekommen, die mir als Mensch doch zustehen.“
Empörung in Kabul
Afghanistan beklagt seit langem die schlechte Behandlung afghanischer Flüchtlinge im Iran. Im vergangenen Jahr sollen iranische Grenzsoldaten mehrere Afghanen, die in den Iran fliehen wollten, erschossen haben, worauf das afghanische Außenministerium erstmals den iranischen  Botschafter in Kabul einbestellte. Zu neuen Misstönen kam es im Februar 2014, als im Iran vier Afghanen wegen Drogenschmuggels hingerichtet wurden. Die afghanische Regierung hatte den Iran zuvor aufgefordert, die Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln.
Die Enthüllungen des Wallstreet Journals könnten nun eine neuerliche Belastung für das angespannte Verhältnis der beiden Nachbarstaaten bedeuten. „Wenn er unsere Landsleute für den Krieg in Syrien rekrutiert, nutzt der Iran schamlos die Armut der Flüchtlinge aus. Wir verurteilen dieses Vorgehen aufs Schärfste“, zitiert das afghanische  Nachrichtenportal Tolonews den Parlamentsabgeordneten Safora Illkhani. Afghanische Politiker erwarten nun Aufklärung: „Unsere Regierung muss Dokumente und Beweise sammeln und die Iraner damit konfrontieren, damit sie künftig darauf verzichten, Afghanen nach Syrien zu schicken“, fordert der Abgeordnete Ahmad Farhad Azimi.
JASHAR ERFANIAN