Gewachsenes Vertrauen
Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und Deutschland haben Bestand – trotz Höhen und Tiefen. Gerade der aktuelle deutsche Botschafter hat viele Freunde – und wohl deshalb auch viele Feinde im Iran. Ein historischer Überblick.
Von Mahindokht Mesbah
„Der Deutsche besucht den Imam-Reza-Schrein in der heiligen Stadt Maschhad und geht auf die Pilgerreisenden warmherzig zu … Er besucht die beiden Fußballclubs der Hauptstadt, die Erzrivalen Persepolis und Esteghlal und spricht mit deren Funktionären und Kadern … Er schaut auf seiner Reise nach der nordwestlichen Stadt Täbris bei dem beliebten Fußballclub Traktorsazi vorbei und tauscht sich mit dessen Funktionären aus … Er besucht den alten Basar der Stadt, führt einen freundlichen Smalltalk mit einem alten Gepäckträger und isst mit ihm das traditionelle Gericht des einfachen Mannes aus Schafsinnereien.“
Das sind keine Aufzählungen der Aktivitäten eines neugierigen Touristen aus Deutschland, sondern Auszüge von Berichten iranischer Medien über den deutschen Botschafter im Iran, Michael Klor-Berchtold. Er hat im Winter 2016 sein Amt in Teheran angetreten und machte sich in den vergangenen gut zwei Jahren einen Namen bei den IranerInnen.
Ein Teil der ultrakonservativen Islamisten im Iran hält Klor-Berchtold für einen „Agenten“, der sich unter die normalen Menschen mische, um an Informationen zu kommen, die man den offiziellen Medien nicht entnehmen kann. Andere halten ihn für einen Abenteurer und mancher vergleicht ihn gar mit dem deutschen Diplomaten Wilhelm Waßmuß, der während des Ersten Weltkriegs im Südiran den Widerstand der Stämme gegen die britischen Besatzungstruppen unterstützte.
Die ersten Kontakte
Etwa fünfzig Jahre vor Waßmuß’ Mandat im Iran hatte sich der iranische Hof an Europas Könige gewandt, um sich mit ihrer Hilfe vom Joch der Briten und Russen zu befreien – vergeblich. Erst 1857 kam es zum ersten offiziellen, diplomatischen Akt zwischen dem Iran und Preußen. Am 25. Juni 1857 wurde in Paris das Handels- und Freundschaftsabkommen zwischen dem Iran und dem preußischen Staat unterzeichnet, vom damaligen Botschafter des Iran in Frankreich, Farouk Khan, und von Carl Franz von Hatzfeld-Wildenburg, der den preußischen Staat und den Deutschen Zollverein vertrat.
1860 besuchte eine Delegation aus dem Königreich Preußen den Iran. Die von Freiherr Julius Minatoli geführte Delegation wurde vom damaligen König, Naser ad-Din Schah, herzlich empfangen und verbrachte drei Monate im Iran.
Naser ad-Din Schah plädierte 1873 bei seinem ersten Besuch in Berlin für diplomatische Beziehungen zwischen beiden Ländern. Der iranische Herrscher wollte durch politische und wirtschaftliche Kontakte zu Preußen den Einfluss der Briten und Russen verringern. Otto von Bismarck, der damalige Ministerpräsident Preußens, kam diesem Wunsch aber erst zehn Jahre später nach. Preußens erste diplomatische Vertretung im Iran eröffnete 1885, Ernst von Braunschweig wurde dort zum ersten deutschen Diplomaten. Im selben Jahr wurde eine deutsche Schule in Teheran eröffnet.
Ein anderer Freund der Deutschen
Die Dynastie der Kadscharen endete ein paar Jahre nach der Abdankung des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II. Der neue König des Iran, Reza Schah Pahlavi, zeigte noch mehr Interesse für die Deutschen. Als Kriegsminister hatte er mit von deutschen Piloten geflogenen Junkers-Flugzeugen die Aufstände in einigen Provinzen des Iran niedergeschlagen, das iranische Waffenarsenal sowie das Bank- und Finanzwesen standen zu einem beachtlichen Teil unter der Leitung deutscher Experten, und deutsche Firmen bauten an einer Teilstrecke der transiranischen Eisenbahn.
1929 schloss der Schah ein Freundschaftsabkommen mit der Weimarer Republik, das Deutsch-Iranische Niederlassungsabkommen, zudem ein Handels- und Zollabkommen.
Auch die Nationalsozialisten und Reza Schah pflegten gute Beziehungen. Eines der wichtigsten Signale dafür war die Reise des deutschen Wirtschaftsministers Hjalmar Schacht 1936 nach Teheran. Während des Zweiten Weltkriegs erklärte sich der Iran zwar als neutral, trotzdem besetzten die Alliierten das Land, setzten Reza Schah ab und hievten seinen Sohn Mohammad Reza auf den Thron.
Schon 1946 eröffnete der Iran wieder ein Konsulat in Stuttgart und später seine Botschaft in Köln. 1954 einigten sich der Iran und die Bundesrepublik Deutschland auf das Wieder-Inkrafttreten aller kriegsbedingt unterbrochenen wirtschaftlichen Verträge.
Bis zum Sturz der Monarchie durch die islamische Revolution 1979 wurden die Beziehungen beider Länder permanent weiter ausgebaut. Mohammad Reza Schah reiste 1957 und 1967 nach Deutschland, sein langjähriger Ministerpräsident Amir Abbas Hoveyda sogar dreimal: 1967, 1969 und 1974. Von deutscher Seite waren in den Jahren zwischen dem Ende des 2. Weltkriegs und der Revolution die Bundeskanzler Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Schmidt sowie Bundespräsident Walter Scheel im Iran.
Wichtige Handelsverträge kamen in dieser Zeit zustande, etwa über Rüstungsexporte in den Iran (1966), die Beteiligung des Iran an ThyssenKrupp (1974) und der Bau des ersten (und bislang letzten) Atomkraftwerks des Landes in der Stadt Buschehr am Persischen Golf (1974). Letzteres wurde nicht von deutschen, sondern nach der Revolution von russischen Firmen fertiggestellt.
Im Juni 1962 befreite die Bundesregierung BürgerInnen des Iran von der Visumspflicht. Iraner und Deutsche brauchten bis Mai 1980 keine Einreisegenehmigung, um das jeweils andere Land zu besuchen.
Nach der Revolution
Die Bundesrepublik Deutschland verfolgte gegenüber der Islamischen Republik Iran eine andere Diplomatie als viele ihrer Verbündeten. Berlin ergriff während des Irak-Iran-Kriegs in den 80er Jahren keine Partei. Der damalige Machthaber im Irak, Saddam Hussein, konnte jedoch die nötigen Substanzen zur Herstellung von Chemiewaffen bei deutschen Firmen einkaufen. Diese wurden nicht nur gegen den Iran eingesetzt.
Hans-Dietrich Genscher (FDP) war der erste Außenminister eines westlichen Staates, der nach der Islamischen Revolution in den Iran reiste. Im Juni 1984 besuchte er den damaligen Präsidenten und das heutige geistliche Oberhaupt des Landes Ali Khamenei, den damaligen Parlamentsvorsitzenden Akbar Hashemi Rafsanjani sowie den Außen- und den Wirtschaftsminister des Iran. Dem Land sollte aus der Isolation geholfen werden. Doch die Außenpolitik der Islamischen Republik ließ keinen Raum für eine Versöhnung mit dem Westen.
Auch die Versuche der Reformer um den damaligen Präsidenten Mohammad Khatami, das Land zu öffnen, scheiterten am Widerstand der Hardliner um Ayatollah Khamenei. 2000 reiste der Reformer Khatami als erster iranischer Präsident nach Deutschland und weihte in Weimar gemeinsam mit Bundespräsident Johannes Rau ein Hafiz-Goethe-Denkmal ein.
Deutschland nahm während der dreizehnjährigen Atomverhandlungen mit dem Iran neben den fünf UNO-Vetomächten die ergänzende Rolle eines Schlichters ein. Und nach dem Wiener Atomabkommen vom Juli 2015 gehörten deutsche Politiker und Unternehmer zu den beliebtesten Gästen der iranischen Regierung. Altkanzler Gerhard Schröder sowie die damaligen Außen- und Wirtschaftsminister Frank Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel flogen mit großen Delegationen in den Iran.
Deutschland kritisiert den Rücktritt der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran, der im Mai nach einem Beschluss von US-Präsident Donald Trump erfolgte. Die Bundesregierung verspricht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran trotz der US-Sanktionen aufrechtzuerhalten.
Deutschland unterstützt zwar die UN-Resolutionen gegen das islamische Regime. Es wird allerdings von der Islamischen Republik als ein Land wahrgenommen, das anders als die USA, Großbritannien, Frankreich oder Kanada, der UNO keine Resolutionsentwürfe gegen den Iran vorlegt.
Diplomatische Krisen
Fortsetzung auf Seite 2