Der lange Weg auf den iranischen Markt

Die seit Jahren unter Investitionsmangel leidende iranische Wirtschaft und der dementsprechend hungrige Markt des Landes sind für Exportnationen wie Deutschland interessant. Investitionen im Iran können ausländischen Firmen das Tor zur Region öffnen. Aber wie eben ist der Weg? Sind die internationalen Sanktionen, die bald wegfallen werden, die einzige Hürde?

Die iranische Wirtschaft braucht dringend Finanzspritzen – in einer Höhe, die den Rahmen der nationalen Möglichkeiten bei Weitem sprengt. Allein Öl- und Gasindustrie, Haupteinnahmequellen des Landes, benötigen laut Ölminister Bijan Namdar Zangeneh Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar. Geld in die iranische Tourismusbranche zu stecken gilt als besonders, zudem bereits kurz- und mittelfristig ertragreich. Maschinenbau und Autoindustrie sind Branchen, die für eine Exportnation wie Deutschland interessant sind.
Deutschland wird im Iran als zuverlässiger Geschäftspartner hoch geschätzt. Und die deutsche Wirtschaft wiederum zeigt großes Interesse am iranischen Markt. Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) war der erste hohe Diplomat aus dem Westen, der kurz nach dem Wiener Atomabkommen Mitte 2015 mit Vertretern großer Firmen in den Iran reiste. Am ersten November eröffnete der Präsident des Verbands der bayerischen Wirtschaft, Alfred Gaffal, im Beisein der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner die Repräsentanz der Bayerischen Wirtschaft im Iran. Der Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw) ist ein branchenübergreifender Zusammenschluss von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden und Einzelunternehmen des Bundeslandes.
Laut Bundesaußenministerium verbuchte der bilaterale Handel zwischen Deutschland und dem Iran 2010 einen Anstieg von über 70 Prozent und erreichte damit ein Volumen von 4,7 Milliarden Euro. Deutschland exportierte Waren für 3,8 Milliarden Euro in den Iran und importierte für 916 Millionen Euro aus dem Land. 2014, unter dem Einfluss der internationalen Sanktionen, halbierten sich diese wirtschaftlichen Beziehungen auf 2,4 Milliarden Euro.
Wirtschaftliche Hürden, bürokratische Hindernisse
Das islamische Regime will mithilfe ausländischer Investoren ein jährliches Konjunkturwachstum von mindestens sieben Prozent erreichen, um vor allem die rekordverdächtige Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Unter der Bevölkerung ist die Euphorie einer raschen Wende ebenso groß. Seit Monaten ist die Nachfrage für die auf dem Markt vorhandenen iranischen und chinesischen Waren in der Hoffnung auf die qualitativ besseren westlichen Waren stark zurückgegangen.
Doch: Die Präsenz ausländischer Firmen brauche rechtliche und bürokratische Grundlagen, meinen Experten. Die ganz auf Ölverkauf basierende staatliche Wirtschaft des Iran müsse auf ein Privatsektor-freundliches und transparentes System umgestellt werden, in dem kleine und mittlere Unternehmen nicht den der Politik nahestehenden Großfirmen ausweichen müssen.
Die Weltbank hat in ihrem aktuellen Bericht über die Geschäftsordnung für Firmen (Ease of Doing Business) den Iran unter 185 Ländern auf Rang 118 gestellt. Deutschland belegt Platz 15.

Als Folge der Embargos arbeitet die iranischen Erdölindustrie im Schneckentempo
Als Folge der Embargos arbeitet die iranischen Erdölindustrie im Schneckentempo

Auch die tiefe und flächendeckende Korruption, die von dem langjährigen konservativen Parlamentarier und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Ahmad Tavakoli als „systematische Korruption“ bezeichnet wird, erschwert wirtschaftliche Tätigkeiten. Sogar die staatlichen Antikorruptionsbehörden selbst seien von Korruption befallen, sagte Tavakoli im März 2014. Auf der anderen Seite stehen zudem die chinesischen Firmen, die in den vergangenen Jahren vom konkurrenzfreien Markt des Iran reichlich profitiert haben. Sie werden ihre Position mit allen Mitteln verteidigen wollen.
Auch die inländischen Konzerne, die ihre Konkurrenz mithilfe von Beziehungen zur Politik aus dem Weg schaffen, werden ihre Privilegien nicht gerne aufgeben wollen. Irans Präsident Hassan Rouhani hat während der kniffligen Atomverhandlungen die inländischen Gegner jeglicher Einigung oft als diejenigen bezeichnet, die „von den Sanktionen profitieren“ und die eigenen Interessen den der Bevölkerung vorzögen. Gemeint sind Institutionen und Persönlichkeiten, die durch Scheinfirmen und Umwege verbotene Waren eingeführt oder Geld ins Land überwiesen und selbst daran verdient haben.
Zudem hat die vom religiösen Führer des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, verlangte „widerstandsfähige Wirtschaft“ keine klaren Umrisse. Die nationale Wirtschaft dürfe künftig nicht mehr so stark von ausländischen Faktoren wie Ölverkauf und Sanktionen abhängig und dadurch angreifbar sein, so Khameneis Linie. Sollen demnach etwa alle wirtschaftlichen Aktivitäten inländischen Firmen überlassen werden? Können die mächtigen, der Politik nahestehenden Konzerne im Iran mit dieser Argumentation die internationale Konkurrenz nicht aus dem Weg schaffen?
Politisches Tauziehen
Der ultrakonservative Flügel der iranischen Politik verbarrikadiert sich seit Wochen gegen „politische Eindringlinge“. Ayatollah Khamenei warnt seit der Wiener Atomeinigung dauernd davor, dass das Abkommen von ausländischen Mächten als Hintertür genutzt werden könne, um „der islamischen Revolution Schaden zuzufügen“.
Am 2. November gab das iranische Staatsfernsehen die Inhaftierung von Nezar Zaka bekannt. Zaka, Computerspezialist und Mitglied der in Washington ansässigen Ijma3-Gruppe, verschwand Mitte September in Teheran. Zuvor war er auf Einladung der iranischen Vizepräsidentin für Frauen und Familienangelegenheiten zu einer Konferenz ins Land gereist. Die Ijma3-Gruppe setzt sich für Internetfreiheit im Nahen Osten ein. Zaka wird „enger Kontakt mit dem amerikanischen Militär und den US-Sicherheitsbehörden“ vorgeworfen. Seine Festnahme könnte als „Widerstand gegen das Eindringen“ gerechtfertigt werden.
Rouhani ist klar, dass seine politischen Gegner das Wort „Eindringen“ frei interpretieren und ihm noch mehr Schwierigkeiten bereiten können. Nachdem Parolen wie „Tod den USA“ und „Widerstand gegen Eindringen“ auf Plakaten der jährlichen traditionellen antiamerikanischen Demonstration am 4. November erschienen, warnte Rouhani am gleichen Tag in der Kabinettsitzung vor dem „Ausnützen des Wortes Eindringen“.
Warnung vor „optimistischen Diagnosen“
Sigmar Gabriel im Isfahans Bazar
Sigmar Gabriel im Isfahans Bazar

Die Regierung Rouhani hat von Anfang an betont, dass eine Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen demnächst ausschließlich in Form gemeinsamer Produktion möglich ist. Ausländische Firmen müssen einen Technologietransfer ermöglichen und in die iranische Industrie investieren.
Abgesehen vom politischen Tauziehen dürfte sich das wirtschaftliche Klima im Iran direkt nach dem Aufheben der Sanktionen vorerst nicht im großen Stil verbessern, meinen Experten. Selbst wenn die geschäftlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, müsse die „psychische Auswirkung“ der langjährigen Sanktionen erst nachlassen, damit ausländische Firmen offen für eine Zusammenarbeit mit dem Iran sind. Hinzu kommt, dass laut der Wiener Atomeinigung einige Sanktionen im Bereich militärischer Aktivitäten für mindestens acht Jahre bestehen bleiben. Auch die möglichen Grauzonen, etwa der Export der sogenannten Dual-Use-Gütern – Waren, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können -, müssen geklärt werden.
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg auf den iranischen Markt ist das sogenannte „D’Amato-Gesetz“. Dieses im Jahr 1996 von den USA verabschiedete Gesetz verbietet Geschäfte von jährlich mehr als 40 Millionen US-Dollar mit dem Iran. Firmen, die gegen das Gesetz verstoßen, werden vom amerikanischen Markt ausgeschlossen. Das D’Amato-Gesetz, das alle fünf Jahre auf den Prüfstand gestellt wird, ist vom Wiener Abkommen unabhängig.
Der Regierung Rouhani zufolge wird das internationale Embargo ab Januar 2016 zurückgefahren. Dass die ersten Zeichen der Verbesserungen erst Monate und gar Jahre später eintreten, scheint der Regierung ebenso klar zu sein. Der renommierte Wirtschaftsexperte und Berater des Präsidenten Masoud Nili prognostizierte Ende Dezember: „Es ist vielleicht zu optimistisch, anzunehmen, dass sich die Wirtschaft früher als Mitte 2018 erholt und das Pro-Kopf-Einkommen den Stand des Jahres 2011 erreicht.“
  IMAN ASLANI