Republik oder absolutistische Monarchie?

Ali Khamenei, der religiöse Führer der Islamischen Republik, hat erneut gezeigt, dass im Iran seine Meinung das Maß aller Dinge ist, die Stimmen der vom Volk gewählten Organe wie Parlament und Regierung dagegen nichts zählen. Ein Kommentar von Jamshid Barzegar.

Das Gesetz zum Verbot der Wiedereinstellung von Pensionierten in den Staatsdienst sei mangelhaft, ließ der religiöse Führer der Islamischen Republik Iran Anfang Dezember verlauten. „Die verehrten Parlamentsabgeordneten“ sollten das Gesetz überarbeiten und so ändern, dass er sich nicht zu einer erneuten Stellungnahme gezwungen sehe, teilte Ali Khamenei am 4. Dezember mit.
Und ohne zu zögern leisteten die Parlamentarier seinem Wunsch Folge und beschlossen, das Gesetz zu Khameneis Zufriedenheit zu ändern. Dabei hatte das Gesetz alle verfassungsgemäßen Voraussetzungen erfüllt, war vom Parlament ratifiziert, vom Wächterrat angenommen und zur Umsetzung der Regierung übergeben worden. Zwar war es in den vergangenen Monaten von vielen Seiten kritisiert worden, doch diese Kritik hatte weder das Parlament noch die Regierung interessiert.

Allmächtig per Verfassung
Artikel 110 der iranischen Verfassung legt Pflichten und Befugnisse des islamischen Staatsoberhauptes fest. Demnach fallen fast alle wichtigen Entscheidungen des Staats in seinen Machtbereich.
So gesehen unterscheidet sich die Islamische Republik in nichts von einer absolutistischen Monarchie. Das religiöse Oberhaupt hat sogar mehr Rechte als all die Könige vor ihm je hatten. Denn nach Meinung des Republikgründers Ruhollah Khomeini kann es für den Erhalt des islamischen Systems sogar die religiösen Gebote außer Acht lassen – was den iranischen Königen nicht erlaubt war.

Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei nutzt jede Gelegenheit, um seine Stellung als der mächtigste Mann des Landes zu demonstrieren - wie hier vor ergebenen Oberkommandierenden der iranischen Polizei am nationalen "Tag der Ordnungskräfte" (04. Oktober 2016).
Staatsoberhaupt Ali Khamenei nutzt jede Gelegenheit, um seine Stellung als der mächtigste Mann des Landes zu demonstrieren – wie hier vor ergebenen Oberkommandierenden der iranischen Polizei!

Aufgrund dessen fühlen sich nicht nur staatlichen Instanzen und Amtsträger dem religiösen Führer untergeben. Auch die gewählten Organe und Personen fühlen sich eher ihm als der Bevölkerung zur Rechenschaft verpflichtet.
Während des vierzigjährigen Bestehens der Islamischen Republik wurden viele Institutionen geschaffen, die den Willen des religiösen Oberhauptes durchsetzen sollen. Dennoch mischt sich Khamenei immer wieder ganz direkt in Entscheidungsprozesse des Parlaments etwa zur Durchsetzung oder Verhinderung eines Gesetzes ein.
Die Beschlüsse der gewählten Parlamentarier dagegen benötigen erst die Zustimmung des Wächterrats – in manchen Fällen des Schlichterrats – für ihre Gültigkeit. Und die Mitglieder des Schlichterrates wiederum werden vom religiösen Führer bestimmt, ebenso wie die Hälfte der Mitglieder des Wächterrats.
Wenn weder die Stimmen der WählerInnen noch die gesellschaftlicher Organe oder politischer Organisationen den Prozess der Entstehung eines Gesetzes beeinflussen können, ein Wink des religiösen Oberhauptes aber reicht, um das ganze Gesetz zu verhindern – kann man dann von der Unabhängigkeit der drei Staatsgewalten und anderer staatlichen Entscheidungsträger reden?

Die freie Hand des religiösen Führers bei der Durchsetzung seiner Meinung entwertet nicht nur die offiziellen Organe und Instanzen des Staates, sondern höhlt vor allem die Legitimation der Verfassung aus. Denn er missachtet viele Artikel des Grundgesetzes.
Dessen Artikel 6 etwa schreibt vor, dass die Angelegenheiten des Landes in Übereinstimmung mit dem durch Wahlen bestätigten Volkswillen geregelt werden müssen – durch die Wahl des Präsidenten, des Parlaments, der Mitglieder der Räte oder durch Volksbefragung in den Fällen, die durch andere Grundsätze der Verfassung festgelegt sind. Artikel 85 legt fest, dass das Mandat eines Abgeordneten personenbezogen ist und nicht auf eine andere Person oder ein Gremium übertragen werden kann.
Die Erfahrungen der vergangenen 40 Jahre jedoch haben wiederholt gezeigt, dass das religiöse Oberhaupt so viel Macht besitzt, dass es das Parlament jederzeit zwingen kann, von einem Gesetz abzusehen oder es gemäß seiner Vorstellung zu ändern.

  JAMSHID BARZEGAR

Quelle: DW

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