Erdölexporteur muss Wasser importieren
Um dem verheerenden Wassermangel im Land entgegenzutreten, wirft die Islamische Republik seit Jahren begehrliche Blicke auf die Wasserreserven in Zentralasien. Ein Vorvertrag über Wasserlieferungen mit Tadschikistan ist bereits unterschrieben. Doch das iranische Problem ist größer, als dass es allein damit zu lösen wäre.
Eigentlich ist der Iran eines der wasserreichsten Länder des Nahen und Mittleren Ostens. Doch das Lebenselixier der IranerInnen befindet sich hauptsächlich im Persischen Golf und dem Kaspischen Meer und ist somit – da Salzwasser – für den täglichen Bedarf unbrauchbar. Deshalb trägt der Gottesstaat auf der Weltkarte des World Resources Institute (WRI) die Farbe Dunkelrot (siehe Foto). Sie zeigt an: Der Iran leidet unter extremem Wassermangel und gehört zu den am schnellsten austrocknenden Ländern der Welt.
Langjährige Warnungen
Mehrere internationale Institutionen haben in den vergangenen Jahren bereits vor einer drohenden Dürrekatastrophe im Iran gewarnt. Zuletzt ließen ExpertInnen am 22. März, dem internationalen Welttags des Wassers, wissen: Wenn im Iran weiterhin mehr Wasser verbraucht wird, als die natürlichen Ressourcen des Landes erlauben, werden in 40 Jahren zwölf der 30 Provinzen des Landes komplett ausgetrocknet sein.
Ein Jahr zuvor hatten die Satelliten der NASA eine bedrohliche Entdeckung gemacht: Seit 2003 sank das Grundwasser in der Region um die Flüsse Euphrat und Tigris um 144 Kubikkilometer – mehr als 143,5 Milliarden Liter. Fast zwei Drittel des verschwundenen Wassers ist Grundwasser, ein Drittel stammt aus den überirdischen Seen. Zu den von dem Wasserschwund betroffenen Ländern gehört neben der Türkei, dem Irak und Syrien auch der Iran.
30 Prozent des für landwirtschaftliche Zwecke benötigten Wassers gingen verloren, weil die iranische Landwirtschaft unmodern und die Bauern fahrlässig im Umgang mit Wasser seien, sagte kürzlich der iranische Landwirtschaftsexperte und Universitätsdozent Sadegh Beyg-Nejad der Nachrichtenagentur ISNA. 90 Prozent des Wasserverbrauchs im Iran gingen auf das Konto der Landwirtschaft, 22 Prozent mehr als im internationalen Durchschnitt, so Beyg-Nejad. Er forderte die verantwortlichen Politiker auf, schnellstmöglich zu handeln.
Wasserimport
Auch Mohammad Hadj-Rasouli, Leiter der staatlichen Organisation zur Verwaltung der Wasserreserven, warnte zum wiederholten Male vor den Folgen der anhaltenden Dürre im Iran. Vergangene Woche ließ er erkennen, dass die Lage besorgniserregend ist: Der Iran leide nun im siebten Jahr in Folge unter Regenmangel, sagte Hadj-Rasouli vor Journalisten. Die Dürre werde im laufenden iranischen Jahr (21. März 2014 – 20. März 2015) noch gravierender sein als in den Jahren zuvor.
Am 23. August sprach der ehemalige Vorsitzende der iranischen Handelskammer von der dringenden Notwendigkeit, Wasser zu importieren. Mohammad Reza Behzadian riet im Interview mit der Nachrichtenagentur ILNA der Regierung, die Idee der Wassereinfuhr aus Tadschikistan ernst zu nehmen. Vor Behzadian hatte bereits der iranische Energieminister Hamid Chitchian auf die Möglichkeit des Wasserimports aus Tadschikistan und „anderen Ländern“ hingewiesen, doch betont, man wolle diesbezüglich „keine Abhängigkeit vom Ausland“.
Dabei hatte die Vorgängerregierung bereits 2012 mit Tadschikistan über den Import der lebensspendenden Flüssigkeit verhandelt. Nach offiziellen Angaben hatte der damalige Präsident Mahmoud Ahmadinedschad sogar ein Vorvertrag zur Einfuhr von 10 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr unterschrieben und die afghanische Regierung hatte dem Transit der Wasser-Pipeline zugestimmt. Doch praktische Schritte zur Realisierung des Vorhabens wurden seither nicht unternommen.
Zurzeit begnügt sich die Regierung zur Lösung des Wasserproblems hauptsächlich mit dem Versuch, den Wasserverbrauch in Privathaushalten zu reduzieren. So wurde am 7. August sieben Stunden lang erstmals die Wasserversorgung von 3.000 Teheraner Haushalten abgestellt, die überdurchschnittlich viel Wasser verbrauchen. Laut der städtischen Behörden gibt es allein in Teheran 700.000 Haushalte, die als „Wassersünder“ gelten. Sie verbrauchten im Monat mehr als 30 Kubikmeter Wasser – bis zu 50 Kubikmeter. In Deutschland liegt der Durchschnittswert bei etwa 30,5 Kubikmeter.
Klimawandel
Der katastrophale Wassermangel im Iran ist aber nicht nur dem hohen Verbrauch und dem Missmanagement der Regierung zuzuschreiben. Er ist hauptsächlich eine Folge des Klimawandels, der zum größten Teil von den Industrieländern verursacht worden ist. Der Klimawandel hat das Niederschlagsmuster durcheinander gebracht: In manchen Gebieten herrscht langanhaltende Dürre, andere leiden unter ungewöhnlich starken Regenfällen und infolge davon an Überschwemmungen.
Laut Hans-Joachim Schellnhuber, Chef des Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), würden bei einer Erderwärmung von fünf Grad – von der ExpertInnen ausgehen – alle eisfreien Gebiete der Welt vom Klimawandel betroffen sein – besonders stark aber Teile Asiens, des Mittelmeerraums, des Nahen Ostens und Nordafrikas.
Das würde zu mehr politischen Unruhen in diesen Regionen führen, sind sich ExpertInnen einig. Die ersten wassermangelbedingten Konflikte gab es im Iran bereits im Februar 2013 in der Region Varzaneh in der iranischen Provinz Isfahan. Über 40 Tage lang streikten dort Bauern, weil die Wasserzufuhr zu ihren Anbauflächen abgestellt worden war. Als sie versuchten, die Wasserleitungen der Stadt Yazd zu stürmen, wurden sie von Sicherheitskräften zurückgedrängt. Bei den folgenden Auseinandersetzungen kam es zu Verletzten und Festnahmen.
FARHAD PAYAR