Neue Töne? Musik im Iran

„Die Ahmadinedschad-Ära war ein großer Schock für die iranische Musik“, sagt der Komponist Karen Keyhani im Gespräch mit dem Iran Journal. „Der staatliche Rundfunk ist gegenüber der Musik nach wie vor negativ eingestellt. Zeitgleich ist die musikalische Tätigkeit im Iran aufgrund der anhaltenden Einschränkungen unsicher und immer mit Sorgen verbunden.“ Der iranische Rundfunk wird auch von den Ultrakonservativen dominiert.
Einschränkungen, Störungen oder gar Verbote von Konzerten seien im Iran zu Selbstverständlichkeit geworden, bedauert Keyhani: „Es gibt sogar Gruppierungen, die nicht einmal das religiöse Lied des Meisters des traditionellen Gesangs, Mohammad Reza Schajarian, tolerieren.“ So ist es kein Wunder, dass viele iranische MusikerInnen in den vergangenen Jahren ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben. Keyhani selbst hat in verschiedenen Ländern wie der Schweiz, Italien und den USA Konzerte gegeben.
Der Vorstandsvorsitzende der nichtstaatlichen iranischen Organisation „Khaneye Moussighi“ (Haus der Musik), die sich um die Belange der MusikerInnen im Land kümmert, beschrieb Anfang Juni in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ILNA die Lage so: „Wenn es um Musik geht, kommt es einem so vor, als ob wir in einem feudalen Land leben würden. In jeder Ecke erlaubt  sich einer, der sich stark fühlt, zu handeln, wie er gerade Lust hat. Diese Problematik bedroht die Existenz der KünstlerInnen und belastet ihre Psyche.“
Frauengesang nach wie vor Tabu
Im Iran dürfen Sängerinnen nicht öffentlich vor Männern singen. Ihre Stimme würde Männer sexuell erregen, glauben die Ayatollahs. Nur als Background-Sängerinnen oder im Chor mit Sängern dürfen sie auftreten. Offiziell dürfen sie allerdings vor weiblichem Publikum singen. Doch immer mehr Städte verbieten Frauen, überhaupt aufzutreten, ob als Sängerin oder als Instrumentalistin.
Mitte Juli sagte Baran Rezai, Mitglied der Band Sheyda, der Nachrichtenagentur ILNA, dass Frauen nur in zwei Städten, Teheran und Sanandej, Auftrittsmöglichkeiten hätten. Keine andere iranische Stadt habe in letzter Zeit Auftritte von Musikerinnen zugelassen.

Frauenbands dürfen offiziell vor weiblichem Publikum auftreten und auch singen
Frauenbands dürfen offiziell vor weiblichem Publikum auftreten und auch singen

 
2014 berichteten iranische Nachrichtenseiten, in 13 Provinzen dürften Musikerinnen nicht mehr öffentlich auftreten. Wer dieses Verbot veranlasst hatte, wurde nicht bekannt. Laut dem damaligen Vizekulturminister Pirouz Ardjmand, zuständig für Musik, hatte die Regierung Rouhani damit nichts zu tun. „Wenn Künstlerinnen mit vorschriftsmäßiger Bekleidung und unter Beachtung der religiösen und gesellschaftlichen Regeln an einer Veranstaltung gemeinsam mit Männern teilnehmen, gibt es keine Bedenken gegen ihr Auftreten auf der Bühne“, so Ardjmand.
Im April dieses Jahres ließ er wissen, dass in den vergangenen vier Jahren – in der ersten Amtszeit Rouhanis – keine Konzerte durch Entscheidung der Regierung abgesagt worden sei. Ihm zufolge fanden 2015 landesweit 3.000 Konzerte statt. Nach Angaben von Vertretern der derzeitigen Regierung hatte das Kulturministerium der Vorgängerregierung von Mahmoud Ahmadinedschad (2005 – 2013) nur 400 Konzerte zugelassen.
Verbesserung und Hoffnung auf mehr
Auch Karen Keyhanfar sieht kleine, aber wichtige Änderungen unter der Regierung Rouhani: „Das nationale Orchester hat seine Arbeit wieder aufgenommen. Es gibt wieder mehr Absolventen in der Fachrichtung Musik. Die düstere Zeit für klassische Musik scheint langsam ein Ende zu finden. Schahdad Rohani dirigiert das Teheraner Symphonieorchester, das älteste im Nahen Osten, das unter Ahmadinedschad aufgelöst worden war. Der höchste Entscheidungsträger für Musikangelegenheiten im Kulturministerium ist ein Fachkundiger. Es werden mehr Konzerte genehmigt und die instrumentale klassische Musik braucht keine offizielle Genehmigung für Aufführungen mehr. In den Musikschulen, die in der Zeit von Ahmadinedschad sehr an Qualität verloren haben, gibt es spürbare Verbesserungen in der Leitung.“
Auch die Lage der verbotenen „Underground-Musik“ soll sich etwas gebessert haben. Laut Pirouz Arjmand bemühe sich die Regierung Rouhani, auch in diese Richtung für Lockerungen zu sorgen. „Zum ersten Mal nach der Revolution wurden solche Songs und Musikclips genehmigt. Das führt dazu, dass die Untergrund-Musiker ihre Arbeit offiziell anbieten“, so Arjmand.
Nach der Wiederwahl von Hassan Rohani wächst die Hoffnung, dass sich die Lage der Musik und ihrer SchöpferInnen weiter bessert. Die Wahl seines neuen Kulturministers wird zeigen, ob diese Hoffnung eine reale Basis hat. Ob der gemäßigte Rouhani es gar erreicht, dass Solo-Sängerinnen vor gemischtem Publikum auftreten dürfen?
  NAHID FALLAHI
Aus dem Persischen übertragen von IMAN ASLANI.
Quellen:
www.tabnak.ir , farhangohonar.ir , aftabnews.ir
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