Kampf um die Pressefreiheit
Pressefreiheit und ungestörte Zirkulation von Informationen waren vor seiner Ersten Wahl zum Präsidenten im Wahlkampf 2013 zwar Wahlversprechen Hassan Rouhanis. Doch der mittlerweile in die zweite Amtszeit gewählte Präsident kann seine Versprechen kaum halten. Zu stark tobt im Iran der Kampf um die Medienhoheit zwischen Hardlinern und den gemäßigten Unterstützern Rouhanis.
„Lasst uns die polizeilichen Kontrollen an den Universitäten, in den Städten, im Land, im Netz und in den virtuellen Medien aufheben.“ „Wir müssen den Medien mehr Freiheiten einräumen. Sehen Sie sich die heutige Lage unserer Medien an!“ Diese zwei Sätze stammen von dem bereits zum zweiten Mal gewählten Präsidenten des Iran, Hassen Rouhani. Er äußerte sie in seinem ersten Wahlkampf 2013. In einer von vierjähriger absoluter Unterdrückung unter Rouhanis Vorgänger Ahmadinedschad müden Gesellschaft kamen solche Wahlversprechen gut an.
Doch die Wirklichkeit sieht am Ende der ersten Amtszeit Rouhanis anders aus. Derzeit sitzen im Iran über 30 JournalistInnen und BloggerInnen sowie 15 Online- und Social-Media-AktivistInnen in Haft. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) stuft den Iran in ihrer aktuellen Rangliste der Pressefreiheit unter 180 Ländern auf Platz 169 ein.
Die Regierung: ein kleines Zahnrad
Das Kulturministerium und das Geheimdienstministerium sind die beiden der Regierung unterstehenden Kontrollinstanzen der Medien. Der Geheimdienst der Revolutionswächter und die Cyber-Polizei agieren unabhängig von der Regierung, die Revolutionswächter kontrollieren wichtige Mobilfunk- und Internetanbieter. Der so genannte „Ausschuss zur Bestimmung strafbarer Inhalte“, der über die Zensur im Internet entscheidet, ist ein dreizehnköpfiges Gremium, in dem Regierungsvertreter nicht die Mehrheit besitzen.
Außerdem ist es politische Tradition in der islamischen Republik, dass Regierungschefs die Minister für „sensible“ Ressorts wie das Geheimdienst- oder Außenministerium in Absprache mit dem geistlichen Führer des Irans, Ayatollah Ali Khamenei, ernennen. Mit anderen Worten: Selbst bei einer „lockereren“ Politik, wie sie Rouhani 2013 versprochen hatte, hat die Regierung keine uneingeschränkten Befugnisse, um die politische, kulturelle oder gesellschaftliche Lage zu bestimmen.
Der Geheimdienst der Revolutionsgarde spielt seit einigen Jahren im Zusammenhang mit Festnahmen von JournalistInnen und MedienaktivistInnen eine entscheidende Rolle. Unmittelbar nach dem Atomabkommen mit den UN-Vetomächten und Deutschland im Juli 2015 warnte Revolutionsführer Ali Khamenei vor dem „Eindringen der Feinde“ in das politische System und die Gesellschaft des Iran. Im Herbst des Jahres wurden dann mehrere unabhängige JournalistInnen, darunter Issa Saharkhiz, vom Geheimdienst der Revolutionsgarde verhaftet. Der langjährige Journalist, der mehrere Jahre seines Lebens in den Gefängnissen der Islamischen Republik verbrachte, und die anderen Inhaftierten wurden für die Verkörperung des „Eindringens der verfeindeten Staaten in die iranischen Medien“ gehalten, ließ die Wortwahl der Berichterstattung in regimetreuen Medien vermuten.
Neben Issa Saharkhiz wurden die Journalistin Afarin Chitsaz und der Journalist Ehsan Mazandarani verhaftet. Chitsaz hat eine Zeitlang in Paris gelebt. Unter der Regierung Rouhani schrieb sie Kolumnen über Außenpolitik. Afarin Chitsaz soll der Regierung Rouhani nahegestanden haben. Sie wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt.
Ihr Kollege Mazandarani war Chefredakteur einer Zeitung, die der Islamischen Azad-Universität gehört. Ihm wird Propaganda gegen das Regime vorgeworfen. Er wurde zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Festnahme wegen Korruptionsberichterstattung
Journalisten und Medienaktivisten werden im Iran allerdings nicht nur aus politischen Gründen verfolgt. Präsident Rouhani beschrieb die Presse 2013 in seinem Wahlkampf als Gesetzeshüterin und effektives Werkzeug zur Bekämpfung von Korruption. Dennoch wurde bei einer der brisantesten Korruptionsaffären der letzten Jahre der Journalist Yashar Soltani wegen seiner Berichterstattung darüber im vergangenen Jahr inhaftiert und mehrere Wochen festgehalten. Der Grund: Dem Teheraner Oberbürgermeister aus dem konservativen Lager, Mohammad Bagher Ghalibaf, wurde vorgeworfen, den Verkauf wertvoller Immobilien in der Hauptstadt unter anderem an Mitglieder des Stadtrats zu äußerst günstigen Konditionen genehmigt zu haben. Die Inhaftierung von Soltani, Chefredakteur des Internetportals Memari News, sorgte für großen Aufruhr auch im Internet. Die Memari News veröffentlichten als erste einen Bericht des dem Justizapparat untergeordneten General-Inspektionsbüros. Der Oberbürgermeister musste bislang keine Konsequenzen tragen.
Auch Sadra Mohaghegh verschwand im vergangenen Jahr für einige Wochen von der Bildfläche. Der auf das scheinbar ungefährliche Themengebiet Umwelt spezialisierte Journalist schweigt nach wie vor über die Gründe seiner Inhaftierung.
Hungerstreik als einzige Waffe
Viele iranische MenschenrechtsaktivistInnen und JournalistInnen haben in den vergangenen Jahren mit Hungerstreiks gegen das Vorgehen der Sicherheitsbehörden protestiert.
Ende März kursierte das Testament der Journalistin Hengameh Shahidi, die sich immer noch im Hungerstreik befindet, in den sozialen Netzwerken. „Falls mir etwas zustoßen sollte, tragen diejenigen, die da oben sitzen, dafür die Verantwortung. Der Herr Präsident, das Geheimdienstministerium, die Staatsanwaltschaft und der Justizapparat werden meinen Tod verantworten müssen“, soll sie ihrem Vernehmer gesagt haben, wie die „Internationale Menschenrechtskampagne im Iran“ Shahidis Mutter zitierte.
Arash Sadeghis mehrwöchiger Hungerstreik, der ihn bis an die Schwelle des Todes brachte, sorgte in den vergangenen Monaten ebenso für heftige Kritik iranischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen. Der Journalist, der eine Haftstrafe absitzt, protestierte gegen die brutale Festnahme seiner Ehefrau, bei der die Haustür von Sicherheitsbeamten eingetreten worden sein soll. Die Schriftstellerin hatte eine Geschichte über Steinigung verfasst und ist aufgrund dessen zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.
Opfer des Machtkampfs
Fortsetzung auf Seite 2