Das weibliche Gesicht der Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit im Iran steigt weiter. Betroffen sind vor allem gebildete junge Frauen. Nicht alle politischen Lager im Iran finden das schlimm.

Vergangene Woche veröffentlichte das iranische Zentrum für Statistik (Markaze Amare Iran) aktuelle Arbeitslosenzahlen. Demnach sind 11,8 Prozent der potenziellen Erwerbspersonen (Erwerbstätige und sofort verfügbare Erwerbslose) im Iran arbeitslos. Das sind 1,2 Prozent mehr als der Durchschnitt des vergangenen iranischen Jahres (21. März 2014 – 20. März 2015).
Dabei ist die Arbeitslosigkeit bei Frauen mit 19,7 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Männern (10,2 Prozent). Bei den Hochschulabsolventinnen liegt sie sogar zweieinhalb Mal höher als bei männlichen Akademikern.
Aus den Statistiken geht auch hervor, dass mehr als 1,6 Millionen IranerInnen die Suche nach einer Beschäftigung bereits aufgegeben haben. Trotzdem bleibt die durchschnittliche Arbeitslosenquote ähnlich hoch wie in den vergangenen 20 Jahren – nach offiziellen Angaben bei etwa 13 Prozent.
Daraus schließt Zahra Karimi, Beraterin des iranischen Arbeitsministers, dass immer mehr gebildete Iranerinnen die Arbeitssuche aufgeben und damit aus der Statistik fallen. So bleibe die durchschnittliche Arbeitslosenquote unverändert, gleichzeitig steige die Anzahl der Hausfrauen, stellt Karimi fest. „Aus den Statistiken geht klar hervor, dass ein Großteil der 1,6 Millionen, die die Suche aufgegeben haben, gut gebildete Frauen sind“, schrieb sie am 16. Juni in der Tageszeitung Etemad. Bei Männern würde die Gesellschaft nicht akzeptieren, wenn sie die Suche nach einer Arbeitsstelle aufgeben würden, so Karimi. Bei Frauen sei das jedoch anders.
Wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt

In der Teppichindustrie des Iran arbeiten bis zu 90 Prozent Frauen
In der Teppichindustrie des Iran arbeiten bis zu 90 Prozent Frauen

Die Aussagen der Beraterin des Arbeitsministers verdeutlichen die traditionelle Rollenverteilung von Männern und Frauen im Iran, die vor allem von fanatisch-religiösen Schichten und Kreisen unterstützt wird. Dabei gibt es Einschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen keineswegs nur beim Amt des Staatspräsidenten oder dem eines Richters. Im Sommer 2014 schloss etwa die Teheraner Stadtverwaltung Frauen aus bestimmten Arbeitsbereichen aus. Die umstrittene Anordnung wurde angeblich „zum Schutz der Frauen“ und „aus Respekt“ vor ihnen erlassen. Ein anderes Beispiel: Frauen dürfen nicht in Cafés oder traditionellen Teehäusern kellnern oder kassieren, selbst wenn das Geschäft von einer Frau geführt wird. Und im Jahr 2013 schlugen 26 Parlamentsabgeordnete in einem Gesetzentwurf sogar vor, Männer und Frauen bei der Arbeit zu trennen. Auch sollte demnach jedes Unternehmen Genehmigungen für Nachtarbeit weiblicher Beschäftigter einholen. Der Gesetzentwurf verstieß allerdings gegen das iranische Arbeitsgesetz.
Unter der Regierung von Hassan Rouhani gehen die Einschränkungen weiter. Im Juni 2015 wurden landesweit 2.800 Stellen in staatlichen Behörden ausgeschrieben. Darunter waren nur 516 Stellenangebote auch oder ausschließlich für Frauen.
Laut offiziellen Angaben sind etwa 24 Millionen IranerInnen potenzielle Erwerbspersonen. Davon ist fast die Hälfte weiblich. Familiäre, gesellschaftliche und gesetzliche Gründe führen allerdings zu einer sehr geringen Beteiligung der Frauen am Arbeitsleben. Von 2005 bis 2014 ging laut der iranischen Statistikbehörde die Beschäftigungsquote von Frauen von 17 auf 11,7 Prozent zurück.
„Weibliche Armut“
Das bedeutet auch: Alleinerziehende Mütter und Frauen, die ihre Familie ernähren müssen, sind besonders von Armut bedroht. Ihre Zahl wird offiziell auf etwa 2,5 Millionen geschätzt. Laut der Vizepräsidentin im Ressort für Frauen und Familien, Shahindocht Molaverdi, sind mehr als 80 Prozent dieser Frauen arbeitslos.
Darüber hinaus sind viele iranische Familien angesichts des starken Anstiegs der Lebenshaltungskosten in den vergangenen Jahren auf finanzielle Unterstützung ihrer weiblichen Mitglieder angewiesen. Doch oft verlieren Frauen nach der Elternzeit ihre Arbeit, obwohl das iranische Regime für höhere Geburtenraten wirbt. Laut Vizepräsidentin Molaverdi wurde 2014 ein Drittel aller Elternzeitnehmerinnen direkt nach der neunmonatigen Pause entlassen.
Eine Stunde Arbeit pro Woche
Bauarbeiter in Teheran
Wer im Iran eine Stunde pro Woche arbeitet, gilt als erwerbstätig!

Offiziell erwerbstätig zu sein heißt überdies längst nicht, von der Arbeit auch leben zu können. 2004 wurden während der Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad umstrittene Änderungen in der statistischen Erfassung der Arbeitslosigkeit vorgenommen. Seitdem gelten alle IranerInnen als erwerbstätig, die mindestens eine Stunde pro Woche arbeiten. Zudem werden Auszubildende sowie diejenigen, die ohne Entgelt für Familienmitglieder arbeiten, als erwerbstätig erfasst. Kritiker sind der Meinung, dass die damalige Regierung so die Arbeitslosenquote künstlich niedrig erscheinen lassen wollte.
Die Regierung Rouhani setzt im letzten Amtsjahr vor der Präsidentenneuwahl alles daran, mit ausländischer Hilfe das Land aus einer der tiefsten Rezensionen seiner Geschichte zu befreien. Der nötige Schwung bleibt jedoch aus. Bei einem Großteil der Bevölkerung schwindet die Hoffnung auf eine baldige Besserung ihrer Situation. Trotz des Atomabkommens und des Aufhebens der internationalen Sanktionen gegen den Iran ist die Unsicherheit ausländischer Investoren immer noch groß. Die iranische Bürokratie und die Korruption schrecken viele ab. Zudem lassen die mächtigen Hardliner um den Revolutionsführer Ayatollah Khamenei immer wieder wissen, dass sie eine Annäherung der Islamischen Republik an den Westen nicht akzeptieren werden.
  IMAN ASLANI
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