Wie funktioniert die iranische Wirtschaft?

Die Regierung hat erneut angekündigt in den „nächsten ein oder zwei Jahren“ vier Nullen aus der iranischen Währung Rial streichen zu wollen. Diese Maßnahmen beherrschen aktuell die Schlagzeilen. Der Blog Mikhak präsentiert ein „einfaches Model“ für die Erklärung der wirtschaftlichen Situation.
Die Diskussion über das Streichen von Nullen aus der Währung wird seit einigen Jahren intensiv geführt. Der Zentralbankchef, Mahmud Bahmani, sagte gestern, dass es in diesem Jahr (1390, nach iranischem Kalender) „soweit sei“ und bald „ein Rial einen Dollar wert sein“ werde. Ziel sei es, die Geldmenge und die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Kritiker sind der Meinung, dieser Schritt würde nach dem Abbau der Subventionen nur der Verschleierung des Wertverlustes des Rials dienen.

Mikhak analysiert:

 
Ein einfaches Model für die Analyse der iranischen Wirtschaft unter der aktuellen Regierung
Die Besonderheiten der neunten (jetzigen) Regierung kann man wie folgt zusammenfassen:

  • Übermäßiges Vertrauen in Öleinkünfte, mehr als jede Regierung zuvor
  • Stagnation der inländischen Produktion
  • Leichtfertige Veräußerung von günstigen Krediten und Anleihen in Dörfern und städtischen Randgebieten
  • Irregulärer Import von Konsumgütern aus China
  • Ausweitung des Wirtschaftsmonopols der Revolutionsgarden (Sepah)
  • Fixierung der Währung per Dekret
  • Streichung der Subventionen für Energieträger

 
Nun stellt sich die Frage, wie dieses System funktioniert? Wie es die Zufriedenheit seiner Bürger sicherstellen kann? Und schließlich, wo seine Schwachstellen und wo die Anfälligkeiten für Krisen liegen?

Mit einem einfachen Modell kann man dieses System analysieren:

Die Regierung unterstützt Dorfbewohner und Einwohner städtischer Randbezirke spendabel mit Geldzufluss. Diese Hilfen werden im Rahmen von günstigen Bauernkrediten, leichtfertiger Versicherung von Ackerflächen, Wiederaufbaukrediten für Bauernhäuser, Bargeldsubventionen oder Gewinnbeteiligungen an „Gerechten Aktien“ (Die Regierung vergibt seit etwa drei Jahren sogen. „Gerechte Aktien“ im Losverfahren an Geringverdiener, Anm. d. Red.), und so weiter.
Diese Hilfen stellen selbstredend diesen Teil der Bevölkerung zufrieden und machen ihn zugleich von staatlichen Zuwendungen abhängig. Aber wo ist die Quelle dieser Großzügigkeit?
Nach Expertenmeinung sind in den letzten sechs Jahren der Regierung Ahmadinedjad viermal mehr Geldscheine gedruckt worden, als in der Geschichte des Rials (Iranische Währung, Anm. d. Red.). Demnach sind die Gelder, die als Bankprodukte ausgegeben werden, ohne jegliche Absicherung.
Unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen würde eine solche Politik einerseits zu einer astronomischen Inflation (denn die Geldumlaufmenge überstiege die Menge der Güter im Umlauf) und andererseits zu extremer Entwertung der nationalen Währung gegenüber ausländischen Devisen führen. Aber in Iran ist das nicht passiert.
Mit übermäßigem Import von Billigwaren aus China und anderen Ländern erhöht die Regierung die Menge der Konsumgüter und neutralisiert damit die Inflation. Zum anderen hält sie den Preis für ausländische Devisen künstlich niedrig, und wendet damit angeblich die Abwertung der nationalen Währung ab.
Das Ergebnis dieser Politik ist die Unrentabilität der inländischen Produktion, und der reiche Gewinn der Importeure von Konsumgütern. Damit stärkt die Regierung Ahmadinedjad einen Kapitalismus der Makler und Spekulanten auf Kosten eines Industriekapitalismus.
Angesichts der Wirtschaftsmacht der Revolutionsgarden in der Regierung Ahmadinedjad und ihrer einzigartigen Möglichkeiten außerhalb des Gesetzes zu agieren (einschließlich zahlreicher Verladehäfen, die sie im Persischen Golf ohne staatliche Aufsicht betreiben), scheint diese militärische Organisation zu einem Großkapitalisten und riesenhaften Monopolisten aufgestiegen zu sein.
Demnach lässt sich die Vorgehensweise der Regierung in Wirtschaftsangelegenheiten folgendermaßen interpretieren:
Auf der anderen Seite druckt die Regierung Rial und stellt sie auf spendable Art der Bevölkerung zur Verfügung, womit sie die importierten Waren der Sepah einkaufen. Und auf diese Weise werden die Petro-Dollars in Rial umgewandelt.Die Regierung verkauft Öl und erhält Petro-Dollars. Diese Dollars werden der Sepah und ihr zugehörigen Organisationen zur Verfügung gestellt, womit sie wiederum Billigware aus China importieren. Auf der anderen Seite druckt die Regierung Rial und stellt sie auf spendable Art der Bevölkerung zur Verfügung, womit sie die importierten Waren der Sepah einkaufen. Und auf diese Weise werden die Petro-Dollars in Rial umgewandelt.
Die langfristigen Folgen sind eindeutig: Die Zerstörung der heimischen Produktion infolge der Importe, Anstieg der Arbeitslosigkeit, Verschwendung der Öleinnahmen für Konsumgüter, übermäßige Abhängigkeit der Wirtschaft von der Ölproduktion und dem Ölexport. Damit wird ein schadhafter Kreislauf erzeugt und fortgesetzt, in dem die steigende Arbeitslosigkeit, de facto mehr Subventionsbedürftige erzeugt, die immer mehr Geld von der Regierung erhalten, die entsprechend zur Neutralisierung mehr Waren importiert und damit den Monopolkapitalismus (hauptsächlich die Sepah) stärkt, die Einnahmen nicht investiert, sondern für Importe ausgibt, und die heimische Produktion benachteiligt, womit die Arbeitslosigkeit wiederum steigt, etc…
Solch ein defekter Kreislauf kann nicht von Dauer sein. Die mangelnde Investition des Staates in Erhalt und Ausbau der Öl- und Gaswirtschaft wird langfristig zur Abnahme der Staatseinnahmen führen. Die internationalen finanziellen Einschränkungen infolge der Sanktionen werden diese Entwicklung begünstigen.
Die Spuren dieser Politik werden schon jetzt sichtbar. Die Regierung wurde nun gezwungen, die Subventionen für Energieträger zu streichen, in der Hoffnung, mit dem Gewinn mehr importieren zu können. Aber auch, um durch diese Mehreinnahmen aus Beteiligungspapieren ausländische Investoren für die Öl- und Gasproduktionsanlagen gewinnen zu können.
Die Streichung der Subventionen wird sicherlich eine harte Spur der Inflation hinterlassen. Aber die wichtigste Folge dieses inkonsistenten Systems werden die psychischen Folgen sein. Die Abhängigkeit eines beachtlichen Teils der Gesellschaft von Spenden des Staates wird vielleicht kurzzeitig für Zufriedenheit sorgen.
Aber das Niveau der Erwartungen und ein falscher Konsum werden dadurch steigen, was wiederum zur Senkung der Staats-Spenden führen muss (was durch die eingeschränkten Möglichkeiten des Dollarhandels früher oder später geschehen wird). Das wiederum wird heftige soziale Unzufriedenheit erzeugen, deren Eindämmung nicht einmal für repressive Regime einfach sein wird.