Spott im Vor-Wahlkampf

Kaum tritt Irans Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad der Twitter-Community bei, erregt er den Zorn iranischer Web-UserInnen. Überwiegend für Unverständnis sorgt auch die jüngste Kritik des Staatsoberhaupts Ali Khameneis an der iranischen Regierung. Ein Webwatch.
Irans ehemaliger Staatschef Mahmud Ahmadinedschad meldet sich wieder zu Wort. Und zwar auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: In einer kurzen englischsprachigen Videobotschaft hat der umstrittene Politiker vergangene Woche die UserInnen der Social Media Plattform gebeten, seinem Account zu folgen. Doch sowohl sein Auftritt in dem Videoclip als auch seine ersten Twitter-Beiträge sorgen seit mehr als einer Woche unter den Web-User für Verwunderung und Belustigung.
„Jetzt redet er auch noch Englisch. Dabei kann man ihn schon kaum verstehen, wenn er Persisch spricht“, schreibt Bavarno95 auf Instagram. Ein anderer User zeigt sich amüsiert: „Wahrscheinlich denkt er, er würde bei den jungen Leuten besser ankommen, wenn er Englisch spricht.“ Ähnlich äußert sich Tohee24: „Mahmud findet sich jetzt vermutlich ziemlich hipp und cool.“
Ahmadinedschad, der bereits während seiner achtjährigen Präsidentschaft häufig wegen seines äußeren Erscheinungsbildes und seiner Aussagen auf sozialen Plattformen Hohn und Spott über sich ergehen lassen musste, wird auch nach seinem Twitter-Auftritt nicht geschont: „Er sieht immer noch so schäbig aus wie vor vier Jahren“, schreibt Istagram-User Saeed98. „Ungepflegt wie eh und je“, findet auch Emasiomon. Ein anderer schreibt: „Man kann regelrecht sehen, wie die Flöhe auf seinem Kopf hin und her springen.“
„Kein Mann des Friedens und der Liebe“
Viele WebnutzerInnen reagieren jedoch vor allem verärgert: „Dieser Mensch wagt es, die Worte Peace and Love in den Mund zu nehmen. Wie kann er dabei nicht rot werden?“, schreibt Reza auf der Facebook-Präsenz von BBC Farsi. Er habe weder etwas für den Frieden in der Welt getan noch sein Volk geliebt, schreibt ein anderer User. „Du bist alles, nur kein Mann des Friedens und der Liebe, du elender Blender“, meint auch Farzaneh.

Der Hardliner Mahmoud Ahmadinedschad hinter Trump - Foto: bartarinha.ir
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (Mahmoud Ahmadinedschad und Donald Trump – Foto: bartarinha.ir)

Auch Ahmadinedschads Frage an die Twitter-User, ob man ihn für Zensur und mangelnde Freiheit im Iran verantwortlich machen könne, empört die Web-Community: „Mahmud, mein Lieber, die Antwort lautet JA“, so die trockene Replik des Twitter-Users nullzerovalue. „Du fragst, ob man dich für Zensur verantwortlich machen könne? Du hast eine ganze Generation ruiniert! Man kann dich für deutlich mehr verantwortlich machen als nur für Zensur“, schreibt auch SamanVoice. Ahmadinedschad habe jenen politischen Strömungen Macht gegeben, die gegen die Freiheit seien, schreibt yahya_fo. „Es ist offensichtlich, dass du rein gar nichts für die Freiheit deines Volkes getan hast“, so der Twitter-User weiter. „Twitter wird seit deiner zweiten Amtszeit im Iran blockiert, du Idiot“, echauffiert sich MammadRingo. Eine anderer Userin schreibt: „Das ist die Freiheit, die du uns gebracht hast“, und schickt ein Foto der bei den Massendemonstrationen der oppositionellen Grünen Bewegung von 2009 erschossenen Neda Agha Soltan.
Unterstützung für Ahmadinedschad

Andere wiederum unterstützen den ultrakonservativen Ex-Präsidenten: „Du bist der Beste. Der Iran braucht einen großen Anführer wie dich“, findet etwa AssadistRevolution. „Mahmud liebt die Menschheit und die Freiheit“, glaubt ein anderer Twitter-User. Ahmadinedschad habe für „wahre Freiheiten“ gestritten, findet auch k_hooshmandi. „Es ist erfrischend, Ahmadinedschad wiederzusehen. Ich habe ihn vermisst“, schreibt Ahmad auf BBC Farsi. „In den Zeiten eines Präsidenten Trump wäre der Iran mit Ahmadinedschad am besten gerüstet. Auge um Auge, Zahn um Zahn“, findet Arvand. Er hoffe, dass dessen Erscheinen auf Twitter den Auftakt einer Kampagne zur erneuten Wahl von Ahmadineschad darstelle, so der Iraner.
Reaktionen auf Khameneis Kritik
Mit ungewöhnlicher Härte hat das Staatsoberhaupt Ale Khamenei vergangenen Donnerstag die bisherige Regierungszeit von Präsident Hassan Rouhani kritisiert. Die Regierung müsse zur „Widerstandsökonomie“ zurückkehren und die Unzufriedenheit der Menschen ernst nehmen, so der Ayatollah. Sie müsse die Konjunkturprobleme lösen, Arbeitsplätze schaffen und gegen Schmuggel vorgehen. Auch außenpolitisch müsse der Iran wieder „mehr Härte“ gegenüber den USA und Israel zeigen, so Khamenei in einer Rede vor Angehörigen des Expertenrates.
Die iranische Web-Community wiederum geht hart mit Khamenei ins Gericht: „Was redet dieser Mann da? Wirtschaft ist ein hochkomplexes Thema. Er ist nicht mal ansatzweise dazu in der Lage, treffende Analysen zu machen. Dazu hat er kein bisschen Sachverstand“, schreibt Hormoz unter einem Beitrag von Voice of America Persian. „Seit 1979 hören wir immer die gleiche Leier. Für wie dumm hält Khamenei das iranische Volk? Noch immer will er mehr Härte gegenüber dem Westen. Bis wann will er denn noch die Menschen mit solchen Parolen belästigen?“, schreibt ein spürbar genervter Besucher der Webseite mit dem Pseudonym Mardome adie Iran. Ähnlich äußert sich Irooni: „Solch einen Unsinn kann doch kein Mensch mehr hören. Früher, als es noch kein Satellitenfernsehen und kein Internet gab, mögen die Menschen solchen Behauptungen Glauben geschenkt oder solche Forderungen ernst genommen haben. Heute ist das Gros der Bevölkerung viel zu informiert.“ Auf Radio Zamaneh schreibt Amirhossein: „Khamenei folgt stur der Linie, der er von Anfang an gefolgt ist. Ihn interessieren die Realitäten nicht. Es wäre unrealistisch, mehr von ihm zu erwarten.“
Ali Khamenei (li) hat bei den Präsidentschaftswahlen 2009 Mahmud Ahmadinedschad unterstützt (Foto aus dem Archiv)
Ali Khamenei (li) hat bei den Präsidentschaftswahlen 2009 Mahmud Ahmadinedschad unterstützt (Foto aus dem Archiv)

 
Womit Khamenei wohl nicht rechne, sei, dass das Volk über ein Gedächtnis verfüge, so ein anonymer User der Nachrichtenseite Peyke Iran. „Klar, die Probleme sind unter Rouhani bei weitem noch nicht gelöst worden. Aber Widerstandsökonomie? Hatten wir schon mal, und das Resultat war verheerend. Welcher Teufel Khamenei geritten hat, tatsächlich die Rouhani-Regierung für die Probleme des Landes verantwortlich zu machen, ist schleierhaft“, schreibt der unbekannte User weiter. Dabei sei doch klar, dass Khamenei lüge. Unter Rouhani sei die Lebensqualität der IranerInnen gestiegen, glaubt Kaveh zu wissen. Doch nicht jeder stimmt zu. Azar schreibt: „Es ist offensichtlich, dass die Situation schlechter ist als während der Ahmadinedschad-Ära. Rouhani hatte versprochen, die Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit in Schwung zu bringen. Nicht nur, dass er dieses Versprechen nicht einhalten konnte, auch die Menschenrechtslage und die gesellschaftliche Gesamtsituation haben sich verschärft.“
Wahlkampfmanöver?
Für viele Web-User steht fest: Die jüngste Rede Khameneis steht im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2017. Der konservative Khamenei wolle den weltoffeneren Rouhani am liebsten keine weitere Legislaturperiode im Amt sehen.
„Khameneis Worte markieren den Beginn der konservativen Anti-Rouhani-Kampagne. Schon jetzt ist klar, dass Millionen und Abermillionen Stimmen von Basidschis (Khamenei-treue paramilitärische Einheiten) und Angehörigen der Revolutionsgarde in das Lager des konservativen Widersachers Rouhanis fließen werden“, schreibt ein anonymer User auf Voice of America Persian. „Die ganze Sache ist doch eindeutig. Khamenei geht es in seiner Rede einzig und allein darum, dem liberal-moderaten Lager zu schaden. Die Sorge um die wirtschaftliche und soziale Situation des Iran ist nur gespielt“, glaubt Ali. Hessam geht auf der Newsplattform Radio Farda sogar noch weiter: „Dieses ganze Gerede hat doch nur das Ziel, Rouhani zu disqualifizieren. Die Konservativen wollen nicht, dass Rouhani noch einmal antritt.“
Eine ganz andere Theorie hat dagegen die Userin Irandokht. Sie glaubt, dass die politischen Strömungen insgeheim zusammenarbeiten, um das Regime zu erhalten und ihm Legitimität zu verleihen: „Es ist Wahljahr, und schon gehen wieder die Möchtegernstreitigkeiten los. Als würden sich die verschiedenen politischen Flügel der Islamischen Republik großartig voneinander unterscheiden! Sie simulieren eine nicht existierende Vielfalt, damit die Menschen euphorisiert und in dem Glauben, sie hätten wirklich eine Wahl, zu den Urnen rennen.“
  JASHAR ERFANIAN
Quellen: facebook.com/bbcpersian/videos , voanews.com/a/iran , radiozamaneh.com/329084 , peykeiran.com/Content , radiofarda.com/a/f2